Sommersemester 2022 Intersektionalität: Soziologie zwischen Theorie und Praxis
Intersektionalität: Soziologie zwischen Theorie und Praxis
Prof. Dr. Karin Stögner, Lehrstuhl für Soziologie
Intersektionalität als Konzept zur Analyse sozialer Ungleichheit fokussiert auf die Multidimensionalität gesellschaftlicher Herrschaftsprozesse und zeigt auf, dass Diskriminierung und Chancenungleichheit entlang Klasse, Geschlecht/Sexualität, Ethnizität/Nationalität in Verschränkung miteinander zu verstehen sind. Vom Black Feminism geprägt, war Intersektionalität von Beginn an nicht nur analytisches Konzept, sondern auch politisches Programm. Soziale Bewegungen, die in ihrem Selbstverständnis intersektional agieren, kämpfen um gesellschaftliche, politische und ökonomische Anerkennung strukturell marginalisierter Gruppen. Dabei kommt es auch immer wieder zu Spannungen sowohl in der Theoriebildung als auch in der politischen Praxis. Dieses Spannungsfeld von Ideologiekritik und Identitätspolitik macht Intersektionalität zu einem dynamischen und umkämpften Feld und wirft gegenwartsbezogene Fragen und Probleme auf, denen sich die Vorträge in dieser interdisziplinären Ringvorlesung widmen.
Jeweils dienstags von 18 bis 19:30 Uhr in Präsenz im Raum WIWI HS 5 (und online via ZOOM)
Programm
In dieser einleitenden Vorlesungseinheit erfolgt ein kurzer Überblick über die Entstehungsgeschichte der Intersektionalitätskonzepte und eine historisch-geographisch-politische Einordnung. Daran anschließend wird die Frage nach der Inklusivität unterschiedlicher Intersektionalitätskonzepte gefragt: welche Gruppen werden berücksichtigt? Stehen Identitäten oder soziale Strukturen im Vordergrund? Und welche praktischen Konsequenzen haben diese Momente?
Karin Stögner, Prof. Dr., leitet den Lehrstuhl für Soziologie an der Universität Passau. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen in Kritischer und feministischer Theorie, Antisemitismus- und Rassismuskritik sowie in Gender-Forschung. Sie ist Autorin von „Antisemitismus und Sexismus. Historisch-gesellschaftliche Konstellationen“ (Nomos 2014) und hat zuletzt gemeinsam mit Alexandra Colligs den Band „Kritische Theorie und Feminismus“ (Suhrkamp 2022) herausgegeben.
Soziale Bewegungen sind von intersektionalen Ungleichheiten beeinflusst, während sie sich zugleich dagegen wenden. Ich will das anhand der Neuen Frauenbewegung in Deutschland und Japan diskutieren, in der zu Beginn Lesben wie auch Migrantinnen marginalisiert wurden. Doch allmählich gewannen sie eigene Definitionsmacht und starke Stimmen, indem sie Konflikte innerhalb und außerhalb der Bewegung austrugen. Ich schlage den Ansatz der prozessualen Intersektionalität vor, um solche Veränderungen theoretisch zu erfassen.
Ilse Lenz, Prof. Dr. em., ist emeritierte Professorin für Soziologie (Geschlechter- und Sozialstrukturforschung) an der Ruhr-Universität-Bochum. Sie forscht u.a. zu Globalisierung, Geschlecht und Arbeit, Frauenbewegungen im internationalen Vergleich und komplexen soziale Ungleichheiten (Klasse, Ethnizität, Geschlecht). Zahlreiche Forschungsaufenthalte in Japan und Südostasien.
Rassismus wird im Verständnis Kritischer Theorie als Herrschaftsverhältnis analysiert. Materialistisch fundiert muss diese Perspektive zunächst erörtern, wie die Einrichtung moderner Gesellschaften als kapitalistische dem Rassismus ein strukturelles Fundament bietet, auf dem Arbeit und Ungleichheit organisiert werden, d. h., wie ‚Rasse‘ und Klasse miteinander verbunden sind. Der Rassismus liefert eine Rechtfertigung dafür, dass das aufklärerische Postulat von der Gleichheit aller Menschen uneingelöst bleibt. Er legitimiert diese Ungleichheit, indem er rassifizierte Menschen als naturhaft, als minderwertig, als kulturlos darstellt und durch diese Zuschreibungen deren Stellung im Produktionsprozess weithin bestimmt und deren Über-Ausbeutung ermöglicht. Diese Legitimationsfunktion von Ungleichheit funktioniert aber nicht nur für den so genannten klassischen (biologistisch) argumentierenden Rassismus, sondern auch verwandelt für jenen gegenwärtig dominierenden Rassismus, der Menschen in ihren vermeintlich unveränderlichen Kulturen festzuschreiben sucht. Darüber hinaus gilt es zu diskutieren, warum die Abkehr von diesen Strukturkategorien (‚Rasse‘, Klasse, Geschlecht) und die ausschließliche Hinwendung zu Identitäten in der Intersektionalitätsdebatte die Gesellschaftsanalyse schwächen.
Ulrike Marz, Dr., hat Soziale Arbeit studiert und anschließend in einer Beratungsstelle für Betroffene rechter Gewalt gearbeitet. Im Anschluss daran nahm sie nochmals ein Studium – das der Soziologie und der Politikwissenschaft – auf. Seit 2009 ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Soziologische Theorien und Theoriegeschichte der Universität Rostock tätig. Hier promovierte sie 2014 mit einer Arbeit zum islamischen Antisemitismus in der Islamischen Republik Iran. 2018 hat sie für ein Semester die Gastprofessur für „Kritische Gesellschaftsforschung“ an der Justus-Liebig-Universität in Gießen übernommen. Im März dieses Jahres hat sie eine Arbeit mit dem Titel „Perspektiven einer Kritischen Theorie des Rassismus“ an der Uni Rostock als Habilitationsschrift eingereicht.
Die Erforschung von Erfahrungen ethnorassischer Exklusion, d.h. von Rassismus-, Stigmatisierungs- und Diskriminierungserfahrungen durch Minderheiten, hat derzeit Konjunktur im Feld der Migration Studies. Rezipiert wird diese Forschung nicht nur in Fachkreisen—vielmehr informiert sie auch politische Maßnahmen und die öffentliche Debatte (vgl. Berichte der Antidiskriminierungsstelle des Bundes). Vor diesem Hintergrund und eingedenk der sich durchsetzenden Erkenntnis, dass ein realitätsnaher Blick auf Ungleichheit und Exklusion intersektional sein muss, stellt der Vortrag die Frage, ob bzw. wie Intersektionalität in den Migration Studies und v.a. in der komparativen qualitativen Forschung zu Erfahrungen ethnorassischer Exklusion erforscht wird. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass systematische Vergleiche zwischen verschiedenen Minoritäten in unterschiedlichen Kontexten den Weg dafür geebnet haben zu verstehen, welche Makrofaktoren die Erfahrung von ethnorassischer Exklusion prägen. Gleichwohl tut sich gerade die komparative Forschung schwer damit, die Realität von intersektional erfahrener Exklusion zu erfassen. Der Vortrag erörtert die Gründe hierfür und zeigt sich hieraus ergebende Dilemmata auf. Ferner werden Überlegungen zu möglichen Auswegen angestellt, und es wird der Frage nachgegangen, wie diese Auswege methodisch und in der konkreten Forschungspraxis umgesetzt werden könnten.
Eunike Piwoni, Dr., führt derzeit ein von der DFG finanziertes Forschungsprojekt zu den affektiven Dimensionen und Dynamiken von (Nicht-)Zugehörigkeit und dem Erfahren von ethnorassischer Exklusion durch. Dieses Projekt ist am Lehrstuhl für Soziologie der Universität Passau angesiedelt, wo sie seit Februar 2020 als Akademische Rätin tätig ist.
Promoviert hat sie im Jahr 2011 an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg mit einer Schrift zum Wandel nationaler Identität im deutschen Intellektuellendiskurs (VS Verlag für Sozialwissenschaften). Anschließend forschte sie zur deutschen Integrationsdebatte, zum Kosmopolitismus junger Eliten und zu digital vermittelten Gegenöffentlichkeiten (Publikationen u.a. in Current Sociology, Journal of Communication, Identities) an der University of London und der Georg-August-Universität Göttingen. Ihre aktuellen Forschungsinteressen konzentrieren sich auf die Wahrnehmung von Diskriminierung und die Frage, wie Menschen auf Exklusionserfahrungen antworten (sowohl in der Situation selbst als auch im Rahmen von langfristigen Handlungsstrategien). Hierfür bringt sie kultur- und emotionssoziologische Theorien sowie qualitative Methoden der Sozialforschung in Anschlag. Aktuell erscheint ein Artikel in Ethnic and Racial Studies, in dem sie eine Heuristik zur besseren Vergleichbarkeit von Antworten auf ethnorassische Exklusion in qualitativer Forschung entwickelt.
Anhand einiger Fallbeispiele aus dem langen 19. Jahrhundert stellt dieser Vortrag die Frage nach den Verbindungslinien zwischen Bildern des Jüdischen, Geschlechterbildern, rassifizierenden Zuschreibungen und Konstruktionen nationaler Identität als Reaktionen auf den Aufstieg der kapitalistischen Moderne. Er erkundet, welche Beiträge kritische Theorie und intersektionale Ansätze jeweils zur Beschreibung solcher Konstellationen leisten können, und fragt nach der Möglichkeit eines kritischen Dialogs zwischen beiden Traditionen.
Christine Achinger, Dr., ist Associate Professor in German Studies an der Universität Warwick und forscht u.a. zu Literaturwissenschaften, Geschichte und Theorie des Antisemitismus, kritischer Theorie, und zu Konstruktionen von Geschlecht, Ethnizität und nationaler Identität und ihren Verflechtungen. Publikationen u.a.: Distorted Faces of Modernity: Racism, Antisemitism and Islamophobia (Hg. mit Robert Fine, 2015); Gespaltene Moderne. Gustav Freytags Soll und Haben - Nation, Geschlecht und Judenbild (2007).
Der Vortrag beleuchtet die Begriffe der Religion und der Kultur aus intersektionaler Perspektive. Dabei wird ein kritischer Blick vor allem auf patriarchale Geschlechterverhältnisse geworfen. Entgegen der essentialistischen Annahme, dass Kulturen in ihrer je eigenen Entwicklung anerkannt und nach ihren eigenen Maßstäben beurteilt werden sollen, entwirft Petra Klug einen post-partikularistischen Feminismus, bei dem emanzipatorische Prinzipien an die Stelle von Identitätspolitik treten.
Petra Klug, Dr., ist Soziologin sowie Religions- und Kulturwissenschaftlerin. Sie arbeitet als Postdoc an der Universität Bremen und war 2019 Gastprofessorin für Kritische Gesellschaftstheorie an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Im Tectum-Verlag ist ihr Buch "Feindbild Islam?" erschienen und ihr Buch "Anti-Atheist Nation. Religion and Secularity in the United States" erscheint demnächst bei Routledge.
Der öffentliche Diskurs über Zusammenhänge von Religion und Geschlecht ist stark auf den Islam konzentriert – obwohl auch andere Konfessionen hinreichend Stoff für geschlechtskritische Analysen bereithalten. Dieser Diskurs ist in hohem Maße von orientalistischen Denkmustern geprägt. Der Islam erscheint dann als das Andere der westlichen Welt, muslimische Frauen werden wahlweise exotisiert oder viktimisiert, muslimische Männer pauschal zu Patriarchen oder gar zu Tätern erklärt. Auch der radikale Feminismus stößt zuweilen in dieses Horn und lässt den Islam als vergleichsweise monolithischen Hort des Sexismus erscheinen. Dafür handelt er sich die Kritik des postkolonialen und des postsäkularen Feminismus ein, der die orientalistischen Denkmuster im radikalen Feminismus als rassistisch ausweist und als imperial zurückweist.
Ausgehend von dieser Diskurskonstellation werde ich in meinem Vortrag argumentieren, dass es beiden Positionen an einer umfassenden intersektionalen Perspektive mangelt. Während sich der radikale Feminismus kaum für seine möglichen rassistischen Diskurseffekte interessiert, verliert die feministische Kritik des antimuslimischen Rassismus leicht jene Momente des Islam aus dem Blick, die zu Geschlechterhierarchien beitragen. Als Alternative schlage ich eine Form der feministischen Religionskritik vor, die alle monotheistischen Buchreligionen umfasst und Grundeinsichten des postkolonialen Feminismus ebenso ernst nimmt wie die mögliche Religiosität feministischer und anderer politischer Akteur:innen.
Ina Kerner, Prof. Dr., ist Politiktheoretikerin und Genderforscherin und arbeitet als Professorin für Politische Wissenschaft im Institut für Kulturwissenschaft der Universität Koblenz-Landau am Campus Koblenz. Ihre aktuellen Arbeiten bewegen sich zum einen an der Schnittstelle von Politischer Theorie und Postkolonialer Theorie, zum anderen im Feld von Religion und Geschlecht. Aktuelle Veröffentlichungen: Decolonizing Universalism? A dialogue on women’s rights, feminist struggles and the possibilities and problems of universal norms. In: Julia Roth, Alexandra Scheele, Heidemarie Winkel (Hg.): Global Contestations of Gender Rights. Bielefeld 2022: Transcript/Bielefeld UP, S. 135-148 (gemeinsam mit José-Manuel Barreto); (K)eine Apologie des Universalismus, in: blog interdisziplinäre geschlechterforschung, 14.12.2021, sowie Provinzialismus und Semi-Intersektionalität: Fallstricke des Feminismus in postkolonialen Zeiten. In: Feministische Studien, Jg. 38, Heft 1/2020, S. 75-92.
Seit Jahren scheinen identitätspolitische Positionen gesellschaftliche, politische und kulturelle Debatten zu dominieren. Für Vertreter der Identitätspolitik ist das politische Feld durch die Differenz und Konkurrenz verschiedener kollektiver Identitäten geprägt.
Aus einer linken, emanzipatorischen Sicht leugnen identitätspolitische Positionen den Widerspruch zwischen Individuum und Gesellschaft (respektive zwischen dem Individuum und „seiner Kultur“) sowie soziale Unterschiede innerhalb ein und derselben „Kultur“. Und bedeuten die Preisgabe des Anspruchs auf die Emanzipation der Gesellschaft als ganzer – mit anderen Worten: Das Ende des linken Projekts.
Sama Maani, Dr., lebt heute – nach jahrelanger Tätigkeit als Nervenarzt und Psychoanalytiker – als freier Schriftsteller in Wien. Publikationen (u.a.): Zizek in Teheran (Roman, 2021), Warum ich über den Islam nicht mehr rede (Essayband 2022)
Das Kopftuch machte in den letzten Jahren eine Bedeutungsmetamorphose durch. Es wurde zu einem Identitätsmerkmal des Islam und die Frau, die es trägt zum Sinnbild der Diversity. Gleichzeitig wird die verschleierte Frau als Opfer wahrgenommen. Sie ist eine Frau, (meistens) Migrantin und Muslimin. Kein Wunder, dass die verschleierte Frau unantastbar ist und das Kopftuch zum Symbol des Kampfes des intersektionalen Feminismus gegen den althergebrachten Feminismus avanciert ist. Doch – steht das Kopftuch wirklich für die Befreiung der Frau? Müssen wir diese Deutung akzeptieren? Was ist mit dem politischen Islam, der seinerseits das Kopftuch als sein Symbol versteht? Und was machen wir mit dem Widerspruch zwischen der emanzipierten Kopftuchträgerin und der mehrfachen Opferrolle?
Lale Akgün, Dr., Dipl. Psychologin und Autorin, ist Senior Fellow an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Sie studierte Medizin, Psychologie und Völkerkunde in Marburg/Lahn.
Sie saß zwei Legislaturperioden für den Kölner Süden im Deutschen Bundestag und war dort für die Themen Europa und Innenpolitik zuständig, außerdem islampolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Sie ist eine fundierte Kennerin der islamischen Szene in Deutschland und hat dazu zwei Bücher veröffentlicht. „Aufstand der Kopftuchmädchen“ (2011) und „Platz da! Hier kommen die aufgeklärten Muslime“ (2018).
Intersektionalität wird in Form von Diversität inzwischen in vielen gesellschaftlichen Institutionen als normatives Konzept implementiert. Diese müssen sich nun zunehmend dem Problem stellen, dass Personen insbesondere aufgrund von Geschlecht, Race/Ethnizität, Klasse, Behinderung, Alter und/oder Religion gesellschaftliche Diskriminierungen erfahren. Der Fokus meines Vortrags liegt zum einen auf der normativen Entwicklung von Diversity und damit von Intersektionalität als normativem Konzept. Zum anderen gilt es aufzuzeigen, was das als normativer Anspruch im Alltag für die Organisationskultur z.B. von Universitäten sowie für das individuelle Verhalten der Personen bedeutet und welche Probleme dies mit sich bringt.
Andrea Maihofer, Prof. Dr. em., war von 2001-2020 Professorin für Geschlechterforschung und Leiterin des Zentrums Gender Studies an der Universität Basel. Außerdem war sie von 2010-2018 Präsidentin der Schweizerischen Gesellschaft für Geschlechterforschung (SGGF) sowie von 2018-2020 Leiterin des ThinkTanks Gender & Diversity. Forschungsschwerpunkte sind Kritische Gesellschafts- und Geschlechtertheorie, Wandel und Persistenz von Geschlecht und Geschlechterverhältnissen, hier: aktuell Rechtspopulismus und Männlichkeit.
In der rechtsextremen Szene der 1920er Jahre konkurrierten unterschiedliche Männlichkeitsentwürfe: Misogyne Männerbündler und völkische Familienväter stritten sich um die germanische Männlichkeit. Gemeinsam aber war ihnen der Kampf gegen Modernisierungsprozesse der Geschlechterordnung, die als „Verjudung“ interpretiert wurden. Im Nationalsozialismus wurde dann unter dem Vorzeichen der Volksgemeinschaft eine „neue Synthese“ der Geschlechter verhießen, die frei sei von den zersetzenden Einflüssen der Frauenemanzipation, aber auch von jeder frauenfeindlichen „Lüsternheit“. Heute richtet sich die "antigenderistische" Stoßrichtung im politischen Spektrum vom Rechtsextremismus bis zum Rechtsliberalismus gegen staatliche Gleichstellungspolitik, Sexualkundeunterricht, feministische und queere Kritik. Verschwörungstheoretisch wird eine „Gender-Lobby“ als dahinter treibende dunkle Kraft vermutet, welche die Deutschen umerziehen will – wieder finden sich (strukturell) antisemitische Assoziationen. Scheinbar paradox wird aber gleichzeitig oftmals die Ablehnung von „Frauenunterdrückung“ und Judenfeindschaft demonstrativ betont. Man stehe hier ganz im Gegensatz zu „den Moslems“. Die Muslim_innenfeindlichkeit dient als Ausweis der Anti-Nazi-Gesinnung.
Diese intersektionalen Verwobenheiten von Rassismus, Sexismus und Rassismus werden in der Vorlesung auf ihre Psychoadynamiken hin hinterfragt: Was macht die ideologischen Angebote affektiv attraktiv?
Sebastian Winter, Dr., ist LfbA am Lehrstuhl für Soziologie der Universität Passau und Privatdozent für Soziologie und Sozialpsychologie an der Leibniz Universität Hannover. Er ist Mitherausgeber der "Zeitschrift für Rechtsextremismusforschung" und der "Freie Assoziation. Zeitschrift für psychoanalytische Sozialpsychologie". Seine Arbeitsschwerpunkte sind u.a.: Sozialpsychologie von Gemeinschafts- und Feindbildungsprozesse, insb. Antisemitismusforschung; rechtsextreme Geschlechter- und Sexualitätsentwürfe; Misogynie und männliche Gewalt.
The aim of this lecture is to present some issues related to intersectionality and identity debates in Brazil. We will see them against the background of their historical development, from the 1970s onwards, and how they became a heated topic in Brazilian politics nowadays. To understand these debates, that is, the uses (and abuses) of gender, race, and, more recently, intersectionality, we will pursue two analytical levels: how the terms develop and are challenged both in the broader public discourse and in academic and intellectual venues. We will disentangle the traps and potentialities of contested issues that are at the heart of many controversies which are not exclusive to Brazil, but that here acquire particular traits and implications.
Ana Claudia Lopes, PhD, is Adjunct Professor of Philosophy at the Federal University of Bahia (Brazil) and Post-Doctoral Researcher at the Department of Philosophy at the University of São Paulo (Brazil). She works on ethics and political philosophy, critical theory, gender and feminism. She has earned a Ph.D. in philosophy from the University of Campinas in 2019 with a dissertation on the relationship between practical philosophy and Critical Theory in the work of Seyla Benhabib. She was a visiting researcher at the Cluster of Excellence "The Formation of Normative Orders" at the Goethe University (Germany) (2014/2018). She also works as a translator, being one of the translators of Situating the Self (Seyla Benhabib, 1992) and Justice Interruptus (Nancy Fraser, 1996) to Brazilian Portuguese. She contributed a chapter to the recently published Kritische Theorie und Feminismus, edited by Karin Stögner and Alexandra Colligs.
Die Ringvorlesung wird gefördert von der Universitätsfrauenbeauftragten Prof. Dr. Andrea Sieber.