Migration gehört in Westafrika zur alltäglichen Normalität. Viele Menschen organisieren ihre Existenzsicherung in sozialen Netzwerken, die über große Distanzen und oft über Landesgrenzen hinweg reichen. Diese Verflechtungen prägen das Leben in den ländlichen Regionen und Städten Westafrikas ganz maßgeblich – mit tiefgreifenden sozialen, ökonomischen und ökologischen Wirkungen. Deren Zusammenhänge systematisch zu analysieren hat sich das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Verbundprojekt „Migration und Translokalität in Westafrika“ (MiTra-Wa) zum Ziel gesetzt.
Im Rahmen der Ringvorlesung gaben Dr. Stefanie Wehner und Dr. Christian Ungruhe, wissenschaftliche Mitarbeitende am Lehrstuhl für Anthropogeographie, am 22. November Einblicke in ihre Forschungsarbeit und sprachen über den Zusammenhang von Migration und Klimawandel: „Entgegen der weit verbreiteten Ansicht führt der Klimawandel in Westafrika in der Regel nicht zur massenhaften Abwanderung von Menschen aus betroffenen Gebieten. Vielmehr greifen beispielsweise Kleinbauern und ihre Familien auf die lang etablierten Systeme translokaler Existenzsicherung zurück. Die Migration von wenigen Haushaltsmitgliedern, die den Haushalt mit Geldüberweisungen unterstützen, ermöglicht so das Bleiben vieler. Dennoch sind die Folgen des Klimawandels wie zunehmende Dürren oder Starkregen spürbar und bringen das System Grenzen. Insbesondere dann, wenn sie wie in Ghana aktuell mit anderen Krisen, wie einer wirtschaftlichen Rezession und hohen Inflation einhergehen.“
Im Eröffnungsvortrag zur Ringvorlesung widmete sich Prof. Dr. Anna-Lisa Müller, Lehrstuhl für Anthropogeographie, eine Woche zuvor dem Thema „Migration und Nachhaltigkeit“. Deutschland ist eine Migrationsgesellschaft: Der Anteil von Migrantinnen und Migranten an der Gesamtbevölkerung liegt derzeit bei 25 % und wird in den nächsten Jahren stark zunehmen. Mit ihren Lebenswirklichkeiten prägen sie nicht nur sichtbar unsere Gesellschaft, sondern verändern über die Kontakte in ihre Heimatländer auch die dortigen Gesellschaften. „Somit verändert sich die Erfahrung aller in dieser Gesellschaft lebenden Menschen. Sie greifen auf einen anderen Erfahrungsschatz zurück, habe andere biographische Prägungen, und ihre Identitäten sind potentiell von anderen Einflüssen als dem des Aufenthaltslandes und aktuellen Lebensmittelpunktes geprägt.“
Die Veranstaltungen finden mittwochs von 18 bis 20 Uhr im Philosophicum (Innstr. 25) im HS 3 statt. Eine Anmeldung ist nicht notwendig. Der nächste Vortrag am 06. Dezember 2023 beschäftigt sich mit dem Thema „Critical Perspectives on Energy Justice Scholarship“. Zu Gast ist der Wissenschaftler Dr. Festus Boamah vom Lehrstuhl für Sozial- und Bevölkerungsgeographie der Universität Bayreuth.
Die Ringvorlesung „Nachhaltigkeit“ findet in diesem Jahr bereits zum zehnten Mal statt. Im Wintersemester 2013/2014 haben der AStA und Dr. Stefanie Wehner die Veranstaltung ins Leben gerufen. Seitdem findet sie jährlich mit unterschiedlichen Kooperationspartnern statt. „Es ist spannend zu sehen, wie sich der Diskurs um Nachhaltigkeitsthemen in den vergangenen zehn Jahren entwickelt hat. Wir freuen uns, dass auch der diesjährige Fokus auf Migration und Entwicklung wieder auf breites Interesse stößt“, so Dr. Stefanie Wehner.
Die Ringvorlesung ist eine Kooperation des BMBF-Projekts „Migration und Translokalität in Westafrika“, der Professur für Geographie mit Schwerpunkt Bildung für Nachhaltige Entwicklung und des Nachhaltigkeitshubs der Universität Passau.