Und wieder wurde es Südamerika. Nach zwei längeren Aufenthalten in Argentinien stand nun der „kleine Nachbar“ Uruguay auf dem Flugticket. Also packte ich meine Sachen und machte mich Anfang März mit einer großen Packung Vorfreude im Gepäck auf den Weg zum Flughafen. Nach einem Jahr Freiwilligendienst in Rosario und zwei Auslandssemestern im Rahmen des Doppelbachelorprogramms in Buenos Aires war ich mir sicher, dass die kommenden sechs Monate bei der Auslandshandelskammer in Montevideo mindestens genauso viele Erfahrungen für mich bereithielten. Ich heiße Jakob und studiere den Bachelor in Kulturwirtschaft an der Universität Passau.
Vorbereitungen aller Art
So richtig weiß man nie, was einen während eines Praktikums erwartet. Mit den Informationen, die man vor Beginn gesammelt hat, malt man sich dann verschiedene Szenarien aus, die alle mit größter Wahrscheinlichkeit so weit von der Wahrheit entfernt liegen, dass man sich später fragt, wie man denn eigentlich jemals auf solche abstrusen Ideen kommen konnte. Was mich dann allerdings in den ersten Wochen meines Auslandspraktikums erwartete, ließ alle noch so verrückten Ideen im Vergleich verblassen. Doch beginnen wir von vorne. Nach der anfänglichen Freude über die Zusage aus Uruguay drängte sich mit stetig steigendem Druck die Frage nach der Finanzierung des (unvergüteten) Praktikums auf. Nach dem Durchforsten verschiedener Stipendiendatenbanken fand ich mich schließlich auf der Seite des ZKK wieder, auf der, übersichtlich und gut erklärt, einige der wichtigsten Stipendien sowie deren jeweilige Zielgruppe und Anforderungsprofil aufgelistet waren. Da mein Praktikum nicht in einem europäischen Land stattfand war schnell klar, dass das PROMOS-Programm die passende Unterstützung bot. Die Bewerbung beim ZKK ging schnell und unkompliziert und alle Fragen, die auftauchten, wurden zügig und kompetent beantwortet. Auch nach der Vergabe der Stipendien bot sich Frau Faas als Ansprechperson für jegliche Fragen rund um das Auslandspraktikum an. Gerade in den durch das Coronavirus von großer Ungewissheit geprägten Zeiten empfand ich die offene und transparente Kommunikation von Seiten des ZKK als hilfreich und wertvoll.
Ankommen in Montevideo
Eben noch die letzten Prüfungen in Passau geschrieben, kam ich drei Tage vor meinem ersten Arbeitstag in der Hauptstadt Uruguays an und nutzte die Zeit, um mich einzugewöhnen und zu akklimatisieren. Letzteres war gleich am Flughafen gefordert, als mich die warme Spätsommerluft meine Winterjacke, die zuhause in Deutschland noch wohlige Wärme gespendet hatte, verfluchen ließ. Rucksack, Koffer und Jacke jonglierend gelangte ich ohne weitere Probleme zu meinem neuen „Zuhause auf Zeit“. Mein Zimmer hatte ich online gefunden und für die erste Zeit reserviert, ursprünglich mit dem Gedanken, bei Gelegenheit vor Ort weiter nach Alternativen zu suchen. Generell lassen sich auf verschiedenen Seiten Angebote für Zimmer finden und auch ein Blick in eine der unzähligen Facebook Gruppen kann sich lohnen. Wie so oft gilt allerdings auch hier, dass nicht alles Gold ist was glänzt. Die Mietpreise in Montevideo lassen sich in etwa mit denen deutscher Kleinstädte vergleichen, wobei natürlich auch hier viel von den Wünschen und Anforderungen des Mieters abhängt. Trotz der tragbaren Mieten sind Montevideo und Uruguay im Allgemeinen nicht günstig. Da viele Produkte importiert werden, kann der wöchentliche Einkauf im Supermarkt gut und gerne doppelt so teuer werden wie in Deutschland. Die Bezeichnung Uruguays als „Schweiz Lateinamerikas“ scheint in dieser Hinsicht voll zuzutreffen.
Von Office zu Home-Office
Voller Vorfreude und auch ein wenig nervös stand ich am Montag dann mit deutscher Pünktlichkeit eine Viertelstunde zu früh am vereinbarten Treffpunkt. Eine andere Praktikantin empfing mich und stellte mich den Kollegen vor. Die entspannte Atmosphäre und die kleine Gruppengröße erlaubten es mir, mich schnell in das Team zu integrieren und ich fühlte mich vom ersten Moment an gut aufgehoben. Gleich zu Beginn wurde ich in die aktuellen Projekte integriert und durfte schon nach der kurzen Orientierungsphase eigenständig arbeiten. Durch die ganzen neuen Eindrücke verflog meine erste Arbeitswoche und ehe ich mich versah, war schon wieder Wochenende. Dass diese Woche für längere Zeit die letzte war, in der ich das Büro von innen sah, wusste ich nicht, als ich am Freitag nach Feierabend nach Hause spazierte. Die Nachricht kam am Sonntagmittag: Die Regierung hatte angeordnet, dass alle Reisenden, die aus einem der damaligen Risikoländer nach Uruguay einreisten, sich für 14 Tage in Selbstisolation begeben sollten. Diejenigen, die ihre Arbeit auch von zuhause aus erledigen konnten, wurden ins Home-Office geschickt. Viele andere, die weniger Glück hatten, arbeiteten in Kurzarbeit oder wurden direkt freigestellt. Auch die Arbeit in der AHK wurde von einem Tag auf den anderen ins Home-Office verlegt. Seit über zwei Monaten arbeite ich jetzt also schon aus meinem Zimmer heraus, sehe meine Kollegen nur bei Videocalls und virtuellen Teammeetings. Lange geplante Events wurden abgesagt oder auf unbestimmte Zeit verschoben. Zu den üblichen Herausforderungen kommen jetzt noch gelegentliche Stromausfälle und eine Wlan-Verbindung, die die Kommunikation teilweise auf das Zusammenfügen loser Wortfetzen beschränkt. Trotzdem gehören wir hier bei der AHK noch zu den Privilegierten, die den Großteil der alltäglichen Arbeit problemlos auch aus dem Home-Office erledigen können. An größeren Projekten, wie zum Beispiel Marktstudien für verschiedene Ministerien in Deutschland, wird nun mithilfe von Clouddiensten und Plattformen wie MS Teams gemeinsam gearbeitet. Kleinere Übersetzungsaufgaben oder die Redaktion des monatlichen Pressespiegels fanden von vornherein größtenteils online statt. Bei all den Veränderungen hilft es, dass mir mein Praktikum nach wie vor enorm viel Spaß macht. Mein Team ist klein und ich habe schnell Anschluss gefunden. Von Anfang an wurde ich als vollwertiges Mitglied betrachtet und in alle laufenden Projekte miteingebunden.
Neue Normalität in Uruguay
Nachdem ein exponentieller Fallanstieg verhindert werden konnte, läutet die Regierung nun die Rückkehr in die sogenannte „neue Normalität“ ein. Die meisten Geschäfte haben inzwischen wieder geöffnet, Bauarbeiten werden fortgesetzt und nach und nach kehren die Menschen zurück an ihre Arbeitsplätze. Auch bei der AHK möchte man schrittweise wieder ins Büro zurückkehren. Mit einem Rotationsplan und einem Mix aus Home-Office und Büroarbeit soll – unter Beachtung aller Hygiene- und Abstandsregeln – der Weg in die „neue Normalität“ geebnet werden. Und wer weiß, wenn jetzt langsam alles wieder öffnet, kann ich vielleicht gegen Ende meines Praktikums noch mehr von dieser Stadt kennenlernen. Eines der tausend kleinen Cafés besuchen, auf den Straßenmärkten Dinge kaufen, von denen ich gar nicht wusste, dass ich sie brauche oder ein Stück im Teatro Solís erleben.
Und doch ist es noch schwer von Normalität zu sprechen. Bis vor gar nicht allzu langer Zeit hätte man das Tragen eines Mundschutzes im öffentlichen Raum und Begrüßungen, die durch einen Ellenbogenstoß ersetzt werden, höchstwahrscheinlich nicht unbedingt als normal bezeichnet. Die Erfahrungen, die jeder Einzelne und die Gesellschaft als Ganzes während dieser verrückten Zeit gemacht haben und weiter machen werden, beeinflussen unser zukünftiges Handeln mit Sicherheit. Es bleibt diese Ungewissheit, die den Planungshorizont auf Sichtweite einschränkt und die immer noch ein großes Fragezeichen hinter mein Rückflugdatum setzt. Wir können momentan nur versuchen, so gut es geht mit dieser Ungewissheit zu leben und ich bin sehr froh, dass ich die Möglichkeit habe, mein Praktikum hier in Uruguay fortzusetzen. Denn so weit die tatsächliche Entwicklung auch von meinen Erwartungen entfernt ist, so ist doch sicher, dass ich die Erfahrungen dieses Auslandspraktikums so schnell nicht vergessen werde.