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So vielfältig ist Forschung zu Privatheit und Digitalisierung

Von Datenschutz über Radikalisierung bis hin zu Liebe im deutschen Gegenwartsfilm: Die Beiträge der aktuellen Ausgabe des Magazins des DFG-Graduiertenkollegs 1681/2 an der Universität Passau geben Einblick in die Bandbreite der Forschung zum Thema "Privatheit und Digitalisierung".

| Lesedauer: 3 Min.

Screenshot des Magazins des DFG-Graduiertenkollegs 1681/2 Privatheit und Digitalisierung

Die Beiträge im Einzelnen:

  • Der Medienwissenschaftler Martin Hennig gibt eine medien- und kultursemiotische Einführung in das Forschungsfeld. Er argumentiert dafür, dass digitale Medien und die anknüpfenden sozialen Nutzungen stärker in ihren kulturellen Bedeutungen wahrgenommen werden sollten. So ist das Verhalten in sozialen Netzwerken nur angemessen analysierbar, wenn man diese als Felder autobiografischer Identitätsarbeit fasst. Gleichzeitig bewegen sich digitale Medien in einem Spannungsfeld zwischen Inszenierungen von unbegrenzter Nutzungsfreiheit, programmseitiger Normierung und dem kulturellen Wissen der Anwender. Hennig stellt heraus, dass nur eine Forschungslandschaft, die sich hieran anknüpfend fragt, welche kulturell relevanten Bedeutungen auf welche Weise in digitalen Medien verarbeitet werden, der Multidimensionalität digitaler Untersuchungsgegenstände gerecht wird.

  • Der Jurist Christian Aldenhoff setzt sich mit dem Entwurf der EU-Kommission zur ePrivacy-Verordnung auseinander. Nutzende von Onlinediensten können kaum noch überblicken, wer ihre Daten erhebt und für welche Zwecke diese verarbeitet werden. Aldenhoff untersucht den Kommissionsentwurf mit Blick auf die ökonomische Praxis des Online-Trackings, ab wann nach den Kommisionsvorgaben von einer Unwirksamkeit der Einwilligung in die Verarbeitung von Daten auszugehen ist und was die Konsequenzen für die wirtschaftlichen Akteure wären.

  • Die Juristin Barbara Sandfuchs fasst die Erkenntnisse ihrer Dissertation "Privatheit wider Willen" zusammen. Sie stellt sich darin die Frage, inwiefern der Staat regulierend in umfangreiche Informationspreisgaben im Internet eingreifen sollte, etwa indem die Nutzenden durch Anreizstrukturen zu einem sensibleren Datenumgang angehalten werden.

  • Der Jurist Felix Sobala richtet den Blick auf die Angebotsseite: Er fragt, inwieweit der Staat Marktteilnehmende verpflichten kann, als Teil ihrer regulären Produktpalette auch datenschlichte Produkte anzubieten. Produkte also, die nur absolut funktionsnotwendige Daten erheben.

  • Die Politologin Lea Raabe analysiert Phänomene wie Filter Bubbles und Echokammern, in der Informationen vorselektiert und Weltwahrnehmungen verzerrt werden könnten. Raabe untersucht diskursive Folgen, wie Tendenzen der Homogenisierung von Subkulturen und die damit einhergehende Verfestigung von Haltungen und Einstellungen (im Video spricht Raabe über Teilöffentlichkeiten der Neuen Rechten im Netz) www.cyber- spaces.de/2017/10/23/die-positionen- der-neuen- rechten-treffen- auf-einen- immer- breiteren-konsens/.

  • Diese Teilöffentlichkeiten sind kein neues Phänomen. Der Germanist Steffen Burk untersucht derartige Tendenzen am Beispiel der Literatur um 1900. Hier bildeten sich Kollektive um einzelne Künstler, die sich als elitäre Zirkel inszenierten und strengen Zugangsbeschränkungen unterlagen.

  • Der Medienwissenschaftler Kai Erik Trost fragt, welche Funktion traditionelle Privatheitsmodelle noch haben, wenn Subjektformen mehr und mehr an das Digitale gebunden werden. Trosts qualitativ-empirische Forschung zeigt, dass die freizügigen Veröffentlichungspraktiken in sozialen Netzwerken als autobiographische Identitätsarbeit zu werten sind. Jugendliche errichten etwa beispielsweise auf Instagram einen privaten Kommunikationsraum, in dem sie mittels Bildinszenierungen komplexe Rollen spielen.

  • Die Literatur- und Medienwissenschaftlerin Miriam Piegsa geht dem Zusammenhang der Konzepte "Authentizität" und "Privatheit" nach. Viele Disziplinen gehen davon aus, Privatheit schütze Authentizität; umgekehrt werden Inszenierungen des Privaten als Zeichen für Authentizität gedeutet. Piegsa möchte solche Zuschreibungen als kulturelle Mechanismen fassen.

  • Die Medienwissenschaftlerin Steffi Krause setzt sich mit Darstellungen von Liebe, Familie und Intimität im deutschen Gegenwartsfilm auseinander. Sie legt ihren Schwerpunkt darauf, inwiefern Privatheit in diesem Kontext als normative Instanz wirksam wird, etwa wenn abweichende Liebeskonzeptionen in den privaten Raum verdrängt, damit marginalisiert und bestimmte Familienkonstellationen umgekehrt mit einem Anspruch auf Allgemeingültigkeit versehen werden.

  • Der Germanist Innokentij Kreknin nimmt Fälle zum Ausgangspunkt, in denen das Verhältnis von Kunstfreiheit und Freiheit der Person ausgehandelt wurde – etwa wenn sich eine reale Person als Vorbild einer Romanfigur erkennt. Kreknin argumentiert dafür, dass hybride Existenzen und damit auch etwa anonyme und pseudonyme Daseinsmodi im digitalen Netz ermöglicht werden müssen.

  • Der Zeithistoriker Lukas Edeler fokussiert anhand des staatssozialistischen Kontexts der ehemaligen DDR subjektive Ausgestaltungsspielräume von Privatheit und die Frage, was das Spannungsverhältnis zwischen Überwachung und Privatheit für die dortigen Akteure selbst bedeutet. Edeler versteht Privatheit als Produkt bewusster Inszenierungspraktiken, in deren Rahmen die sozialen Akteure auch wieder Handlungsmacht gegenüber dem omnipräsenten Staatsapparat erlangten.

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