ZKK: Bitte stellen Sie sich kurz vor. Wer sind Sie und was machen Sie?
Gesine Hirtler-Rieger: Ich bin Germanistin M.A., freie Journalistin und Lehrtrainerin für Biografiearbeit. Seit 13 Jahren biete ich Kurse im kreativen und biografischen Schreiben an, sowohl an der Uni Passau wie auch an Bildungshäusern.
ZKK: Welche Rolle spielt kreatives Schreiben in Ihrem eigenen Alltag – ist es für Sie eher Ausdruck, Reflexion oder etwas ganz anderes?
Gesine Hirtler-Rieger: Ich nutze das Schreiben vielfältig. Ich drücke gerne meine kreative Seite im Schreiben aus, so wie andere musizieren oder malen. Der Vorteil beim Schreiben: Ich habe es wie wir alle als Kind gelernt. Ich muss mir kein Instrument aneignen oder den Umgang mit Pinsel und Farbe. Ich schreibe, was in dem Moment aus mir herauswill. Manchmal ist es eine fantastische Geschichte. Manchmal ist es eine Erinnerung, die mich zurück in meine Jugend führt und die ich als Episode autofiktional schreibe. Wenn Entscheidungen anstehen, kann ich am besten schreibend reflektieren. Ich nenne das schreibDenken.
ZKK: Viele Menschen haben Hemmungen, einfach draufloszuschreiben. Wie kann kreatives Schreiben dabei helfen, diese Blockaden zu überwinden?
Gesine Hirtler-Rieger: Die Angst vor dem leeren Blatt kann man überwinden, indem man sich erst einmal „freischreibt“. Dazu gibt es eine schöne Übung, die 6-Felder-Methode. Ich male ein Raster aus 6 Feldern auf, immer zwei nebeneinander. Dann schreibe ich sechs Begriffe hinein, Adjektive und Nomen, die mir spontan in den Sinn kommen. Nun schreibe ich, was ich mit den Begriffen verbinde, ich „entleere“ mein Hirn von Ballast. Erst danach geht es richtig los. Auch dann gilt: Nicht lange am Anfang herumdenken. Die ersten zehn Sätze dienen meist dem „Warmlabern“ und werden oft wieder gestrichen.
ZKK: Sie beschreiben kreatives Schreiben als eine „Kraftquelle“. Was kann diese bewirken?
Gesine Hirtler-Rieger: Wenn ich über Erinnerungen schreibe, in denen ich Freude und Verbundenheit oder auch Beschämung oder Angst verspürte, dann stifte ich beim Schreiben aus meiner erwachsenen Perspektive einen neuen Sinn. Und ich stelle dann fest: Aha, so war das damals für mich. Mit meinem Wissen heute sehe ich die Dinge aber in einem anderen Licht. So erlange ich die Deutungshoheit über mein Leben zurück. Biografisches Schreiben hilft mir, das zu sortieren. Beim fantasievollen kreativen Schreiben wiederum versetze ich mich selbst in einen Flow und entwickle schöpferische Kräfte. Ich erlebe mich als selbstwirksam.
ZKK: Ihr Seminar „Kreatives Schreiben: Inspiration und Handwerk“ vermittelt sowohl kreative als auch handwerkliche Aspekte des Schreibens. Was können Studierende aus diesem Kurs für sich mitnehmen?
Gesine Hirtler-Rieger: Ich denke, die Hälfte meiner Teilnehmenden trauen sich das Schreiben nicht zu. Aber sie kommen, weil sie mutig und neugierig sind. Im geschützten Rahmen des Seminars probieren sie sich aus. Und am Ende melden die allermeisten zurück: Ich kann ja wirklich schreiben! Dieses neue Selbstbewusstsein ist ein ganz wesentlicher Ertrag.
ZKK: Viele Studierende haben vielleicht keine literarische Vorerfahrung. Braucht man Talent zum Schreiben, oder kann es jede*r lernen?
Gesine Hirtler-Rieger: Literarische Vorerfahrung oder ein Talent sind nicht nötig, aber auch nicht hinderlich. Die Teilnehmenden lernen Techniken kennen, um ins Schreiben zu kommen und bekommen unterschiedliche Formen an die Hand. Dann pickt sich jede*r raus, was zu einem passt. Am ersten Tag geht es um poetische Miniaturen, am zweiten Tag um die Bausteine für eine Kurzgeschichte.
ZKK: Vielen Dank! Das Seminar "Kreatives Schreiben: Inspiration und Handwerk" mit Frau Hirtler-Rieger findet im Zuge der Themenwoche am Montag, den 14.04. von 09-16 Uhr statt. Alle Infos zur Veranstaltung und Anmeldung finden Sie hier.