29 Projektpartner aus den Bereichen Automobil- und Energiewirtschaft, IT und Ladeinfrastruktur sowie Wissenschaft errichten in vier Reallaboren deutschlandweit Feldversuche für vernetzte E-Mobilität. Die Leitung des dreijährigen Forschungsprojektes übernimmt die FfE aus München. Im Fokus steht die markt- und netzdienliche Integration der Elektromobilität mit Hilfe von interoperablen, intelligenten Ladekonzepten und deren Demonstration in groß angelegten Feldtests. Am Projekt beteiligen sich führende Unternehmen der Automobilbranche wie BMW, Mercedes, Ford und Volkswagen sowie große Netzbetreiber wie Bayernwerk, EWE und Tennet. Dazu kommen weitere Partner aus der Industrie wie Consolinno, Kostal oder PPC und aus der Forschung. Das BMWi fördert das am 1. August gestartete Vorhaben mit über 30 Millionen Euro.
Wie die Elektromobilität optimal in das Stromnetz integriert werden kann, untersucht das Forschungsprojekt „unIT-e² – Reallabor für verNETZte E-Mobilität“ in vier Feldversuchen. Um das komplexe Thema von allen Seiten gleichzeitig anzugehen, beteiligen sich 29 Partner aus den Bereichen Automobil- und Energiewirtschaft, IT und Ladeinfrastruktur sowie Wissenschaft an dem Verbundprojekt. Im Fokus steht die nutzerfreundliche, großflächige Umsetzung von bidirektionalen Ladekonzepten. Gefördert wird das dreijährige Vorhaben vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi). Für den weiteren Hochlauf der Elektromobilität werden im Projekt ganzheitliche Lösungen entwickelt. Ein Budget von über 60 Millionen Euro steht für die Realisierung von Feldversuchen in den Stadtgebieten von München und Düsseldorf sowie ländlich geprägten Feldversuchen in Ostbayern, Niedersachsen und Nordhessen zur Verfügung.
Für die Automobilhersteller stehen kundenorientierte Ladekonzepte, wie z.B. bidirektionales und intelligentes Laden, im Vordergrund. Ein wichtiges Augenmerk liegt dabei auf der Weiterentwicklung der ISO 15118, um den Ansprüchen an Mobilität und Komfort gerecht zu werden. Dabei soll die Integration der Elektromobilität – sowohl zu Hause als auch im öffentlichen und systemischen Kontext – gewährleistet werden. Hierfür werden notwendige Komponenten weiterentwickelt und die Anwendungsfälle erprobt. Die gewonnenen Erkenntnisse zur technischen Umsetzung und den Kundenerlebnissen werden die Produktausgestaltung der Projektpartner beeinflussen.
Der Fokus der Netzbetreiber und Energieversorger liegt auf der intelligenten Integration der Elektromobilität und weiterer Flexibilitätsoptionen in das Energiesystem. Hierfür soll die bestehende Infrastruktur durch Hard- und Softwarekomponenten ergänzt werden. Die Kommunikation zwischen den Elektrofahrzeugen und dem Stromnetz soll mittels der Smart-Meter-Gateways erfolgen. Zusätzlich werden neue Mechanismen und Steuerungsprozesse entwickelt und erprobt. Die IT-Prozesse und Komponenten werden von beteiligten Unternehmen für die interoperable Kommunikation zwischen den Akteuren und Komponenten entwickelt und umgesetzt. Wichtig ist hier die Entwicklung von intelligenten Lade- und Energiemanagement-Algorithmen.
Die Aufgabe der Wissenschaft in unIT-e² ist die Methodenentwicklung für die Vorbereitung, Begleitung und Synthese der Feldversuche. Weiterhin werden die erprobten Anwendungsfälle modelliert, um systemische, umweltrelevante sowie wirtschaftliche Auswirkung zu ermitteln. Anhand der Daten können anschließend Modelle und Algorithmen weiterentwickelt und künftig realitätsnahe Aussagen getroffen werden. Auch die Auseinandersetzung mit rechtlich-regulatorischen Fragestellungen, die Untersuchungen des Nutzerverhaltens sowie eine Betrachtung der Entscheidungsprozesse aus der Sicht der Akteure fällt in den Aufgabenbereich der Verbundpartner aus der Wissenschaft.
Die Konsortialführung und damit die Steuerung des Projekts liegt bei der FfE in München. „Wir freuen uns sehr, dass die FfE in unIT-e² als Transformationsbegleiter und Bindeglied zwischen den verschiedenen Branchen fungieren darf“, so Dr.-Ing. Christoph Pellinger, Geschäftsführer der FfE.
Im Zentrum des Projektes stehen vier deutschlandweite Feldversuche, sogenannte Cluster, in denen von Partnern Use-Cases entwickelt und in der Praxis demonstriert werden. In jedem Cluster sind ein Automobilhersteller sowie involvierte Partner aus Energiewirtschaft und IT beteiligt. Im Rahmen eines Teilprojektes werden durch die Partner aus der Energiewirtschaft Lösungen für die Integration der Elektrofahrzeuge ins Energiesystem erarbeitet. Die wissenschaftliche Projekt-Begleitung übernehmen Universitäten und Institute.
Im Cluster Harmon-E wird die Strecke vom Energiemarkt bis zur flexiblen Be- und Entladung von Elektroautos entwickelt und demonstriert. Um dieses Ziel zu erreichen, haben sich folgende Partner zusammengeschlossen: EWE Go GmbH, EWE Netz GmbH, FfE, Fraunhofer SIT, Kostal Industrie Elektrik GmbH, Mercedes Benz AG, Power Plus Communications AG, The Mobility House GmbH, Universität Passau und Viessmann Climate Solutions SE. Das Ziel: Ein harmonisches Zusammenspiel des Gesamtsystems, bestehend aus Virtuellem Kraftwerk, Fahrzeug, Ladeinfrastruktur, iMSys und Home Energy Management System bzw. Flottenmanagementsystem¬. Im Fokus steht die Prozesskette für die energiemarktdienliche und CO2-optimierte Be- sowie Entladung von Elektrofahrzeugen unter Beachtung von Netzrestriktionen. Um eine konfliktfreie und skalierbare Steuerung der Elektrofahrzeuge zu realisieren, werden technologieoffen verschiede Umsetzungsoptionen untersucht, priorisiert und im Rahmen von Labor- und Feldversuchen auf Kundetauglichkeit erprobt. Im Cluster Harmon-E erfolgt hierzu eine Musterimplementierung der ISO 15118-20, um bidirektionale Lade-Use-Cases zu untersuchen. Die Erfüllung höchster IT-Sicherheitsanforderungen beim bidirektionalen Laden stellt zudem ein resilientes Gesamtsystem sicher.
Das Cluster Heav-E untersucht in einem großflächigen Feldtest in der Region Nordhessen die Netzauswirkung einer hohen Durchdringung an privaten und gewerblichen E-Fahrzeugen und deren Ladevorgängen. Beteiligt sind daran die Projektpartner EAM Netz GmbH, FfE, Flavia IT-Management GmbH, Power Plus Communications AG, Regionalmanagement Nordhessen GmbH, RWTH Aachen, Universität Kassel und Volkswagen AG. Im Vordergrund stehen Abgleich und Austausch der Perspektiven sowie Zielsetzungen von Energie- und Automobilwirtschaft für eine ganzheitlich optimierte Verzahnung von Mobilitäts- und Energiewende. In diesem Rahmen sollen unterschiedliche Anreizsysteme und deren Auswirkung auf das Ladeverhalten der E-Fahrzeugnutzer und die daraus resultierende Auslastung der Verteilnetzinfrastruktur untersucht werden. Des Weiteren werden unterschiedliche energiewirtschaftliche Daten (Smart Meter Gateway, Stationsmessungen, etc.) und Fahrzeug- bzw. Ladeinfrastrukturdaten zusammengeführt. Damit soll auf Basis geeigneter Protokolle (z.B. Open Charge Point Protocol und EEBUS), unter Berücksichtigung der Novellierung des §14a EnWG, eine sichere Steuerung der Ladeinfrastruktur gewährleistet werden.
Das städtische Cluster Cit-E-Life hat zwei Standorte: München und Düsseldorf. Hier kümmern sich die Partner Consolinno Energy GmbH, EEBUS Initiative e.V., Ford Werke GmbH, Power Plus Communications AG, Schneider Electric, Stadtwerke Düsseldorf und Stadtwerke München GmbH um die effiziente und sichere Integration von Elektromobilität im komplexen urbanen Umfeld. Dabei soll der digitale, interoperable Informationsaustausch zwischen einer netzseitigen Koordinierungsplattform über intelligente Messsysteme und Energiemanagementsysteme bis hin zur Ladeinfrastruktur untersucht werden, um die Vorzüge von Elektromobilität in einer städtischen Umgebung entscheidend zu heben. Die gesamte Prozesskette vom Netz, über die Gebäudeautomation bis zur E-Mobilität wird abgebildet und untersucht.
sun-E – mit den Partnern Bayernwerk Netz GmbH, BMW Group, Consolinno Energy GmbH, Kostal Industrie Elektrik GmbH, Power Plus Communications AG und Universität Passau – ist als süddeutsches Cluster innerhalb unIT-e² angesiedelt und bezieht seine Namensgebung aus dem Zusammenspiel von Solarstromerzeugung und Elektromobilität. Die Aktivitäten im Cluster sun-E erweitern die bereits entwickelten Lösungen aus dem im Mai 2019 gestarteten Verbund-Forschungsprojektes „Bidirektionales Lademanagement – BDL“: Die Synergien von netz- und marktdienlichen Ladestrategien innerhalb eines stark PV-geprägten Netzumfeldes stehen dabei im Vordergrund. Im Kontext von Energiedienstleistungen soll die Frage beantwortet werden, inwiefern die Nutzer*innen von Elektrofahrzeugen beim Laden zu Hause und Laden am Arbeitsplatz bzw. beim Einkaufen von verschiedenen Ladestrategien profitieren können. Im Reallabor wird eine umfassende Standardisierung angestrebt, die wiederum Komfortgewinne und Kostensenkungen für Kundinnen und Kunden verspricht.
Diese Feldversuche sind eng mit den beiden konzeptionellen Teilprojekten (TP) zu den Themenschwerpunkten „Netz“ und „Forschung“ verknüpft. In diesen werden Fragestellungen zu grundlegenden Prozessen und Rahmenbedingungen beantwortet, die für alle Cluster von Relevanz sind.
Im Rahmen des Teilprojekts Grid werden in Zusammenarbeit von Bayernwerk Netz GmbH, Consolinno Energy GmbH, EAM Netz GmbH, EWE Netz GmbH, FfE, Flavia IT-Management GmbH, Power Plus Communications AG, Stadtwerke München GmbH, TenneT TSO GmbH, Viessmann, und wesentliche und sektorübergreifende Grundlagen für die in den Realtests verwendeten Hard- und Softwarekomponenten als auch für die Steuerungs- und Regelstrategien geschaffen. Wichtige Schwerpunkte zur Integration von dezentralen kleinteiligen Flexibilitäten im Stromnetz bilden hierbei die Entwicklung des Messsystems, die Schnittstellen zwischen den jeweiligen Stakeholdern, den Prozess zur Erbringung von Systemdienstleistungen, Algorithmen zur systemischen Ermittlung des Flexibilitätspotentials als auch die Weiterentwicklung von netzdienlichen Koordinationsmechanismen mit Bezug zu §14a EnWG. Durch das hohe Maß an Interoperabilität liegt eine starke Verflechtung der in diesem Teilprojekt durchgeführten Tätigkeiten vor. Hierdurch können grundlegende Handlungsempfehlungen für Politik und Normungsgremien abgeleitet werden.
Die vier Reallabore erhalten durch das Teilprojekt Forschung ein stabiles wissenschaftliches Fundament. Dabei wird die gesamte Bandbreite an projektrelevanten Themen - von Methodenentwicklung, Datenbeschaffung und Energiesystemmodellierung über die Auseinandersetzung mit rechtlich-regulatorischen Fragestellungen bis hin zu Untersuchungen des Nutzerverhaltens und der Netz-Markt-Rückwirkungen - durch ein breit aufgestelltes, interdisziplinäres Wissenschaftsteam analysiert. Die erarbeiteten wissenschaftlichen Ergebnisse werden mit praxisnahen Erkenntnissen aus der wissenschaftlichen Begleitung der Cluster und des TP Grids synthetisiert, um so die relevanten Handlungsoptionen aus Sicht der Forschung zu formulieren.
Das Projekt unIT-e² bringt alle in den Mobilitätswandel involvierten Partner zusammen und schafft eine sektorenübergreifende Austausch- und Forschungsplattform an der Schnittstelle von Automobil- und Forschungsplattform.
An der Universität Passau sind der Lehrstuhl für Marketing und Innovation sowie das Institut CENTOURIS am Forschungsvorhaben beteiligt. Die Passauer Forschenden untersuchen die Customer Journey von (potentiellen) Kunden entlang der verschiedenen Kontaktpunkte mit dem System, um eine erfolgreiche und ganzheitlich optimierte Integration von Elektrofahrzeugen in das Energiesystem zu unterstützen sowie Kommunikationskonzepte für die Vermarktung von Elektrofahrzeugen zu entwickeln und zu evaluieren. Das Projektteam ist sowohl im Teilprojekt Forschung, als auch in den Clustern Harmon-E sowie sun-E mit Nutzerforschung zur Customer Journey beteiligt.
Im Teilprojekt Forschung wird eine Literaturanalyse zur Aufarbeitung des State-of-the-Art zum Thema Customer Journey stattfinden. Auf dieser Grundlage soll sowohl die eigene Clusterarbeit vorbereitet, als auch eine Handreichung als Leitfaden für alle Cluster erstellt werden. Dies bietet allen Partnern die Möglichkeit, sich tiefergehend mit dem Thema Customer Journey auseinanderzusetzen.
„Im Cluster Harmon-E werden während der Projektlaufzeit – parallel zu den Hard- und Softwareentwicklungen – mithilfe unterschiedlicher Methoden relevante Kontaktpunkte entlang der Customer Journey identifizieren sowie Gestaltungs- und Kommunikationskonzepte erstellen“, berichtet Prof. Dr. Jan H. Schumann, Inhaber des Lehrstuhls für Marketing und Innovation sowie Leiter des Passauer Teilprojektteams. „Die gewonnenen Erkenntnisse werden dann in den weiteren Projektverlauf eingebracht, um die Customer Journey zu optimieren und diese im Rahmen der Feldphase zu evaluieren. Unser Ziel ist es, dass sich Nutzerinnen und Nutzern leichter mit dem komplexen System aus Elektroauto, Ladetechnologie und Energiemanagement der eigenen vier Wände vertraut machen können. Sie sollen dadurch schneller und besser informiert entscheiden können, welche Lösung am besten zu ihren Bedürfnissen und ihrer Situation passt.“
Im Cluster sun-E befasst sich das Passauer Projektteam mit der Ausgestaltung von attraktiven Angebots- und Anreizsystemen sowie dem regulatorischen Rahmen intelligenter Ladekonzepte. „Mit Hilfe von intelligenten Ladekonzepten können Elektrofahrzeuge zukünftig nicht nur beladen, sondern auch entladen werden – und damit für Energieversorgungsaufgaben herangezogen werden. Dies erfordert aber ein Mitwirken der Nutzerinnen und Nutzer, indem sie Ladekapazitäten ihrer Elektrofahrzeuge freigeben“, so Dr. Stefan Mang, Geschäftsführer von CENTOURIS. „Um eine hohe Nutzerakzeptanz zu erreichen und entsprechende Anreizmodelle zu finden, werden im Projekt Nutzerbefragungen und experimentelle Feldstudien durchgeführt. Daraus werden wir Handlungsempfehlungen zur nutzerfreundlichen Ausgestaltung von Geschäftsmodellen unter Berücksichtigung interindividueller Kundenunterschiede ableiten.“
Zusätzlich soll ein Online-Prüftool zur Netzintegration entwickelt werden, welches Kundinnen und Kunden vor dem Kauf hinsichtlich der Systemkomponenten berät. Dabei soll geprüft werden, ob kundenseitig alle notwendigen Voraussetzungen gegeben sind, und sichergestellt werden, dass alle Systemkomponenten optimal aufeinander abgestimmt sind.
Für ihre Arbeit an unIT-e² können beide Projektteams der Universität Passau auf umfangreiche Erfahrungen in der Nutzerforschung im Bereich Elektromobilität aufbauen, die sie unter anderem im Bereich Customer Journey Analyse sowie im Rahmen bereits durchgeführter Förderprojekte gewonnen haben. Ebenso werden die bereits entwickelten Lösungen aus dem 2019 gestarteten Verbund-Forschungsprojekt „Bidirektionales Lademanagement (BDL)“ durch die Forschungsarbeiten des Passauer Projektteams erweitert. Das Fördervolumen für die Universität Passau in unIT-e² beträgt insgesamt rund eine Million Euro.
Stefan Daller | 10. Februar 2022
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