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Schulbuchforschung als Beitrag zur Völkerverständigung

Eine Woche lang befassten sich eine Forschungsgruppe der Zhejiang International Studies University Hangzhou, China, sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Passau mit der Frage, welches Bild Chinas in deutschen Schulbüchern vermittelt wird. Die Veranstaltung bildet den Auftakt für ein gemeinsames interdisziplinäres Forschungsprojekt.

| Lesedauer: 3 Min.

Gruppenfoto der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Veranstaltung

v.l. Prof. Dr. Xian Peixin, Prof. Dr. Susanne Popp, Prof. Dr. Andreas Michler, Prof. Dr. Matthias Brandl, Prof. Dr. Wu Weidong, Präsidentin Prof. Dr. Carola Jungwirth, Prof. Dr. Jutta Mägdefrau, Prof. Dr. He Weiqiang, Dr. Hans-Stefan Fuchs, Cheng Jing und Patrick Urlbauer. Foto: Universität Passau/Stelzer

„Schulbücher haben den Ruf, unverbrüchliche Wahrheiten zu enthalten, die man lernen muss. Daher sind sie ein Spiegel dessen, welche Vorstellungen ein Land über ein anderes hat“, sagte Gastreferentin Prof. Dr. Susanne Popp von der Universität Augsburg zum Auftakt des Symposiums. Zusammen mit ihren vier chinesischen Kolleginnen und Kollegen vom Zentrum für Deutschlandstudien in Hangzhou beginnen Prof. Dr. Jutta Mägdefrau und Prof. Dr. Andreas Michler ein Forschungsprojekt, das aufklären will, welches Nationenbild Chinas in deutschen Schulbüchern entworfen und an Schülerinnen und Schüler in Deutschland vermittelt wird.

Welche Nationenbilder haben wir in uns?

Das Besondere an dem Projekt ist, dass die Forschungsgruppe an identischen Schulbuchtexten mit derselben Methode arbeiten will, dies jedoch in nach Nationen getrennten Gruppen. „Wenn man bei Textanalysen die gleiche Forschungsfrage mit der gleichen wissenschaftlichen Methode bearbeitet und dabei sehr sorgfältig und kontrolliert vorgeht, muss im Wesentlichen das gleiche Ergebnis rauskommen“, führt Jutta Mägdefrau aus. „Das ist aber möglicherweise nicht so, wenn es um Nationenbilder geht, also unsere aus Erfahrung und Schullernen tief verwurzelten Vorstellungen und Überzeugungen vom fremden Anderen, die uns zudem möglicherweise kaum bewusst sind. Und genau das interessiert uns.“ Die Forschungsgruppe wählt dabei einen interdisziplinären Ansatz, an dem Vertreterinnen der Linguistik, der Fachdidaktiken und der Erziehungswissenschaft gemeinsam arbeiten.

Die intensiven Diskussionen über ausgewählte Beispieltexte während des Symposiums zeigten, wie unterschiedlich die chinesischen Partner und die deutsche Forschungsgruppe einige Passagen der Schulbuchtexte empfanden, wie ähnlich zugleich aber auch viele Einschätzungen ausfielen. Geschichtsdidaktiker Andreas Michler: „Wir haben schon in einem einzigen Beispieltext historische Darstellungen identifiziert, die eindeutig eine einseitige und eher negative Perspektive auf Chinas jahrhundertelange Abschottung gegen die vermeintlichen westlichen Barbaren widerspiegelt. Dies muss den Schulbuchautoren nicht einmal bewusst sein. Das ist das pädagogisch Interessante an solchen Beispielen stereotyper, also vereinfachender einseitiger Fremdbilder.“

An einer repräsentativen Auswahl deutscher Schulbuchtexte für das Gymnasium aus den Fächern Geschichte, Geographie, Politik und Sozialkunde aus Bayern und Nordrhein-Westfalen will die binationale Forschungsgruppe untersuchen, welches Nationenbild Chinas entworfen wird. Gleichzeitig soll untersucht werden, ob die chinesischen Teammitglieder und die deutschen Forscherinnen und Forscher unabhängig voneinander die Texte identisch bewerten. Zentral ist dabei die Frage, ob die Texte einseitige, stereotype, möglicherweise sogar Vorurteile fördernde Elemente enthalten. „Die Texte werden durch computergestützte Analysen ausgewertet. Dadurch lassen sich in mehreren Analyseschritten die im Zusammenhang mit China thematisierten Inhalte, die dabei verwendeten Bilder und auch die im Schulbuch enthaltenen Arbeitsaufträge einbeziehen und die in ihnen transportierten Bewertungen identifizieren“, erläutert Doktorand Patrick Urlbauer, der in einem Workshop in die computergestützte qualitative Inhaltsanalyse einführte.

Präsidentin Prof. Dr. Carola Jungwirth begrüßte die interdisziplinär zusammengesetzte Forschungsgruppe zum Auftakt der Tagung an der Universität Passau und betonte: „Die Universität Passau ist sehr dankbar für ihre engen Beziehungen zur Zhejiang International Studies University in Hangzhou und ihrem Zentrum für Deutschlandstudien. Wir freuen uns über die zukunftsweisenden und Barrieren beseitigenden Themen, über die wir vor allem im Bereich Pädagogik und Didaktik mit chinesischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zusammenarbeiten. Der Kultur- und Wirtschaftsraum China und seine Sprache sind von großem Interesse und von großer strategischer Bedeutung für die Weiterentwicklung der Universität Passau.“

Bereits während der Tagung zeigten sich die vielfältigen Facetten des internationalen Austausches: Eine Schulklasse des Passauer Gisela-Gymnasiums besuchte die Forschungsgruppe an der Universität zusammen mit ihrem Geographielehrer. Die Zehntklässlerinnen, die derzeit China als Thema im Unterricht behandeln, berichteten von ihren unterrichtlichen Chinaerfahrungen und stellten Fragen an die chinesischen Besucherinnen und Besucher. Nachmittags berichtete eine Gruppe von Lehrkräften im Forschungsatelier von ihrem Unterricht zu Chinathemen. Prof. Wu Weidong, Leiterin des Zentrums für Deutschlandstudien in Hangzhou, dankte zum Abschluss allen Schülerinnen und Lehrkräften für ihre Bereitschaft, erste Einblicke in die Wahrnehmungen von China gegeben zu haben, die für sie äußerst wertvoll seien. Die deutsche Forschungsgruppe lud sie für das kommende Frühjahr nach China ein, wo das nächste Symposium stattfinden soll.

Das Symposium wurde finanziell ermöglicht durch das Bayerische Hochschulzentrum für China (BayChina) und das Zentrum für Lehrerbildung und Fachdidaktik der Universität Passau.

Kontakt

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Nicola Jacobi und Barbara Weinert
Tel.: +49 851 509-1434, -1450
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