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Interview mit Prof. Dr. Thomas Riehm und Dr. Bettina Riehm

ZKK: Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach persönliche Sinnorientierung im oft sehr leistungsorientierten Jurastudium?

Prof. Dr. Thomas Riehm und Dr. Bettina Riehm: Nach unserer Erfahrung ist es gerade die persönliche Sinnorientierung, die den Leistungsdruck aus dem Jurastudium nehmen kann, und das gleich doppelt: Wer weiß, wofür er Jura studiert, und ein Ziel verfolgt, über das er inspiriert ist, hat eine intrinsische Motivation für das Studium. Selbst wenn dann auch mal ein Fach dabei ist, das nicht im Fokus des eigenen Interesses steht, weiß man, dass es für das „greater good“ ist, das am Ende des Studiums steht. Hinzu kommt, dass eine klare Vorstellung von einem späteren beruflichen Ziel häufig den Notendruck reduziert: Für die wenigsten Berufe benötigt man absolute Spitzennoten – längst nicht jede will Notarin oder Partnerin in einer Großkanzlei werden. Viele juristische Berufe – auch in der Anwaltschaft – setzen nur ein „irgendwie“ bestandenes Staatsexamen voraus, verlangen daneben aber eventuell noch andere Kenntnisse oder Fähigkeiten, von Fremdsprachen über Soft Skills bis zu bestimmten Branchenkenntnissen. Wer kein Ziel vor Augen hat, kann letztlich immer nur versuchen, „so gut wie möglich“ abzuschneiden, und wird doch nie „gut genug“ sein – weil es keinen Maßstab für das „genug“ gibt. Dadurch entstehen immenser Leistungsdruck und konstante Frustration im Studium. Eine klare Ausrichtung hilft demgegenüber, die Prioritäten im Studium zu setzen und auch mal bewusst auf „vier gewinnt“ zu setzen, dafür aber rechts und links vom Pflichtprogramm in andere Bereiche zu schauen, die für die spätere Tätigkeit relevant sind und einen wirklich interessieren.

ZKK: Im Seminar steht das Konzept des Ikigai im Zentrum. Können Sie kurz erklären, was es damit auf sich hat und warum es für Studierende so wertvoll ist?

Prof. Dr. Thomas Riehm und Dr. Bettina Riehm: „Ikigai“ kommt aus dem Japanischen und bedeutet so viel wie „Wofür es sich zu leben lohnt“. Es ist ein Konzept und eine Methode, für sich selbst eine erfüllende Ausrichtung zu finden – für das ganze Leben, aber eben auch für den Beruf, der bei den meisten einen nicht unwesentlichen Teil des Lebens bilden wird. Mit gezielten Fragen werden Räume für die eigene Phantasie geöffnet, in denen sich bisher ungeahnte Möglichkeiten verbergen. Aus den ganz persönlichen Antworten auf die verschiedenen Leitfragen kann so eine Schnittmenge gefunden werden, in der sich ein persönlich erfülltes und ein erfolgreiches Leben nicht ausschließen, sondern in einer Synthese verbinden.

ZKK: Wie helfen die Methoden, die Sie im Seminar einsetzen, den Teilnehmenden dabei, sich selbst besser zu verstehen und neue Perspektiven zu entwickeln?

Prof. Dr. Thomas Riehm und Dr. Bettina Riehm: Die Erkenntnisse, die in diesem Seminar gewonnen werden können, werden nicht von vorne vorgegeben, sondern mithilfe von Fragen, die jeder Teilnehmende sich selbst beantwortet, generiert. So ist der persönliche Erkenntniszuwachs besonders hoch.

ZKK: Was unterscheidet dieses Seminar von klassischen „Karriere“-Workshops?

Prof. Dr. Thomas Riehm und Dr. Bettina Riehm: Wir arbeiten mit den Teilnehmenden auf einer sehr persönlichen Ebene durch ungewöhnliche Fragen und Denkanstöße, die jeder und jede auf sich selbst anwenden kann. Dabei ist uns wichtig, dass niemand gezwungen wird, sich in der Gruppe mitzuteilen, und doch für sich selbst ganz persönliche Antworten mitnehmen und die eigene Inspiration finden kann. Dennoch besteht auch der Raum für sehr persönliche Fragen, die die reine Inhaltsebene verlassen. Denn wir sind davon überzeugt, dass unsere Teilnehmenden alle in der Lage wären, sich die inhaltlichen Informationen über juristische Berufsbilder etc. zu verschaffen. Die Ebene, auf der wir arbeiten, betrifft eher das Mindset, mit dem man sich bestimmte Perspektiven durch – meist unbewusste – Glaubenssätze verschließt. Hier setzen wir an, um neue Möglichkeitsräume im Kopf zu schaffen.

ZKK: Warum ist es gerade für Jurastudierende wichtig, sich frühzeitig mit persönlichen Zielen und Werten auseinanderzusetzen?

Prof. Dr. Thomas Riehm und Dr. Bettina Riehm: Für viele Jurastudierende ist die Fächerwahl zunächst eine Verlegenheitslösung. Man startet in das Studium, ohne genau zu wissen, wofür man es eigentlich macht. Oft ist sogar gerade die große Zahl an beruflichen Möglichkeiten ein wesentlicher Grund für die Wahl – man legt sich eben noch auf nichts fest. Nach einigen Semestern wird das Studium aber zunehmend herausfordernder, und man fragt sich, warum man sich das ganze eigentlich antut. Die fehlende Ausrichtung bei Studienbeginn wird dann zum Hemmschuh der Lernmotivation. Das schlägt sich meistens gleichermaßen in den Noten und in der Stimmung (oder gar der psychischen Gesundheit) nieder. Eine bewusste Ausrichtung auf ein Ziel, über das man inspiriert ist, kann dann neuen Schwung in das Studium und auch neue Ergebnisse bringen.

ZKK: Für wen eignet sich das Seminar besonders – und muss man schon eine klare Vorstellung von der eigenen Zukunft mitbringen, um davon zu profitieren?

Prof. Dr. Thomas Riehm und Dr. Bettina Riehm: Wer schon eine klare Vorstellung von der eigenen Zukunft hat, kann sie in unserem Seminar schärfen und konkrete Ziele aus ihr ableiten. Ganz besonders wendet sich das Seminar aber an diejenigen, die noch keine klare Vorstellung haben und gerade auf der Suche nach dem Sinn im Studium sind.

ZKK: Was möchten Sie Studierenden sagen, die gerade das Gefühl haben, im Jurastudium festzustecken oder den Sinn aus den Augen zu verlieren?

Prof. Dr. Thomas Riehm und Dr. Bettina Riehm: Manchmal fühlt sich das Jurastudium wie ein endloser Berg an und es ist schwer, nicht den Atem angesichts der vielen Anforderungen zu verlieren. Ein Jurastudium ist niemals an sich sinnvoll – aber jede/r Einzelne kann ihm seinen ganz persönlichen Sinn geben. Wenn dies gelingt (und unser Seminar ist ein Ansatzpunkt dafür), dann fühlen sich das Studium und das Leben wesentlich beschwingter an – ganz jenseits von Zertifikaten und Noten.

ZKK: Vielen Dank!

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