1944 in Jena geboren absolvierte Michael Titzmann nach seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik 1957 sein Abitur 1964 in Augsburg und nahm zum Wintersemester 1964/65 ein Magisterstudium der Germanistik und Romanistik an der LMU in München, insbesondere bei Hugo Kuhn (Mediävistik), Walter Müller-Seidel (Neuere Deutsche Literaturwissenschaft) und Alfred Noyer-Weidner (Romanistik) auf, das er nach Aufnahme in die Studienstiftung des Deutschen Volkes im Sommersemester 1968 im Jahr 1970 mit Auszeichnung abgeschlossen hat. Nach der Promotion 1972 mit einer Arbeit zu „Symbol“ und „Realismus“ in der Literatur des deutschen Realismus war er wissenschaftlicher Mitarbeiter und Akademischer Rat a.Z. am Institut für Deutsche Philologie der LMU. Nach der Habilitation 1982 für das Fach Neuere deutsche Literaturgeschichte und der Erweiterung der Denomination 1983 um das Fach Allgemeine Literaturwissenschaft übernahm Michael Titzmann 1985 eine Professur für Neuere Deutsche Literatur unter besonderer Berücksichtigung der Literaturtheorie an der Universität Passau, die er bis zu seiner Emeritierung im März 2009 ausgefüllt hat.
Seine Arbeitsschwerpunkte umfassten das deutsche und lateinische Drama des 16. & 17. Jahrhunderts, die erzählende Literatur und die Denksysteme der Goethezeit im 18., die Literatur des Realismus im 19. und das Drama der Frühen Moderne im frühen 20. Jahrhundert. Mit seinen Arbeiten zur Rekonstruktion epochentypischer Literatursysteme und ihrer Interpretation als Dokumente eines historisch fremden Denkens und Fühlens und seinen Analysen der Bedingungen des literatur- und denkgeschichtlichen Wandels in Kulturen prägte er zahlreiche akademische Wegbegleiter*innen und Schüler*innen.
Als Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Gesellschaft für Semiotik (DGS) e.V. und von 1988 bis 1990 und von 1991 bis 1993 auch als Vorstand und Vorsitzender der DGS organsierte er 1990 erfolgreich den von der DFG geförderten 6. Internationalen Kongress der DGS an der Universität Passau „Zeichen(theorie) in der Praxis“. In zahlreichen Kolloquien und Projekten (u.a. das DFG-Projekt „Der Wandel der Konzeption der Person und ihrer Psyche in der deutschen Erzählliteratur von der Goethezeit zum Realismus“ 1994-1996) wurde er zum ‚spiritus rector‘ der deutschen Literatursemiotik.
Seine Studierenden, wissenschaftlichen Mitarbeitenden und Kolleg*innen und Freund*innen haben von seinem enzyklopädischen Wissen und seinem scharfen Verstand profitiert. Seine Vorlesungen und Vorträge beeindruckten durch ihre klaren und präzisen Analysen, die systematische und stringente Argumentation, und die elaborierte Ausführung. Sie prägten das Denken zahlreicher Generationen Passauer Studierender und seiner akademischen Schüler*innen bis heute.
Zusammen mit dem Dichter Paul Wühr praktizierte Michael Titzmann seit 1989 die Verbindung von Literatur und Literaturwissenschaft in mehreren Kolloquien in Passignano sul Trasimeno. Er gehörte somit auch zu den wissenschaftlichen Mentoren der Paul Wühr-Gesellschaft, die 2007 gegründet wurde.
Die Pandemie riss ihn am 01. Februar 2021 mitten aus einem reichen und erfüllten Forscherleben, das aktuell mehreren Überblicksartikeln gewidmet war, u.a. zur Anthropologie in der Literatur des Realismus, und mit viel beachteten Aufsätzen zur Empirie und zur Epochenkonzeption in der Literaturwissenschaft bis zum Schluss ihrer Theoriebildung und Methodologie gegolten hat.
Die Passauer Literaturwissenschaft und die deutsche Germanistik verlieren mit Michael Titzmann einen herausragenden Wissenschaftler und einen ihrer Wegbereiter in die Gegenwart.