Ausgeflogen: Mein Praktikum in Italien
Caffè, sole und dolce vita - die ersten Assoziationen mit Italien erinnern viele von uns vielleicht eher an Urlaub als an ein Land, in dem man sein Auslandspraktikum absolviert. Als ich jedoch an der Universität anfing Italienisch zu lernen, wollte ich das Land von einer anderen Seite kennen lernen. Nach fünf Monaten Auslandsstudium in Florenz hatte ich noch nicht genug und wollte noch tiefer in die italienische Kultur eintauchen. Als Studentin der Kulturwirtschaft suchte ich mir die deutsch-italienische Kulturorganisation Si-Po in Prato, unweit von Florenz, aus. Die SI-PO (der Name bedeutet “yes, we can” im Prateser Dialekt) ist in einer Reihe von interkulturellen Aktivitäten tätig. Letztendlich arbeitete ich jedoch im Abteilungsbereich Si-Po-Schule und war ganz unverhofft für die politische Bildungsarbeit im Fremdsprachenunterricht (Deutsch) zuständig.
Die Vorbereitung meines zweimonatigen Praktikums gestaltete sich recht unkompliziert – die Wohnungssuche übernahm meine Organisation und nach den ersten zwei Wochen, in denen ich übergangsweise in der WG der anderen deutschen Praktikantinnen wohnte, zog ich zu einer älteren italienischen Dame. Das hat meinen Horizont in vielerlei Hinsicht erweitert, denn es war das Zusammenleben zweier Kulturen und Generationen, das für uns beide unglaublich bereichernd war. Während ich bei Caffè und Cantuccini Telenovelas wie Un posto al sole kennenlernte und mein italienischer Wortschatz stetig wuchs, lernte meine Gastmutter Serena von mir die vegane internationale Küche kennen und die Bedeutung von Medienkompetenz in der heutigen Zeit.
Insgesamt war das Leben und Arbeiten in einer Kleinstadt wie Prato nach fünf Monaten Erasmus-Semester in Florenz und Studienbubble ein viel tieferes Eintauchen in die italienische Kultur: Alles war ein bisschen entspannter, weniger überlaufen und touristisch, günstiger und die Natur und Landschaft der Toskana lag direkt vor der Haustür. Trotzdem gab es unzählige Cafés und Bars und es blieb immer genug Zeit für einen Aperitivo oder ein Gelato am Abend. Neben dem vielen „Ausgehen“ mit Freund:innen, machte ich kleinere Reisen am Wochenende (nach Bologna, Cinque Terre, Verona und Viareggio und natürlich um Freund:innen in Florenz zu besuchen) oder verbrachte Zeit mit meiner Kollegin und Mentorin Arianna und ihrer Familie.
Meine zwei Monate Praktikum gingen viel zu schnell vorbei und ich hätte gerne noch ein ganzes Jahr an der Schule gearbeitet. In insgesamt zehn Deutschklassen der Jahrgangsstufen 8 bis 13 durfte ich gesellschaftspolitische Themen mit dem Erlernen der deutschen Sprache verbinden. Ursprünglich war ich vor allem für Bildungsarbeit im komplexen Themengebiet der Klimakrise angenommen worden, je nach Sprachniveau machte ich dann aber immer unterschiedliche Dinge mit den Schüler:innen: Klimaschutzmaßnahmen, Klimafreundlich Reisen, Vegetarismus, Strukturelle Veränderungen (The 15-Minute City als Beispiel), politische Zusammenhänge von verschiedenen Krisen (in höheren Klassenstufen). Meine Aufgaben- und vor allem Themenbereiche waren dann aber doch viel breiter gestreut: Von politischen Themen wie Rechtsextremismus und Migration, über soziologische Themen und Medienkompetenz bis hin zu Bewegungsangeboten wie Yoga auf Deutsch und mentaler Gesundheit war alles dabei.
Eines meiner Lieblingsprojekte war sicherlich das Musikprojekt, bei dem die Jugendlichen zehn (ausgewählte) deutsche Songs hören sollten, die dann anschließend erarbeitet wurden. Es wurde zusammen gesungen, getanzt, reflektiert (ein großer Favorit war Fair von Nura) und nebenbei viel neuer Wortschatz auf eine spielerische Art und Weise und mit sehr viel Freude gelernt. Darüber hinaus unterstütze ich bei B1 und B2 Vorbereitungskursen und war vor allem für den mündlichen Teil Sprechen zuständig. Da alle meine Themen gesellschaftlich aktuell und nicht im Lehrplan oder Lehrbuch festgeschrieben waren, war die Vorbereitung recht zeit- und arbeitsintensiv, aber auch mit viel Freude verbunden.
Das sehr breit gefächerte Kulturwirtschaftsstudium war hier ein großer Vorteil, da ich nicht nur zu verschiedensten Themen Wissen einbringen konnte, sondern auch auf ein Thema verschiedene Perspektiven und Blickwinkel hatte. Die Fremdsprachenausbildung im Sprachenzentrum und meine Affinität zum Sprachenlernen waren ebenso von Vorteil, da ich Strategien zum Lernen und Lehren einer Sprache weitergeben konnte. Das Gefühl, den Schüler:innen auf verschiedenen Ebenen etwas vermitteln zu können – sei es auf sprachlicher, (lern-)strategischer, politisch-gesellschaftlicher oder persönlicher Ebene – gab mir auf jeden Fall ein Gefühl von Sinnhaftigkeit und Erfüllung. Spätestens als ich in der morgendlichen Schlange um 7:55 am Kopierer stand und eine Klassenarbeit erstellen und korrigieren durfte, fühlte ich mich im Lehreralltag angekommen. Meine lieben Kolleg:innen und all die Kaffeepausen, welche auf den Ruf „Chi vuole un caffè?“ folgten, brachten selbst in lange Besprechungen und Arbeitstage, Leichtigkeit und einen Hauch von Dolce Vita. Auch wenn ich natürlich keinerlei pädagogische Inhalte in meinem Studium hatte, fühlte ich mich über die Wochen hinweg immer selbstbewusster in meiner Rolle als Lehrperson. Zudem fühlte mich in der Lage, auch mit schwierigen oder lauten Klassen gut umzugehen. Das Praktikum hat gezeigt bzw. bestätigt, dass Bildungsarbeit (sowohl mit Kindern als auch mit Erwachsenen) ein Bereich ist, der mich interessiert und für mich eine zukünftige berufliche Perspektive darstellt.
Mein Praktikum wurde nicht bezahlt, aber durch die Unterstützung des Erasmus+ Stipendiums konnte ich fast alle Kosten decken. Ich bin sehr dankbar für die Ermöglichung dieses Praktikums durch das Erasmus+-Programm, die zuverlässige Unterstützung durch das ZKK-Team, das Vertrauen meiner Kolleg:innen in mich und all die besonderen Begegnungen – meine authentische Italien-Erfahrung hätte nicht besser sein können!