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Nachbericht zum Kick-Off-Treffen für ErstakademikerInnen

Ich bin etwas zu spät dran, als ich mich am Dienstag, den 11.06., auf den Weg zur Uni mache. Dort, in der Ludwigstraße 8, soll heute ein Event stattfinden, das es so zumindest in meiner Zeit als Studentin noch nicht gab: Eine Kickoff-Veranstaltung für ErstakademikerInnen, also für jene, die als erste in ihrer Familie ein Studium aufnehmen. Organisiert wurde das Ganze von der Passauer Lokalgruppe von Arbeiterkind.de in Zusammenarbeit mit Dr. Alexandra Schick (Zukunft: Karriere und Kompetenzen), Dr. Petra Redel (Graduiertenzentrum) und Antje Sarodnick (Stabsstelle Diversity und Gleichstellung).

Sie sind es auch, die mich in Empfang nehmen, als ich etwas abgehetzt an meinem Ziel ankomme. „Keine Eile“, beruhigt Petra Redel und bittet mich, schon einmal an Tisch 4 Platz zu nehmen. Gleichzeitig bekomme ich einen Laufzettel, der mich informiert, wann ich mich welcher Gruppe anschließen soll. Das Ziel des Abends ist es nämlich, in die Diskussion über das Thema ErstakademikerInnen an der Uni Passau zu kommen und erste eigene Erfahrungen auszutauschen. Damit das gelingt und möglichst vielseitige Perspektiven aufgezeigt werden können, sollen die Teilnehmenden ihre Sitzplätze immer wieder wechseln.

Zunächst beginnt die Veranstaltung aber mit einer Begrüßung durch Alexandra Schick. Sie zeigt auf, welche Schwierigkeiten Studierende ohne akademisches Elternhaus haben können. Dazu zählen zum Beispiel mangelnde finanzielle Unterstützung, weniger Selbstbewusstsein oder eine allgemeine Unsicherheit im System Universität. Wichtig ist ihr zu betonen, dass das natürlich nicht auf alle ErstakademikerInnen zutrifft und dass jeder und jede seine oder ihre eigenen Erfahrungen macht. Das deckt sich auch mit meinen eigenen Gedanken zu ihrer Einführung, denn ich kann mich nicht mit allen aufgezählten Punkten identifizieren. Manche jedoch stellten – und stellen noch immer – große Hürden in meinem Studium dar. Und eines ist nicht von der Hand zu weisen: Noch immer erwerben viel weniger sogenannte „Arbeiterkinder“ akademische Grade als Kinder, bei denen mindestens ein Elternteil einen Hochschulabschluss vorweisen kann.

Darum geht es dann auch in der folgenden Diskussion. Wir sprechen darüber, welche Herausforderungen und Auswirkungen unser Status als ErstakademikerIn auf Studium und Berufstätigkeit hatte, was wir uns von der Universität als Unterstützung wünschen würden, und wann uns zum ersten Mal bewusst wurde, dass es einen Unterschied zwischen unseren Erfahrungen und denen unserer KommilitonInnen und KollegInnen aus akademischen Elternhäusern gibt.

Ich bin sehr überrascht, dass nicht nur viele StudentInnen, sondern auch MitarbeiterInnen aus der Verwaltung und dem akademischen Mittelbau sowie eine Professorin gekommen sind. Sie alle sind sehr offen, sodass sich schnell herauskristallisiert, dass wir uns gut miteinander identifizieren können, obwohl natürlich auch einige Unterschiede bestehen: Manche haben bereits in der Schule bemerkt, dass sie zur Gruppe der ErstakademikerInnen gehören, manche in der Orientierungswoche, manche erst bei der Planung eines Auslandssemesters oder gar beim Start in den ersten Job an der Uni. Allen gemein war jedoch das Gefühl der Andersartigkeit, die Frage, ob man wirklich dazugehört in diesem „System Wissenschaft.“

Dazu trugen auch die Herausforderungen bei, mit denen viele von uns zu kämpfen haben. Diese sind nicht nur finanzieller Art. Auch die Auswahl des richtigen Studiengangs überforderte einige der TeilnehmerInnen. Und wenn diese Hürde einmal genommen war, musste man sich mit der ungewohnten akademischen Sprache zurechtfinden und für sich selbst herausfinden, wie „Studieren“ eigentlich funktioniert. Als wir auf das Thema Praktika zu sprechen kamen, berichteten viele StudentInnen, dass sie einfach keinen Zugang zu denselben Netzwerken haben wie ihre KommilitonInnen aus akademischen Elternhäusern. Es fiel ihnen deshalb wesentlich schwerer, gute Stellen zu finden, und das, obwohl Praktika mittlerweile fast schon selbstverständlich als notwendige Berufserfahrung angesehen werden.

Auch außerhalb der Uni treten bei den TeilnehmerInnen oft Schwierigkeiten auf. Viele erfahren von zu Hause Druck, das Studium in Regelstudienzeit oder mit Top-Noten zu beenden. Andere machen sich diesen Druck selbst und verbringen mehrere Stunden pro Woche mit ihren Studien- und Prüfungsordnungen, um ja keine Fehler zu machen und am Ende vielleicht dumm dazustehen. Beides endet oft mit psychischer Belastung und Überforderung.

Viele berichten jedoch auch davon, dass sie durch die fehlende Hilfestellung der Familie viel schneller selbstständig geworden sind. Sie haben gelernt, sich durchzuschlagen und den Informationsdschungel Uni-Website zu überblicken. Das sorgt nicht nur für mehr Selbstbewusstsein, sondern auch für einen weiteren Blickwinkel. Mit ihrem Studium blicken ErstakademikerInnen nämlich nicht nur über ihren Tellerrand hinaus, sondern verlassen den „Geschirrschrank“ oft gleich ganz.

Mir persönlich tut der Abend sehr gut. Ich lache viel – auch darüber, dass niemand so wirklich der auf jedem Tisch bereitgestellten Schokolade widerstehen kann – und merke, dass ich nicht allein mit meinen Schwierigkeiten bin. Die abschließende Diskussion im Plenum zeigt auch noch einmal aufs Neue, dass es vielen so geht: Intersektionalität spielt eine Rolle, auch an der Uni.

Was aus dem Treffen wird, ist noch in Planung. Viele können sich ein Buddy-Programm für Erstsemester vorstellen, oder vielleicht eine Gruppe, in der man sich gegenseitig unterstützt und so ein Netzwerk schafft, das „von Haus aus“ nicht gegeben ist. Was aber klar ist: Im Herbst geht es weiter!

Die Information zum Folgetermin kommt rechtzeitig über Stud.IP sowie das Mittwochsupdate.

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