Individuelle Schreib- und Argumentationskompetenzen spielen eine Hauptrolle für den beruflichen Erfolg. Studierende müssen die für ihre Disziplin gängigen Inhalte strukturiert und präzise auf den Punkt bringen können. In den so genannten „Massenstudiengängen“ Wirtschaft und Rechtswissenschaft verfassen sie im Lauf der universitären Ausbildung jedoch nur selten eigenständig Texte. Stattdessen steht das Erlernen vorgegebenen Wissens sowie von Lösungsskizzen im Vordergrund. Ein weiteres Problem besteht darin, dass durch das aktuelle Betreuungsverhältnis kaum individuelle Rückmeldungen von den Lehrenden an die Studierenden möglich sind.
Mit DEEP WRITE sollen diese Defizite behoben werden. Ziel ist es, dass die KI automatisch durch Studierende verfasste Texte in Bezug auf Inhalt, Vollständigkeit, argumentative Struktur sowie Qualität bewertet. Der Vorteil für die Studierenden besteht darin, dass sie so mehr personalisierte Rückmeldungen zu ihrem aktuellen Lernstand erhalten und dazu motiviert werden, selbst mehr individuelle Texte zu verfassen.
Die Realisierung des Projektes ist wesentlich geprägt durch seine Interdisziplinarität. Die beiden Fachbereiche Wirtschaft (Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff) und Rechtswissenschaft (Prof. Dr. Urs Kramer) tragen jeweils zum Aufbau einer Wissensdatenbank für die Lehrinhalte bei und sollen die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz fachlich unterstützen. Zum Einsatz kommen wird auch das von
Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff und Prof. Dr. Marcus Giamattei entwickelte Hörsaaltool „classEx“. Über dieses soll ein Peer-to-Peer Evaluationssystem für Textmodule aufgebaut werden. Die unter anderem hierdurch generierten Trainingsdaten können dann zur (Weiter-)Entwicklung der KI genutzt werden. „Mit Hilfe von DEEP WRITE werden Studierende der Wirtschaftswissenschaften inSchreibkompetenz geschult. Über den üblichen Fokus auf technisch-mathematisches Know-how hinaus werden sie so zum Beschreiben ökonomischer Sachverhalte und Analysen mit offenen Texten befähigt,“ betont Prof. Johann Graf Lambsdorff.
Die Lehrprofessur für Öffentliches Recht trägt die Fachexpertise und die fachdidaktische Begleitung im Bereich Rechtswissenschaft bei. Des Weiteren kommt ihr zudem die Rolle der Projektleitung zu, und sie koordiniert die Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten. Ebenso garantiert sie die Einhaltung der Vorgaben für Datenschutz sowie Ethik und bearbeitet alle bei der Projektdurchführung aufkommenden Rechtsfragen. Prof. Urs Kramer erklärt: „Ich freue mich auf die interdisziplinäre Kooperation und das gemeinsame Bemühen um eine echte didaktische Innovation, die für unsere Studierenden eine starke Verbesserung bringt.“
Der Lehrstuhl für Data Science (Prof. Dr. Michael Granitzer) und die Nachwuchsforschungsgruppe CAROLL (Dr. Jelena Mitrović) werden das KI-Modell und domänenspezifische Natural Language Processing Modelle sowie fachspezifische Argumentationsgraphen entwickeln und nach Evaluierungen anpassen. Frau Dr. Mitrović erläutert: „Dieses Projekt bietet die Möglichkeit, das Feld der Argumentationsmodellierung und des Argument Mining in eine neue Richtung zu bewegen. Erstens beschäftigen wir uns mit Argumentation in zwei sehr unterschiedlichen Bereichen – Recht und Wirtschaft –, und wir bauen Systeme, die Argumente in deutscher Sprache interpretieren können.“
Die Gestaltung der KI und die spätere Nutzung in der Hochschullehre erfordern eine Vielzahl didaktischer Entscheidungen. Diese werden auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse aus dem Bereich der Lehr-Lernforschung getroffen und maßgeblich aus dem Bereich der Didaktischen Innovationslabore von Dr. Christian Müller (Zentrum für Lehrerbildung und Fachdidaktik, Abteilung Didaktische Innovation) in das Projekt eingebracht. Das ZIM – Zentrum für Informationstechnologie und Medienmanagement (unter Leitung von Thomas Simon) stellt als technischer Partner im Projekt die IT-Infrastruktur zur Verfügung und begleitet den Übergang der entwickelten Systeme in einen Regelbetrieb.
Die Projektergebnisse werden am Ende der Projektlaufzeit der wissenschaftlichen Gemeinschaft mittels Open Access und Open Source zur Verfügung gestellt. So kann die für Rechtswissenschaft und Wirtschaft konzipierte KI an weitere Fachdisziplinen angepasst sowie übertragen werden und so als Gesamtsystem weit über die Grenzen der Universität Passau hinaus zum Einsatz kommen.