Mich nicht in meinen eigenen Gedanken verlieren – das habe ich mir nach der ersten Seminarhälfte des MBSR-Seminars zu Jahresende 2019 vorgenommen. Und die Übungen von Dr. Florian Seidl regelmäßiger machen. Ein wenig mentalen Abstand gewinnen, um den Weg zu mehr Nähe und Empathie besser sehen zu können. Ich würde an dieser Stelle gerne tief in das einsteigen, was die zweite Hälfte des MBSR-Seminars ausgezeichnet hat, und was meine persönlichen Erfahrungen waren. Einen guten Anschluss an Teil 1, das habe ich mir vorgestellt. Wenn’s denn nur so einfach wäre – ich habe zwar meine Neujahrsvorsätze ernst genommen und regelmäßig geübt, aber war, zugegeben, unregelmäßig im Seminar. Lernfortschritte kann ich trotzdem verzeichnen, viel unauffälliger als erwartet und gleichzeitig irgendwie bedeutend umfangreicher.
Step-by-Step
Ein Thema im Seminar ist nach wie vor die Akzeptanz negativer Gedanken, und in diesem Zusammenhang gewissermaßen auch die Akzeptanz der Akzeptanz. Das bedeutet in etwa, dass wir uns negativen Gedanken nicht nur stellen müssen, sondern auch akzeptieren, dass wir sie nicht beeinflussen können oder noch besser, zwingen, zu verschwinden. Ich war lange skeptisch, das gebe ich offen zu. Es klang für mich irgendwie nach Masochismus. Vielleicht war das auch der Grund, warum ich mich so schwergetan habe, die Übungen zu Beginn des Seminars durchzuführen. Aber hier kommen diese unauffälligen Fortschritte ins Spiel. Es gibt da eine Redeweisheit: Wir merken immer nur, wenn es uns schlecht geht und schätzen es zu wenig wert, wenn es uns gut geht. Das lässt sich wunderbar auf Achtsamkeitstraining übertragen. Zu Beginn klappt es nicht, Frustration macht sich breit, aber irgendwie bleibt man dabei. Ein bisschen Meditation vor dem Schlafengehen, ein wenig mehr Aufmerksamkeit für den Kaffee am Morgen, oder öfters mal spazieren gehen. Ein bisschen Ehrgeiz gehört schließlich auch dazu. Und irgendwann merkt man, wie die kleinen Dinge im Leben mehr Gehalt haben. Die Meditation fördert das Einschlafen, der Kaffee löst Glücksgefühle aus, und ein Spaziergang in der Prüfungsphase füllt sich an wie das Lüften eines staubigen Zimmers.
Allzweckwaffe MBSR
Das Leben ist keine Spielwiese der Positivität, das wird grundlegend klar. Aber anstatt negativ zu denken und zu fühlen, und mich zu verlieren, bekommt die Negativität einfach eine Bewertung, Gefühl oder Emotion, und ich versuche ganz nüchtern zu verstehen, woher sie kommt. Dazu gehört auch, anderen Menschen gegenüber Verständnis zu zeigen. Nicht jeder Mensch hat dieselbe emotionale Tiefe, nicht jedem Menschen ist dies bewusst klar, und vor allem: nicht jedem Menschen ist das wichtig. Unterschiedliche Lebensentwürfe erlauben oder fordern geradezu unterschiedliche emotionale Verhaltensmuster. MBSR hat deswegen den Anspruch, für jeden Menschen den richtigen Grad an Achtsamkeit zu fördern, und lehrt so ein Stück Objektivität den eigenen Gedanken gegenüber, die im Umkehrschluss genutzt werden kann, um intensiver zu fühlen und zu leben. Das klingt ziemlich abgehoben – keine Frage. Ein Freund hat es mal so erklärt: „Stell dir einen Wasserfall vor. Der ist super anzuschauen, wenn man daneben steht, aber gar nicht so entspannt, wenn man darin versucht zu schwimmen.“ Ich denke, das ist die Essenz von MBSR: alle Art von Gedanken, negative wie positive, erkennen und sich die Zeit nehmen, sie einmal genauer anzuschauen und zu untersuchen. Nur verlieren darf man sich in ihnen nicht. Sonst geht man unter.