Unter der kundigen Moderation durch Rechtsanwältin und Alumna Tanja Selmayr sowie Berater und Publizist Prof. Sigmund Gottlieb nahmen der deutsche Botschafter in Australien Dr. Markus Ederer, Spiegel-Redakteur und Autor Jonas Schaible, der Sicherheitsexperte und Leiter des ZDF-Studios Nord- und Mittelamerika Elmar Theveßen, sowie die beiden Passauer Professoren Dr. Florian Töpfl und Dr. Lars Rensmann die unbequemen Fragen in den Fokus: Wie viele Andersdenkende kann eine Demokratie aushalten? Wie kann der Zusammenhalt gestärkt werden? Wie können sich Demokratien gegen Bedrohungen wehren, die nicht nur von außen, sondern in zunehmender Weise auch von innen kommen? Und wo verläuft die Grenze zwischen normalem Lobbyismus und gezielter Desinformation? Den Abschluss des Programms bildete am Abend die Dinnerspeech des Leiters der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich und ehemaligen Generalsekretärs der Europäischen Kommission Prof. Dr. Martin Selmayr zur „Lage der Demokratie in Europa“.
Zudem bereitete das Symposion auch einer neuen Partnerschaft des Vereins mit den Festspielen Europäische Wochen buchstäblich die Bühne: Die ukrainische Ausnahme-Violinistin Eva Rabchevska setzte mit ihren virtuosen Interpretationen ein tief bewegendes Statement für die verbindende Kraft der Musik, aber auch für die Unmittelbarkeit, mit der Demokratien wie ihre Heimat der Bedrohung ausgesetzt sind.
Die titelgebende Frage „Demokratie in Gefahr?“ beantworteten alle Vortragenden mit einem klaren Ja. Als ehemaliger EU-Botschafter in Russland und China fand Ederer in seinem Beitrag deutliche Worte für die besondere Bedrohung, die gerade von diesen beiden Großmächten ausgeht und noch ausgehen könnte. Die größte systemische Bedrohung für die Demokratien dieser Welt sieht er jedoch – ebenso wie Schaible – an ganz anderer Stelle: Im Klimawandel und den Knappheiten, Abhängigkeiten oder auch Migrationsbewegungen, die dieser weltweit zur Folge hat. „Wir stehen auf des Messers Schneide“, warnte Schaible, der fundiert und anschaulich vermittelte, wie die sich beschleunigende Dynamik klimatischer Krisen und Schocks destabilisierend nicht nur auf Ökosysteme und Infrastrukturen, sondern auch auf soziale Systeme auswirken kann.
Wie sehr selbst die USA als einstige demokratische Ikone um die Bewahrung ihrer Stabilität ringen, machte Theveßen deutlich, der aus Washington D.C. zugeschaltet wurde. Er beleuchtete im Dialog mit Gottlieb die nicht zu unterschätzende innere Bedrohung, die durch Fake News und Desinformation entstehen und Demokratien nachhaltig schwächen könne. „Wir stehen noch am Anfang der Entwicklung von Strategien zur Abwendung dieser Gefahren“, so der ZDF-Experte.
Ein beunruhigendes Fazit, das auch die beiden Passauer Wissenschaftler teilten: Der aus Oxford zugeschaltet Politologe Rensmann präsentierte den Stand der empirischen Forschung im Hinblick auf Autokratisierungs-Tendenzen weltweit, die sich teilweise „gefährlich schleichend“ vollzögen, begleitet und befeuert durch einen zunehmenden Vertrauensverlust der Bevölkerung. Kommunikationsforscher Töpfl, der auf Osteuropa und die Postsowjetische Region spezialisiert ist, stellte Erkenntnisse zu Russlands ressourcenschwerem und manipulativem Einfluss auf alternative Medien in Deutschland vor – und dessen Auswirkungen darauf, was verschiedene Medienpublika als „wahr“ wahrnehmen.
Zum Grundgedanken des Gesprächskreises gehört auch die Einbindung von Studierenden in die Kooperation zwischen Absolvia, Wissenschaft und Wirtschaft. Vor allem Unternehmen profitieren vom Wissenstransfer und vom Kontakt zu motivierten und hoch qualifizierten Studentinnen und Studenten. Für eine tröstliche Note sorgten bei diesem Symposion die Teilnehmenden des Studienprojekts „Demokratische Innovation im internationalen Vergleich“, die am Beispiel von Bürger:innenräten aufzeigten, wie neue Modelle und Beteiligungsformen auch für die Zukunft und Erneuerung der Demokratie in Deutschland von Bedeutung sein könnten.
Dass neben allem Gefahrenbewusstsein weiterhin auch starke Gründe zur Zuversicht bestehen, fasste Martin Selmayr in seiner Dinnerspeech eindringlich zusammen: Als „hybrides Modell“ des Verbunds von Bürgerinnen und Bürgern einerseits und Staaten andererseits sei die Demokratie in Europa alles andere als unkompliziert. Doch habe gerade die aktuelle, von Pandemie und Krieg geprägte Krisenzeit gezeigt, dass der Prozess des Entscheidens in der EU und damit ihre Handlungsfähigkeit verlässlich funktioniere. „Eine Demokratie wird nicht dauerhaft bestehen, wenn sie nicht wehrhaft ist und verteidigt wird“, betonte Selmayr. Mindestens ebenso wichtig: Das „Bekenntnis zum demokratischen Streit“ um die besten Lösungen und die Fähigkeit, Kompromisse zu schließen. „Das ist manchmal mühsam, aber genießen wir diese Mühsamkeit! Arbeiten wir an ihr, arbeiten wir an der Demokratie, die uns alle braucht!“
In den Pausen und beim Abendessen gab es ausreichend Möglichkeit, das Thema weiter zu vertiefen und sich auszutauschen. Beim Aperitif steuerte Dr. Arno Lippert, Geschäftsführer der Schlumberger GmbH interessantes Hintergrundwissen zum gleichnamigen Sekt bei.
Außerdem bekam Tim Mergelsberg die Möglichkeit, sein Start-up im Rahmen des Symposions kurz vorzustellen. Er gründete die nevi GmbH, die Griffe, Oberflächenmaterial oder Fußböden aus Birkenrinde herstellt. Dafür erhielt er im letzten Jahr den Entrepreneurship Award für das beste Start-up aus der Universität Passau. Der Award wurde vom Neuburger Gesprächskreis finanziert.
Beim Festakt am Abend berichtete der erste Vorsitzende des Neuburger Gesprächskreises Dr. Fritz Audebert von der Gründung und der bisherigen Entwicklung des Vereins. Professor Gottlieb trug eine ergreifende Rede vom Gründungsmitglied Dr. Hubert Wagner vor, der leider nicht selbst am Symposion teilnehmen konnte. Ziel des Neuburger Gesprächskrieses war es von Beginn an Wissenschaft und Praxis zusammen zu bringen. Dies ist am 5. Mai wieder in hervorragender Weise gelungen.