„Einerseits ist es leicht, weil es so ist, als würde man selbst schreiben, ohne dabei etwas Neues erschaffen zu müssen. Und andererseits ist es schwer, weil man versucht, so viel wie möglich zu retten“. So beschreibt Àxel Sanjosé die Übersetzungsarbeit von Lyrik. Es sei ein stetiger Kampf gegen den Verlust, denn nie könnten sämtliche Aspekte (Klangähnlichkeit, Mehrdeutigkeit, kultureller Verweis etc.) übertragen werden. Es gehe also immer um das Abwägen: Wie frei darf in der Zielsprache formuliert werden, dass es dem Text guttut? Und wie nah kann und soll ich am Originaltext bzw. der Originalsprache sein?
Lyrische Herausforderungen
Der Lyriker, Sprachwissenschaftler und Werbetexter Sanjosé wird sich im Sommersemester 2023 mit Studierenden auf die Suche nach Antwortmöglichkeiten machen. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass es keine Universallösung für das Handwerk des Übersetzens gibt. Besonders nicht im Bereich der Lyrik. Es gehe dabei eben nicht nur um die Inhalte und Wortbedeutungen, sondern auch um den Rhythmus, der als Metrik selbst für Romanistikstudierende ein schwieriges Thema sei, erzählt Sanjosé. Damit das Seminar möglich gemacht wird, unterstützt der DÜF den Lehrbeauftragten mit einer Förderung. Der DÜF kooperiert dabei mit dem Programm „Neustart Kultur“ der Bundesregierung, welches neue Impulse für die Kulturbranche setzen will, die vor allem während der Coronapandemie gelitten hat.
Ton und Rhythmus
Im Seminar gehe es nicht nur ums Reimen oder Nicht-Reimen, mehrere Bereiche der Literaturwissenschaft sollen betrachtet werden. Beispielsweise eine (Wieder-)Einführung in die – schnell wieder zu erinnernden – Grundsätze der Metrik, des Takts von Gedichten. Als Workshop konzipiert, ist Sanjosé das Seminar eine Herzensangelegenheit. Nicht nur um das Nischenthema der Übersetzung von Lyrik unter Studierende zu bringen, sondern auch um die Möglichkeit zu geben, Sprache zu erfahren. Anhand von einigen zentralen Gedichten der französischen und spanischen Literatur soll vor allem auf Tonalität und Rhythmus eingegangen werden und wie man sie gestalten kann. Auch eine Exkursion oder andere Kunstformen wie Theater, Film oder Musik sollen das vervollständigen, um über den „altbekannten Tellerrand“ schauen zu können.
Ins Katalanische schnuppern
Àxel Sanjosé, der in Barcelona geboren und aufgewachsen ist, jedoch in München studiert hat, möchte während seines Lehrauftrags vor allem Interesse wecken. Für Lyrik, für Übersetzerarbeit und auch für das Katalanische. Als »kleine« Sprache (aber mit immerhin über 10 Mio. Sprecher:innen) sei es nicht nur in der Literatur benachteiligt, sondern auch aufgrund historischer sowie aktueller politischer Verhältnisse und daher nicht so populär wie andere romanische Sprachen. Angst vor dem Katalanischen ist jedoch unbegründet: „Zumindest beim Lesen kommt man als Romanist:in schnell rein“, so Sanjosé.
Passauer Berühmtheit
Am meisten freut sich Sanjosé, der regelmäßig Komparatistik-Seminare an der LMU München gibt, auf die Vermittlung und das Mitbegeistern während des Seminars. Auch den Ortswechsel nach Passau erwartet der Wahl-Münchner mit Spannung. Denn es gibt auch einen emotionalen Bezug zur niederbayerischen Universitätsstadt: Das Grundlagenwerk „Strukturale Textanalyse“ war für Sanjosé eine Offenbarungsschrift während seines Studiums, und er hat es bis heute noch immer zur Hand. Dieses Werk wurde von Michael Titzmann verfasst, der lange Jahre an der Universität Passau den Lehrstuhl für Neuere deutsche Literaturwissenschaft unter besonderer Berücksichtigung der Literaturtheorie innehatte. „Das hat natürlich ein besonderes Flair, an diesem Ort zu lehren“, freut sich Sanjosé.
Der Lehrstuhl für Romanische Literaturen und Kulturen freut sich auf Herrn Àxel Sanjosé und wünscht ein erfolgreiches Sommersemester 2023!