Das Strafrecht Taiwans ähnelt in seiner Dogmatik und Grundkonzeption dem deutschen Strafrecht traditionell in vielen Bereichen, was auf einen langjährigen und intensiv gepflegten Austausch beider Strafrechtssysteme (Rezeption) in Wissenschaft und Praxis zurückzuführen ist. Ziel des 2011 ins Leben gerufenen Forums ist daher die Intensivierung des fachlichen Austauschs zwischen Deutschland und Taiwan auf dem Gebiet des Straf- und Strafverfahrensrechts. Die Veranstaltung wird alle zwei Jahre, jeweils abwechselnd an einer der beteiligten Universitäten in Taiwan bzw. Deutschland organisiert. Das Forum fand in diesem Jahr zum ersten Mal an der Universität Passau statt.
Nach einer vierjährigen Corona-Zwangspause wurden unter dem Oberthema „Das Strafrecht der Zukunft“ über eine Woche lang aktuelle Fragestellungen thematisiert, die Deutschland und Taiwan in den nächsten Jahren intensiv beschäftigen werden (u.a. Umweltvölkerstrafrecht/Ökozid, Deep Fakes, Identitätsdiebstahl, automatisierte und autonome Systeme, Digitalisierung, Best-Practice-Guidelines für Strafgesetzgebung, Unternehmensstrafrecht, Entkriminalisierung).
Von taiwanesischer Seite nahmen als Referenten sechs Professoren der Nationaluniversität Taiwan (NTU) Taipeh, der Cheng-Kung-Nationaluniversität (NCKU) Tainan, der Chung-Hsing-Nationaluniversität Taichung (CHNU) und der Nationaluniversität Kaohsiung (NUK) teil. Ebenfalls zu Gast in Passau waren der Repräsentant Taiwans in Deutschland (Prof. Dr. Jhy-Wey Shieh), der Justizminister Taiwans (Ching-hsiang Tsai), der Generaldirektor der Taipei Vertretung München (Prof. Dr. Ian-Tsing Joseph Dieu), der Generaldirektor des Deutschen Instituts Taipeh (Dr. Jörg Polster), externe Strafrechtswissenschaftler/-innen sowie Nachwuchswissenschaftler/-innen der am Forum beteiligten Universitäten.
Der Zustand des Strafrechts ist stets ein aussagekräftiger Indikator für den Modernisierungsgrad einer Gesellschaft. Zukunftsfähiges Recht setzt eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen dem Gesetzgeber, der Wissenschaft und der Justizpraxis voraus. Dabei muss bei allen Beteiligten ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, welche Reformen politisch in Planung sind, an welcher Stelle Nachbesserungsbedarf besteht und wo sich neue Herausforderungen ergeben können. Das Forum schafft daher auch in Zukunft eine Plattform für den praktischen und vertrauensvollen Austausch erfahrungsbasierten Expertenwissens zur Bewältigung drängender Fragen des Strafrechts. Finanziell gefördert wurde das diesjährige Forum durch die Fritz-Thyssen-Stiftung, die Taipeh Vertretung in der Bundesrepublik Deutschland und den Verein der Freunde und Förderer der Universität Passau e.V.