Augustiner-Chorherrenstift St. Nikola (1067/1111 bis 1803)
Im Jahre 1067 gründet der Passauer Bischof Altmann (1065 bis 1091) mit Unterstützung der Kaiserinwitwe Agnes (um 1025/1065 bis 1077) vor den Toren der Stadt Passau ("in suburbio civitate") in unmittelbarer Nähe einer Innüberfuhr das Augustiner-Chorherrenstift St. Nikola. Ziel Altmanns war die Errichtung eines Reformklosters gegen den zu verweltlichten Klerus seiner Zeit. Die hier geplanten Reformen, bestimmt für den Orden und die katholische Kirche, gehen weit über das Bistum hinaus. Die Entstehungszeit des Kosters fällt in die große Auseinandersetzung des Investiturstreits zwischen König Heinrich IV. (1056 bis 1105) und Papst Gregor VII. (1073 bis 1085).
Das Stift ist von Anfang an ein geistliches Zentrum mit seelsorgerischen Aufgaben im damals riesigen Bistum Passau, sowohl im heutigen Bayern, als auch in Österreich. Dem Stift werden im Laufe seiner Geschichte mehrere Pfarreien inkorporiert, und zwar in Bayern zum Beispiel Alburg (heute Stadt Straubing), Aidenbach, Hartkirchen am Inn, Pocking undMittich (alle Landkreis Passau) sowie in Österreich unter anderem Alkofen (Bezirk Eferding), Grieskirchen und Pollham im Hausruckviertel, Münichreith (Bezirk Melk), Roitham (Bezirk Gmunden) und (Bad) Wimsbach (Bezirk Wels-Land). St. Nikola ist aber auch wirtschaftlicher Impulsgeber weit über den Passauer Raum hinaus und Träger sozial-karitativer Aufgaben.
In den Jahren 1077 und 1078 werden die Stadt Passau und das junge Kloster im Zuge des Investiturstreits durch kaiserliche Truppen verwüstet und schon im Frühjahr 1078 werden die Chorherren aus dem Kloster vertrieben. Bischof Altmann selbst hat Passau danach nie wieder betreten. Im Jahr 1111 wird das Kloster aber durch eine Urkunde von Kaiser Heinrich V. (1111 bis 1125) wiederbegründet.
Die romanische Krypta der Klosterkirche unterhalb des Chores und der Vierung stammt unmittelbar aus der Gründungszeit (um 1075) und zählt damit zu den ältesten frühromanischen Gruftkirchen Bayerns. Auch eine Datierung auf das 1. Viertel des 12. Jahrhunderts ist denkbar. Sie ist als ein quadratischer Einstützenraum mit Kreuzgratgewölbe gestaltet und besitzt gotische Fresken aus dem 14. Jahrhundert.
Die Krypta wird in den Jahren 1974 bis 1979 wiederhergestellt. Sie zeigt heute wieder gotische Fresken des 14. Jahrhunderts und eine gotische Sandsteinmadonna, bei der es sich um ein altes Gnadenbild handelt. Von ihr stammt auch der Name „Marienkapelle“ und dieser Raum stellt damit den ältesten marianischen Wallfahrtsort Passaus dar. Der Altar und das Sakramentshaus von Leopold Hafner sind modern.
Im Zuge der Reformationsbewegung, ausgelöst von Martin Luther (1483 bis 1546), wird das religiöse Leben im Stift schwer beeinträchtig. Die hier lebende bedeutende Komponist Leonhard Paminger (1495 bis 1567), ein Freund Luthers, tritt zusammen mit dem Propst Thomas Guner (1547 bis 1556) und weiteren Chorherren zum neuen Glauben über. Die Zahl der Mönche verringert sich in dieser Zeit vorübergehend auf nur mehr zehn "rechtsgläubige" Kanoniker.
Im 16. Jahrhundert entwickelt sich ein regelrechter Kampf um den Salzhandel zwischen Bayern und Passau.
Den erfolgreichen Hebel Bayerns gegen die Salzhandelsstadt Passau bilden dabei Kloster und Hofmark St. Nikola, da das Kloster St. Nikola bereits im Jahr 1248 unter bayerische Herrschaft kommt. Mit der Errichtung des bayerischen Salzstadels im Jahre 1586 direkt vor den Toren Passaus unmittelbar unterhalb des Klosters am Inn wurde Passau physisch des Salzes beraubt bzw. das Niederlags- und Mautrecht der Dreiflüssestadt umgangen. Die Salzschiffe laden bereits hier ihre wertvolle Fracht aus und das Salz wird auf dem Landweg vor den Toren Passaus nach Vilshofen und von hier über die dafür eigens errichtete Brücke über den neuen bayerischen Steig nach Grafenau und weiter nach Bergreichenstein in Böhmen transportiert.
Ab dem Jahr 1608 nimmt das Salzamt St. Nikola die beherrschende Stellung im Salzhandel ein, beliefert den Passauer Salzstadel und organisiert den Donauhandel flussaufwärts. Dies bedeutet den Anfang vom Ende des freien Passauer Salzhandels.
Trotz Reste spätgotischer Gewölbekeller ("tiefer Weinkeller") und des Refektoriums geht der heutige Klosterkomplex auf die Barockzeit zurück, da im Jahr 1348 Kirche und Kloster durch ein schweres Erdbeben stark beschädigt werden. Von den verheerenden Stadtbränden Passaus in den Jahren 1662 und 1680 bleibt St. Nikola aber verschont.
Die massive Klosteranlage stammt aus dem späten 17. und frühem 18. Jahrhundert. Das Ziel des barocken Umbaus ist die Errichtung einer regelmäßigen, mehrflügeligen Klosteranlage trotz unterschiedlicher Nutzungen. Als Architekt der Anlage gelten Carl Antonio Carlone (1708 hier beigesetzt) und nach dessen Tod sein Bruder Francesco Carlone aus der berühmten italienischen Künstlerfamilie, die über drei Generationen auch für den Dom St. Stephan, die Stadtpfarrkirche St. Paul und die Jesuitenkirche St. Michael in der Passauer Altstadt verantwortlich zeichnen.
Nach 1671 ist wohl der Vorgängerbau des späteren äußeren Westflügels in der Gestalt eines Brauhauses anzunehmen. In den Jahren 1688 bis 1690 entsteht die Sakristei an der Nordseite der Kirche. Ebenso bis ca. 1690 ist die Errichtung des inneren Westflügels, aufgestockt 1720/1740, anzunehmen. Der östliche Konventtrakt wird ebenfalls in dieser Zeit barock überformt. Davon zeugen noch heute zahlreiche Stuckaturen aus der Carlone-Werkstatt, so zum Beispiel in der ehemaligen "Neuen Bibliothek". Von 1715 bis 1718 wird die Klosterkirche erneuert. Eine Inschrift an der Decke der Kirche belegt "ex gothcia in novam formam redacta MDCCXVI", also "aus der Gotik in neue Form zurückgeführt 1716". Bis 1730 werden der Südflügel und das "Pfarrstöckl" zwischen diesem und der Kirche als damals vierstöckige Anlage errichtet. Ebenfalls im 18. Jahrhundert kommen noch die Pferdeställe und die Wagenremise im Südosten des Klosters hinzu.