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Bidirektionales Lademanagement – BDL – Pilotprojekt startet die wichtigste Phase

Am 09. Juli wurden die ersten Fahrzeuge für die Phase „Kundenpilotbetrieb“ in der BMW Welt an ihre Nutzerinnen und Nutzern übergeben. 20 BMW i3* mit der neuen Technologie an Bord befinden sich damit nun in Kundenhand, 30 weitere Fahrzeuge werden in den nächsten Wochen an gewerbliche Nutzer übergeben.

| Lesedauer: 7 Min.

Elektromobilität_Universität_Passau

Im Mai 2019 gestarteten Verbund-Forschungsprojekt „Bidirektionales Lademanagement – BDL“ entwickeln Unternehmen und Institutionen aus den Bereichen Automobilindustrie, Ladeinfrastruktur, Energiewirtschaft und Wissenschaft gemeinsam technologische Lösungen, mit denen Elektromobilität für die Nutzerinnen und Nutzer noch komfortabler, kostengünstiger und emissionsärmer werden kann. Mit dabei: Prof. Dr. Jan Schumann von der Universität Passau (5. v. r.). Foto: BMW AG

Im Mai 2019 gestarteten Verbund-Forschungsprojekt „Bidirektionales Lademanagement – BDL“ entwickeln Unternehmen und Institutionen aus den Bereichen Automobilindustrie, Ladeinfrastruktur, Energiewirtschaft und Wissenschaft gemeinsam technologische Lösungen, mit denen Elektromobilität für die Nutzerinnen und Nutzer noch komfortabler, kostengünstiger und emissionsärmer werden kann. 

Ziel dabei ist es, erstmalig mit einem ganzheitlichen Ansatz Fahrzeuge, Ladeinfrastruktur und Stromnetze so miteinander zu verknüpfen, dass regenerativ erzeugte Energie gefördert und gleichzeitig die Versorgungssicherheit gesteigert wird. Das Forschungsprojekt unter der Trägerschaft des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert und ist auf drei Jahre angelegt. 

Beginn der Erprobung im Alltag

Die Fähigkeit zum bidirektionalen Laden ermöglicht es Elektrofahrzeugen, beim Anschluss an eine dafür ausgelegte Ladestation oder Wallbox nicht nur elektrische Energie für die Hochvoltbatterie aufzunehmen, sondern auch in umgekehrter Richtung in das Stromnetz des Verteilnetzbetreibers zurück zu speisen. 

Die Batterien der Elektrofahrzeuge werden so zu mobilen Energiespeichern, die bei Bedarf auch Strom abgeben können. Eine derartige Integration möglichst vieler Elektrofahrzeuge in das Stromnetz erfordert vielfältige Innovationen in den Bereichen Fahrzeugtechnik, Ladehardware, Lademanagement und Kommunikationsschnittstellen zu den energiewirtschaftlichen Stakeholdern sowie hinsichtlich rechtlicher Rahmenbedingungen. 

Diese entstehen im Rahmen des Forschungsprojekts, an dem neben dem Konsortialführer BMW Group auch die KOSTAL Industrie Elektrik GmbH (Entwicklung Ladehardware), KEO GmbH (Softwarelieferant für Anbindung Kundensysteme an die Energieversorger), der Übertragungsnetzbetreiber TenneT, der Verteilnetzbetreiber Bayernwerk Netz GmbH (beide: Energiesystem-Dienstleistungen), die Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V. und die Forschungsgesellschaft für Energiewirtschaft mbH (beide: FfE, Forschung zu Energiesystem- und Netzrückwirkungen & Messdatenauswertung), das Karlsruher Institut für Technologie (KIT; Forschung zu Strommarkt- und Netzrückwirkungen) sowie die Universität Passau (Nutzerforschung) beteiligt sind. 

Die Pilotkundinnen und -kunden profitieren nun als erste von diesem neuen Technologiepaket. Es besteht im Wesentlichen aus der Technologie im Fahrzeug und Backend (BMW), der intelligenten Wallbox (KOSTAL) sowie der Vernetzung von Elektrofahrzeug, Wallbox und Elektroinstallation des Kundengebäudes mit dem Stromnetz (Bayernwerk, KEO und TenneT). Die erste für die Kundinnen und Kunden erlebbare Funktion wird die Optimierung des Eigenverbrauchs aus der Stromerzeugung der eigenen Photovoltaikanlage sein, damit wird eine spürbare Reduzierung der Stromkosten einhergehen.

In der zweiten Stufe kommen „vehicle to grid“ (V2G) Funktionen hinzu, mit denen sich die Kundinnen und Kunden an neuen Geschäftsmodellen zum Energiehandel und der Stromnetz-Stabilisierung beteiligen werden können.

In einer dritten Stufe kommen Firmen mit Elektrofahrzeugflotten hinzu. Diese werden die Fahrzeuge als Kurzzeitspeicher einsetzen, um auftretende Leistungsbedarfsspitzen im Tages-Lastgang zu vermeiden.

Die technische Herausforderung in der Gestaltung dieses Paketes lag in erster Linie darin, die Interaktion zwischen den einzelnen Komponenten mit bestehenden und künftigen Kommunikationsstandards so aufeinander abzustimmen, dass eine durchgängige Gesamtfunktion hergestellt werden konnte. Die sogenannte Systemintegration mit Test und Absicherung eines derart verzweigten „Multi-Stakeholder Systems“ konnte dank der bei der BMW Group vorhandenen Methoden und Prozesse aus der Fahrzeugentwicklung und des starken Engagements aller Projektpartner erfolgreich durchlaufen werden.

Testphase im B2B-Bereich über Alphabet

Auch erste B2B-Firmenkunden gehören zu den Testnutzern der Pilotphase. Gemeinsam mit der Alphabet Fuhrparkmanagement GmbH, einer hundertprozentigen Tochter der BMW Group, konnten diese für das Projekt gewonnen werden. Alphabet unterstützt Unternehmenskunden bereits seit 2013 bei der Elektrifizierung ihrer Fuhrparks. Mittels der ganzheitlichen eMobility-Lösung AlphaElectric begleitet das Unternehmen Kunden auf Wunsch durch den gesamten Prozess der Elektrifizierung – von der Bedarfsanalyse über die Erstellung der passenden Modellstrategie bis hin zur Implementierung von Ladelösungen sowie einer intelligenten Abrechnungsmöglichkeit. Zudem umfasst das Angebot auch weitergehende Beratungen, beispielsweise zur Erstellung der passenden eCar-Policy oder zum optimalen Lade- und Lastmanagement. Zusätzlich bietet Alphabet das Leasing von Ladelösungen an.

Ausbau der Elektromobilität als Beitrag zur Versorgungssicherheit

Mit dem kontinuierlich wachsenden Bestand an Elektrofahrzeugen auf deutschen Straßen steigt langfristig einerseits der Bedarf an Strom, gleichzeitig wächst die Notwendigkeit, die Energieflüsse intelligent zu steuern. Nur so kann Strom aus erneuerbaren Quellen optimal genutzt werden.

In Phasen besonders hoher Nachfrage nach elektrischer Energie können bidirektional ladefähige Elektrofahrzeuge zusätzlichen Strom ins Netz einspeisen. Das Aufladen ihrer Hochvoltbatterien erfolgt dagegen vornehmlich zu Zeiten, in denen Strom aus erneuerbaren Energiequellen verfügbar ist, bzw. wenn der allgemeine Strombedarf geringer ausfällt. Und die Nutzung der gespeicherten Energie kann wiederum genau dann erfolgen, wenn sie gebraucht wird – zum elektrischen Fahren oder zur Unterstützung der Stromnetze.

Bidirektionales Laden unterstützt die Energiewende

Neben einer gestärkten Versorgungssicherheit kann durch die intelligent gesteuerte Integration von Elektrofahrzeugen in das Stromnetz auch der Anteil regenerativ erzeugter Energie am Gesamtverbrauch in Deutschland weiter erhöht werden. Durch die Nutzung der in den Hochvoltbatterien elektrifizierter Fahrzeuge bereitgestellten Speicherkapazitäten lassen sich Angebot und Nachfrage im Bereich des Ökostroms besser aufeinander abstimmen.

So können die Speicher der Elektrofahrzeuge beispielsweise Erzeugungsspitzen von Windkraft- und Solaranlagen gezielt aufnehmen und in Zeiten mit geringer Erneuerbarer-Energie (EE) -Erzeugung (Nacht, Flauten) den EE-Strom unter Wahrung des Fahrbedarfs der Kundinnen und Kunden wieder abgeben. Damit kann das Hochfahren von fossilen Kraftwerken und deren Emissionen in solchen Zeitfenstern reduziert werden. Auf diese Weise wird Elektromobilität mehr denn je zu einem integralen Bestandteil der Energiewende. Ihr Ausbau vermindert CO2-Emissionen sowohl im Bereich der Mobilität als auch auf dem Gebiet der Stromerzeugung.

Ganzheitlicher Ansatz

Der im BDL Projekt verfolgte ganzheitliche Ansatz ist derzeit einzigartig: Alle relevanten Elemente und Stellhebel für einen späteren regulären Betrieb werden im Projekt holistisch betrachtet und miteinander in Einklang gebracht: Das Zusammenspiel der Ladehardware im Fahrzeug und am Ladepunkt, die dazugehörigen digitalen Services sowie die Rolle der Netze auf allen Ebenen.

Regulatorische Rahmenbedingungen und Smart Meter Gateway als neuer Baustein am Netzanschluss sorgen für sichere Kommunikation zwischen Energieversorger und Elektrofahrzeug. Zusätzlich werden rechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen im Pilotbetrieb evaluiert. Für die Nutzung des bidirektionalen Lademanagements zuhause („vehicle to home“ – V2H) konnten die Projektpartner mit einem ersten Positionspapier bereits aufzeigen: „V2H“ ist bereits im heutigen deutschen Rechtsrahmen möglich. Analysen der netz- und marktorientierten Nutzungsmöglichkeiten im gegenwärtigen Rechtsrahmen befinden sich aktuell in Arbeit.

Bayernwerk und BMW nutzen dafür die international etablierte EEBUS-Norm. Die technische Umsetzung der kommunikativen Anbindung der Kundenhaushalte über das Smart Meter Gateway an den Energieversorgen hat die KEO GmbH umgesetzt. Das BDL-Projekt gibt hier wichtige Impulse für die Digitalisierung der Energiewende und zeigt Möglichkeiten zur praktischen Umsetzung der aktuellen regulatorischen Fragen.

Kundennutzen im Fokus

 Um den monetären und ökologischen Kundennutzen sowie die Benutzerfreundlichkeit der aufgezeigten bidirektionalen Anwendungsfälle zu testen, sind die Universität Passau (Nutzerforschung), die Partner Forschungsstelle für Energiewirtschaft e.V. (FfE) und die Forschungsgesellschaft für Energiewirtschaft mbH (beide: Energiesystemanalyse), sowie das Karlsruher Institut für Technologie (KIT; Forschung zu Strommarkt- und Netzrückwirkungen) beteiligt.

 Eine besondere Komponente bringt die FfE durch das „FfE-Verbundprojekt“ ein

 In diesem sind folgende Stakeholder aus der Energiewirtschaft und Industrie in das Forschungsprojekt eingebunden: Bayernwerk AG, IAV GmbH, illwerke vkw AG, E.ON Group Innovation GmbH, LEW Verteilnetz GmbH, rhenag Rheinische Energie AG, Stadtwerke München GmbH, SOLARWATT GmbH, TransnetBW GmbH, Uniper SE, Viessmann Werke GmbH & Co. KG. Dies ermöglicht einen Erfahrungsaustausch, die Beschleunigung der Standardisierungsarbeiten und das Herausarbeiten von Lösungen die in der Breite akzeptiert sind. Damit wird die Grundlage für einen späteren serienmäßigen und damit flächendeckenden Einsatz der Technologie zur Integration von Elektromobilität in das deutsche Stromnetz geschaffen.

Universität Passau: Nutzerfreundlichkeit im Fokus 

Auch für die Universität Passau beginnt mit Start des Kundenpilotbetrieb ein neuer Projektabschnitt. Seit Juni 2019 wurden parallel zu den technischen Entwicklungen Fahrzeughalterinnen und -halter zu Ihren Präferenzen befragt und verschiedene Komponenten, beispielsweise eine zugehörige Lade-App, auf ihre Gebrauchstauglichkeit getestet. Die Ergebnisse wurden als Empfehlungen zur Angebotsgestaltung an das Projektkonsortium weitergegeben und der Öffentlichkeit zusätzlich in Form von Beiträgen in Fachzeitschriften zugänglich gemacht. 

Ab Juli 2021 wird der Lehrstuhl für Marketing und Innovation und das Institut CENTOURIS die Anwendersicht auf die bidirektionale Ladetechnologie im Kontext der tatsächlichen Nutzung evaluieren. „Die Pilotphase bietet Gelegenheit, die entwickelte Technologie nun durch die Testpersonen umfassend auf Herz und Nieren testen zu lassen, um zu sehen, wo noch Verbesserungsbedarf besteht. Auch und gerade bei der Nutzerfreundlichkeit“, so Prof. Dr. Jan Schumann, Inhaber des Lehrstuhls für Marketing und Innovation. Neben reinen Onlinebefragungen ist auch die Durchführung von qualitativen Tiefeninterviews und Tagebuchstudien geplant. Die fortwährenden Erhebungen über den Pilotbetrieb hinweg ermöglichen dabei, die Nutzerperspektive über den Zeitverlauf sowie in Abhängigkeit verschiedener Anwendungsszenarien zu untersuchen. „Für den Erfolg der geplanten Ladetechnologie ist die Berücksichtigung der Nutzerperspektive essentiell.“, so Dr. Stefan Mang, Geschäftsführer des Instituts CENTOURIS. „Das Team der Nutzerforschung stellt dabei sicher, dass das Feedback der Pilotkundinnen und -Kunden kontinuierlich in den Entwicklungsprozess des Gesamtsystems einfließt.“

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