Drei Monate verbringt Prof. Dr. Sandra Leaton Gray, die am University College London Erziehungswissenschaft lehrt, an der Universität Passau. Ihr Forschungsprojekt „Education Futures“, das sie gemeinsam mit Prof. Dr. Jutta Mägdefrau (Lehrstuhl für Erziehungswissenschaft mit Schwerpunkt empirische Lehr-/Lernforschung an der Universität Passau) durchführt, untersucht die Vorstellungen, Erwartungen und Sorgen, die Lehrende und Lernende bzgl. der „Schule der Zukunft“ haben. Wie wird Unterricht in 20 Jahren gestaltet? Welche Rolle spielen neue Technologien und Ansätze? Welche Fähigkeiten werden Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler benötigen?
Mit diesen und weiteren Fragen haben sich Gymnasial- und Realschullehrkräfte, Lehramtsstudierende sowie Schülerinnen und Schüler der 12. Klasse des Gymnasiums Leopoldinum in je einem Szenarioplanungs-Workshop auseinandergesetzt, der im Didaktischen Labor (DiLab) der Universität Passau stattfand. Mit dem DiLab bietet das Zentrum für Lehrkräftebildung und Fachdidaktik (ZLF) ein innovatives und zukunftsgerichtetes Raumkonzept für kollaboratives Lernen, insbesondere unter den Bedingungen der Digitalisierung. Genau die richtige Umgebung also, um die Zukunft des Schulunterrichts gedanklich vorwegzunehmen. Dabei entstanden viele verschiedene Vorstellungen und Visionen.
Einig waren sich sowohl die Arbeitsgruppen der Lehrkräfte als auch die der Studierenden, dass Schlüsselkompetenzen künftig noch mehr an Bedeutung gewinnen werden – z. B. kritisches Denken, Teamfähigkeit, Kommunikation, Problemlösung sowie der Umgang mit Künstlicher Intelligenz (KI) und anderen digitalen Technologien. Denn Faktenwissen lässt sich leicht von einer KI bereitstellen. Wichtiger als das Lernergebnis also seien die Strategien, die Schülerinnen und Schüler beim Lernen anwenden. Diese Kompetenzen zu vermitteln, werde eine Kernaufgabe der Schule von morgen sein. Szenarioplanung als Arbeitsmethode beinhaltet neben der Aufnahme utopischer (also positiver) oder dystopischer (negativer) Aspekte auch, sich mit zufällig zugelosten Krisensituationen auseinanderzusetzen und diese bei der Erarbeitung der Zukunftsvorstellungen einzubeziehen. So befassten sich die Schülerinnen und Schüler in ihrem Workshop mit Krisenszenarien, die tiefgreifende Folgen auch für Schulen haben: z.B. eine weitere Pandemie, flächendeckende Stromausfälle oder Klimawandelfolgen. Es zeigte sich Besorgnis, wie sich politische, technologische und wirtschaftliche Herausforderungen künftig auswirken werden, aber auch die Erkenntnis, wie wichtig es ist, die Zukunft mitzugestalten.
„Szenarioplanung als Arbeitsmethode könnte in den Schulen eine zunehmende Rolle spielen“, sagt Prof. Dr. Jutta Mägdefrau. „Denn die Fähigkeit Heranwachsender, mit unsicheren Zukünften handelnd umzugehen und sich in politische Prozesse einzubringen, ist ein zentrales Bildungsziel.“ Die Visionen der Lehrkräfte, Studierenden sowie Schülerinnen und Schüler – die Zukunftsszenarien, die in den drei Workshops entstanden sind – werden als Grundlage für die weitere Forschung im Rahmen des Projekts „Education Futures“ verwendet. Dazu erklärt Prof. Dr. Sandra Leaton Gray: „Die Zukunft der Bildung besteht nicht nur darin, sich an technologische Fortschritte anzupassen, sondern auch darin, Resilienz, Kreativität und kritisches Engagement bei Lernenden zu fördern. Unsere Aufgabe ist es, junge Menschen darauf vorzubereiten, in einer Welt erfolgreich zu sein, die wir kaum vorhersagen können."