Über mich und den Weg zum Praktikum
Hallo zusammen! Ich heiße Clara Balbach und durfte von September bis Dezember letzten Jahres ein Auslandspraktikum im Land von Astrid Lindgren, der Zimtschnecken und ABBA absolvieren: Schweden! In meinem Lehramtsstudium für Realschulen mit den Fächern Kunst und Deutsch habe ich viel von den fortschrittlichen Bildungskonzepten der skandinavischen Länder gehört. Besonders in Fragen der Inklusion und Individualisierung wollte ich meinen bildungspraktischen Horizont erweitern und die vielversprechenden sozialen Strukturen der schwedischen ‚Schule für alle‘ selbst erleben. Umso mehr habe ich mich über die Zusage meiner Praktikumsvermittlung, dem Goethe-Institut, und die Unterstützung durch Erasmus+ gefreut.
Darüber hinaus war ich sehr gespannt auf den Perspektivwechsel: Das Leben in einem anderen Land und die deutsche Sprache als Fremdsprache kennenzulernen. Nachdem ich über eine Hochschulgruppe der Universität Passau für drei Semester Deutsch als Zweitsprache-Kurse gegeben hatte, war mir klar, dass mir dieser nicht-muttersprachliche Ansatz sehr viel Spaß bereitet. Aufgrund der dankbaren Rückmeldungen fühlt sich dieser Unterricht sehr wertvoll an. Auch in meinem Praktikum wurde ich darin weiter bestätigt.
Zu Aufenthalt und Tätigkeiten
Gotland ist die größte Ostseeinsel und zudem der Drehort der Pippi-Langstrumpf-Filme! In der kleinen Stadt Visby mit ihren mittelalterlichen Gassen, Mauern und Ruinen habe ich mich sehr schnell zuhause gefühlt, genau wie in der Solbergaskola, meiner Praktikumsschule. Die Menschen hier sind sehr offen, lieb, sprechen Englisch und das entschleunigte Inselleben abseits vom Festland ist überall spürbar.
Anders als in Deutschland, umfasst die schwedische Grundskola als Gesamtschule die fünfte bis neunte Jahrgangsstufe. Eine Sonderschule ist dabei integriert. Neben den Lehrkräften arbeiten auch Sozial- und Sonderpädagog*innen an der Schule, die sich um die tiefgreifenderen Bedürfnisse der Schüler*innen bemühen. Das Schulklima ist sehr freundlich und ich nehme sowohl die Lernbereitschaft der Kinder und Jugendlichen als auch die Arbeitszufriedenheit der Lehrenden im Vergleich zu den mir bekannten deutschen Schulen als höher wahr. Schulmaterialien, wie beispielsweise auch ein iPad für jeden, und Mittagessen bekommen die Lernenden von der Schule – kostenlos. Die Eltern dürfen nichts bezahlen, so dass jede*r möglichst gleiche Chancen erhält. Die Solberga ist auch äußerst offen und fortschrittlich was sexuelle Orientierung und Identität sowie kulturelle und sonstige interpersonale Diversitäten angeht.
Ich habe zusammen mit den beiden Deutschlehrerinnen gearbeitet. Beide haben mir viel Vertrauen geschenkt, indem sie mich Verantwortung übernehmen und eigene Ideen umsetzen ließen. Gleichzeitig zeigten sie mir überzeugend, wie Fremdsprachenunterricht funktioniert. Bei allen Fragen und Unsicherheiten bin ich von Ihnen aufgefangen worden. Ich habe abwechselnd in ihren parallellaufenden Stunden hospitiert und dabei Co-Teaching betrieben. Bereiche des Hörverstehens haben besonders häufig zu meinen Aufgaben gehört. Hier habe ich als Muttersprachlerin meist nicht nur eine vermittelnde lehrmediale Rolle, sondern auch eine Stellung als Lernmedium im Klassenzimmer eingenommen. So zum Beispiel, bei meinen Präsentationen zu Themen wie Buntes Berlin oder Weihnachten in Deutschland. Auch im Lehrerzimmer haben mich meine Betreuerinnen in so gut wie alle Arbeitsprozesse, ob Korrektur, Unterrichts- oder Prüfungsplanung, als ebenbürtiges Mitglied eingebunden. Ansonsten habe ich in Projektwochen oder Ausflügen betreuerische Funktionen übernommen.
Was ich mitgenommen habe
Die meisten Schüler*innen haben sich sehr interessiert an der deutschen Kultur und aktuellen Diskursen gezeigt. Besonders die innerdeutsche Teilungsgeschichte schien neu und berührend für sie zu sein. Über diese Begeisterung konnte ich mich sehr freuen und die Lernenden sich im Gegenzug über meine für die schwedische Sprache, Literatur, Gesell- und Landschaft, die ich in den fast vier Monaten lieben gelernt habe. Für mein Studium fühle ich mich vor allem in den Erziehungswissenschaften bereichert. So beispielsweise in Sachen Heterogenität, die ich bisher nur aus dem Hörsaal kannte und der in Solberga so gewinnbringend begegnet bin.
Als Repräsentantin der deutschen Sprache und Kultur habe ich eine ganzheitliche Einladung zum ‚Deutschen‘ schaffen wollen. Die Lernenden sollten durch mich einen greifbareren Zugang zu ihrer gewählten Fremdsprache erhalten und Lust bekommen, Deutschland weiter kennenzulernen und zu bereisen, um im Austausch zu bleiben – genau wie ich die Innovationen der schwedischen (Schul-) Kultur für mich und meine zukünftigen Schüler*innen erfahren wollte. Beides scheint gelungen zu sein. Ich nehme diese tolle Win-win-Situation eines Auslandspraktikums als kulturverbindende Begegnung mit entgrenzendem Mehrwert wahr, die Gemeinschaft und Empathie stiftet, wie wir sie heute zur Bewältigung globaler Probleme mehr denn je brauchen.
Für das Erasmus+ Praktikum-Stipendium und die Beratung und Begleitung durch das ZKK bin ich sehr dankbar und profitiere heute noch von den gewonnenen Erfahrungen.