Schulprojekt Nadine Tiefenböck
Simon Urlberger integriert Flüchtling durch Fußball
M1: Informationen zu Simon Urlberger
Simon Urlberger ist 24 Jahre alt und wohnt in Ering am Inn in Niederbayern.
2010 beendete er seine Ausbildung zum Schreiner, arbeitete dann anderthalb Jahre als Schreinergeselle und ging im September 2011 auf die Meisterschule für Schreiner in München. 2013 erhielt er den Meistertitel und arbeitet seitdem als Schreinermeister in einem Betrieb mit 15 Personen. Seine Hobbys sind Theater und Fußball spielen. In Ering, seinem Heimatort spielt er im Verein. Zweimal in der Woche hat er Fußballtraining, und am Sonntag meistens ein Fußballspiel.
In seiner Pause in der Arbeit, während er seine Brotzeit aß, kam ein Junge in den Pausenraum. Er stellte sich mit dem Namen Kidane vor. Er macht ein Praktikum in dem Betrieb von Simon Urlberger, um die Chance auf eine spätere Ausbildung zu bekommen.
Kidane lebt erst seit einem Jahr in Deutschland, geboren ist Kidane in Eritrea, Afrika. In Eritrea sind aber einige Dinge anders, als in Deutschland. In Eritrea werden die Menschenrechte massiv verletzt. Beispielsweise durch willkürliche Tötungen und Verhaftungen, Folter und der fehlenden Meinungs-, Religions- und Versammlungsfreiheit. Kidane erzählte von seinem Onkel: Soldaten kamen an ihrem Haus vorbei und nahmen den Esel von Kidanes Onkel, „weil sie diesen nun brauchen“. Der Onkel von Kidane wehrte sich und wollte den Esel zurück. Daraufhin hangen die Soldaten den Onkel kopfüber an einen Balken. Die Familie konnte nicht helfen, da ihr andernfalls das gleiche Schicksal blühte.
Kidane fällt es noch heute nicht leicht, über die Geschehnisse in seiner Heimat zu reden. In Eritrea haben nur die Menschen, die ungefähr über 50 Jahre alt sind, einen Pass, alle anderen, so auch Kidane, haben keinen Pass. So haben sie nie die Gelegenheit, in ein anderes Land zu fahren, sie gelten sofort als Flüchtlinge, was genau dem Ziel der Regierung entspricht. Aus diesen Gründen flüchtete Kidane schon im Alter von 15 Jahren aus Eritrea und lebte dann fünf Jahre in Äthiopien ohne seiner Familie. Allerdings wurde er auch in Äthiopien nicht angemessen behandelt, weshalb er sich im Winter 2014/15 dazu entschloss, mit Hilfe der Schleuserboote nach Europa zu flüchten. Kidane erzählt, dass er seine noch immer in Eritrea lebenden Eltern nicht besuchen kann. Denn, falls er je wieder nach Eritrea reisen würde, würde das Regime ihn entweder erschießen oder ihn als Soldaten missbrauchen, solange bis er auch dort stirbt.
Während des Gespräches mit Kidane wurde immer deutlicher, dass er sehr gerne Fußball spielt. So hatten die beiden sofort ein Thema, worüber sie reden konnten. Simon spielt, wie oben schon erwähnt, im Verein. Den Fußballverein in dem Ort, in dem Kidane jetzt wohnt, hat er auch schon besucht. Allerdings gefiel es ihm dort nicht, da ihn die anderen Fußballspieler mehr oder weniger ignorierten. Deshalb spielt er jetzt nicht mehr Fußball. Simon hatte die Idee, dass Kidane bei seinem Verein Fußball spielen könnte. Er gab seine Idee gleich an Kidane weiter, der sich darüber sehr gefreut hat. Da Kidane keinen Führerschein hat, vereinbarten die beiden, dass Simon ihn von zu Hause abholen wird.
Kidane wohnt 17 km von Ering entfernt. Das bedeutet, dass Simon Urlberger ungefähr 20 Minuten mit dem Auto hin fahren und natürlich wieder zurück nach Ering muss, denn dort findet das Training statt. Obwohl Simon Urlberger von der Arbeit noch sehr müde und ausgelaugt war, holte er Kidane ab. Kidane hat schon auf ihn gewartet. Er hat sich total gefreut, dass Simon tatsächlich gekommen war. Die anderen Fußballspieler waren zu Beginn ein Wenig überrascht, wem Simon mitgenommen hat. Kidane hat sich dann sofort auf Deutsch vorgestellt. Von Simons Mitspielern wurde er daraufhin gut aufgenommen.
Nach dem Training hat Simon Urlberger Kidane wieder nach Hause gefahren. Als Simon Urlberger wieder bei sich zu Hause war, hat er dann bemerkt, dass er an diesem Tag 68 km und fast anderthalb Stunden mit dem Auto gefahren ist, nur um Kidane zu holen und wieder zurück zu bringen. Da es Kidane sehr viel Spaß gemacht hat, und Simon Urlberger kein Problem damit hat, ihn ständig zu holen und zurück zu bringen, blieb es nicht bei dem einen Mal. Kidane kommt auch nach drei Wochen noch ins Training, dafür wird er immer noch von Simon Urlberger geholt. Simon beschreibt sein Verhalten damit: „Ich muss sagen, ich fahre gerne so viele Kilometer. Ich sehe, wie Kidane immer mehr in unsere Gruppe eingegliedert wird. Jeder redet mit ihm und er erzählt auch immer mehr Dinge. Ich denke, nach der harten Zeit, die er durchgemacht hat, ist das jetzt eine gute Möglichkeit, dass er sich hier in Deutschland immer wohler fühlt.“
Die besondere Eignung von Simon Urlberger als Local Hero, an dem man etwas lernen kann, wird anhand der folgenden Beispiele erläutert: Simon Urlberger ist ein ganz normaler Mensch mit normaler Arbeit und alltäglichen Hobbys. Er hilft einem anderen Menschen, sich in dessen neuer Heimat besser zu integrieren. Dafür nimmt er einen hohen Zeitaufwand und hohe Kosten auf sich, wofür er keine Gegenleistung erhält.
Bezogen auf die Lerngruppe hat Simon Urlberger als Local Hero aber auch eine Einschränkung: Simon Urlberger ist 24 Jahre alt, die Kinder der Lerngruppe sieben bis acht. Die Lebensnähe könnte eventuell zum Problem werden. Simon fährt mit dem Auto, die Schülerinnen und Schüler haben aber noch keinerlei Bezüge zum Autofahren, sowie zu den Bezinkosten und Strecken. Simon fährt 68 Kilometer, mir ist dafür kein passender Vergleich aus der Lebensnähe der Kinder eingefallen.
M2: Didaktische Entscheidungen zur Planung des Projekts
Im Wintersemester 2015/16 absolvierte ich das zusätzlich studienbegleitende Praktikum in Vilshofen in einer zweiten Klasse. Die Religionsklasse besteht aus 20 Kindern, die aus zwei verschiedenen Klassen kombiniert wurde, da in den jeweiligen Klassen ein sehr großer Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund herrscht. Da mein Thema um die Integration einer Person mit Migrationshintergrund handelt, dachte ich mir, dies sei eine gute Voraussetzung, obwohl die Kinder erst in der zweiten Klasse sind.
Schon zu Beginn der Planung der Unterrichtsstunde war mir klar, dass ich versuchen muss, das Konzept der Werterhellung mit einzubauen, da die Kinder eben erst in der zweiten Klasse sind. Sie sollten sich also in die Lage von Simon Urlberger hineinversetzen und Analogien mit Situationen in ihrem Leben erkennen und versuchen, sich so ähnlich verhalten, wie Simon es gemacht hat.
Die Betreuungslehrkraft macht mit den Kindern immer ein Ritual zu Beginn der Stunde, wo sie erzählen, wie sie sich heute fühlen. Aus meinem Religionspraktikum weiß ich, dass die Gefühle der Kinder elementar für den Religionsunterricht sind, ebenso wie Rituale. Die Rituale geben den Kindern Sicherheit. Dies zeigt sich auch dadurch, dass die Schüler sofort fragen, sofern das Ritual aus Zeitgründen weggelassen wurde, warum das Ritual heute nicht durchgeführt wurde. Dies bekräftigte mich in meiner Meinung, auch in meiner Stunde das Ritual zu machen. So beginnen die Schüler hoffentlich, mir schneller zu vertrauen.
Als stummen Einstieg habe ich drei Bilder gewählt. Eines der Fußballmannschaft, eines von Simon und eines von Kidane. Die Schülerinnen und Schüler sollen erzählen, was ihnen zu den Fotos einfällt, und, sobald die Möglichkeit gegeben ist, leite ich auf das Hörspiel um. Durch die Fotos erhalten die Kinder einen ersten Überblick über die Thematik der heutigen Stunde. Außerdem können sie den, der im Hörspiel (siehe Anhang) mit ihnen spricht, bereits zuordnen, ebenso wie Kidane, der ebenfalls Thema ist. Wenn die Kinder während des Hörspiels nicht verstehen, um wen es gerade geht, habe ich so die Möglichkeit, auf die Fotos zu zeigen. Die Betreuungslehrkraft nennt die Klasse eine „eher schwache Reliklasse“, weshalb so kleine Unterstützungen mit Sicherheit nicht schaden.
Im Seminar erzählte eine andere Teilnehmerin davon, dass sie gerne ein Hörspiel über die Geschichte des Local Hero als Einstieg machen möchte. Diese Idee hat mich von Anfang an überzeugt und nahm sie deshalb in meine Ideensammlung auf. Ich muss sagen, dass ich zu Beginn nicht sehr viel wusste, wie ich so eine Stunde aufbauen konnte, weshalb ich um so kleine Ideen von den Anderen immer sehr froh war. Ein Hörspiel als Einstieg ist sehr motivierend für die Kinder. Es scheint, alles was nicht direkt aus dem Mund der Lehrkraft kommt, ist sehr viel interessanter. Da ich die Klasse kannte, und wusste, dass sie dazu neigen, schon zu Beginn des Unterrichts nicht wirklich aufzupassen und sich mit vielen anderen Dingen lieber beschäftigte, musste ich etwas richtig Fesselndes für die Kinder vorbereiten. Ich hatte die Möglichkeit, dass Simon Urlberger das Hörspiel selbst spricht, so sind die Kinder in einer Weise in direkten Kontakt mit dem Local Hero. Das muss die Kinder ja fesseln! Aus diesem Grund habe ich mich dann für das Hörspiel entschieden.
Wichtig ist es, nach einer Geschichte, egal welcher Form, die Schülerinnen und Schüler wiederholen zu lassen. Nur so kann festgestellt werden, ob die Inhalte bei den Kindern auch ankamen.
Nach dem Zusammenfassen lassen, teilte ich Farbkärtchen in den Farben grün, gelb und rot aus. Grün bedeutet „ich finde gut, was Simon macht“, Gelb heißt „mir ist es egal, was Simon macht“ und rot: „ich finde komisch/schlecht, was Simon macht“. So erhalte ich einen ersten Überblick über die Meinungen der Kinder.
Ich wollte gerne, dass die Kinder das Prinzip der Perspektivenübernahme durchführen, damit sich die Schüler besser auf das Verhalten von Simon Urlberger einlassen können und so eventuell eine Analogie zu Situationen in ihrem Leben erhalten. Ganz spontan kam mir die Idee zur Erarbeitung einer kleinen Szene. Als ich im Seminar davon berichtete, waren alle von meiner Idee angetan und keiner konnte negative Argumente hervorbringen, weshalb ich mich dazu entschloss, ein kleines Theaterstück auf die Bühne zu bringen. Da es sich aber um eine zweite Klasse handelte, brach ich das „Theaterstück“ auf das Mindeste herunter. Die Schüler wurden in fünf Gruppen eingeteilt und erhielten jeweils eine Aussage, die an Simon oder an Kidane gerichtet war (siehe Anhang). Diese Aussage war die Grundlage für die kleine Szene, ein Kind der Gruppe soll Simon oder Kidane spielen, und sich so in ihre Lage versetzen. Damit nicht nur ein Kind der Gruppe die Perspektive der Beiden übernimmt, werden die Texte, also die Aussagen von Simon und Kidane zuerst in der Gruppe besprochen.
Als Highlight der Stunde folgte dann die Aufführung der kleinen Szene. Das geschaffene Werk letztendlich präsentieren zu dürfen, ist für die gerade aufführenden Kinder einerseits sehr motivierend und für die zusehenden Kinder andererseits sehr spannend, wie die anderen Gruppen die Aufgabe geregelt haben.
Die Methoden bisher waren für die Schülerinnen und Schüler sehr spannend und schön, dennoch haben sie noch nichts aufgeschrieben. Für das Seminar und auch für mich im Sinne auf die Reflexion ist etwas Schriftliches von den Kindern wichtig, da ich durch das Aufgeschriebene Schlüsse ziehen kann und sehe, ob die Schüler das Thema verstanden haben. Ich habe mich für einen Brief entschieden, den die Kinder an Simon schreiben dürfen. In diesen Brief können die Schüler alles schreiben, was sie Simon sagen möchten, mit der möglichen Chance, dass Simon ihnen sogar zurück schreibt. Da es sich um eine schwache Religionsklasse handelt, habe ich Satzanfänge vorbereitet, die die Schüler verwenden können, aber nicht müssen (siehe Anhang).
Im neuen Lehrplan wird gefordert, dass die Schülerinnen und Schüler immer wieder ihr Lernverhalten reflektieren. Aus diesem Grund habe ich für die letzten beiden Minuten der Einheit Satzanfänge vorbereitet, die die Kinder automatisch zum Reflektieren anregen.
M3: Artikulationsschema
Gliederung | Artikulation L-S Interaktion | Medien, Methoden Sozialformen |
---|---|---|
Einstimmung | Ritual: S nehmen sich Gegenstand aus der Kiste und beschreiben ihre Gefühlslage | Sitzkreis |
Eindruck | L legt 3 BK in die Mitte --> S-Äußerungen L: „Das ist Simon (L zeigt auf BK mit Simon) und das ist Kidane (L zeigt auf BK mit Kidane). Simon wird dir nun erzählen, woher die beiden sich kennen, und was sie nun verbindet.“ --> S hören sich das Hörspiel an L: „Was hast du dir von Simons Geschichte gemerkt?“ --> S fassen die Geschichte zusammen | Bild von Fußballmanschaft, Bild von Simon Urlberger, Bild von Kidane
Sitzkreis Hörspiel |
Ausdruck | L verteilt Farbkärtchen an S --> Grün = Ich finde gut, was Simon macht Gelb = mir ist es egal, was Simon macht Rot = ich finde es schlecht/komisch, was Simon macht S entscheiden sich für ein Farbkärtchen und begründen es. L: „Nun bildet ihr 5 Gruppen. Jede Gruppe geht in ein anderes Eck im Klassenzimmer. Du erhältst von mir eine Sprechblase. Stell dir vor, du bist Simon oder Kidane. Wie reagierst du auf diese Aussagen? Spielt die Szene kurz nach. Das bedeutet, du überlegst dir in der Gruppe gemeinsam, wie du als Simon oder als Kidane auf diese Aussagen reagieren wollt. Danach wird ein Simon, ein Kidane und ein Kind, das die Aussage auf der Sprechblase sagt, bestimmt. L zeigt WK, S wiederholen AA. S gehen in Gruppen zusammen und beschäftigen sich mit den verschiedenen Aussagen | Sitzkreis
Grüne, gelbe, rote Farbkärtchen
WK mit „Wiederhole bitte“ GA |
Präsentation | S spielen die kleine eingeübte Szene vor | Präsentation des szenischen Spiels |
Austausch | L: „Nun hast du gesehen, dass jeder eine andere Meinung hat. Keine Meinung ist falsch! Du darfst nun einen Brief mit deiner Meinung an Simon schreiben. Du kannst ihm sagen, wie du sein Verhalten findest. Dabei darfst du ganz ehrlich sein. Wenn du möchtest, darfst du mir deinen Brief geben, und ich überreiche ihn dann an Simon. Ich habe verschiedene bunte Blätter für dich vorbereitet, du kannst dir aussuchen, auf welches du deinen Brief schreiben möchtest. Du darfst ganz alleine entscheiden, wie du deinen Brief gestalten möchtest.“ L zeigt WK --> S wiederholen AA L: „Weißt du denn schon, wie man einen Brief beginnt?“ --> S-Erklärung L: „Damit es für dich leichter ist, habe ich verschiedene Satzanfänge mitgebracht. An diesen kannst du dich orientieren, musst du aber nicht.“ S schreiben Brief an Simon | L-Erklärung
WK „Wiederhole bitte“
WK mit verschiedenen Satzanfängen |
Reflexion | L hält Satzimpulse in die Höhe --> S-Äußerungen | Satzimpulse: „Heute hat mir gut gefallen, dass…“ „Heute habe ich nicht verstanden, dass…“ |
M4: Reflexion des Projekts
Nachdem ich die Stunde komplett fertig geplant hatte, und die Teilnehmer des Seminars meine Ideen als gut befinden haben, freute ich mich schon sehr auf diese Stunde. Die zwei Pflichtstunden, die man im Praktikum halten muss, habe ich schon gehalten. In Mathe, worin ich die beiden Stunden hielt, kann man mit Abstand nicht so schöne Stunden machen, als in Religion. Aus diesem Grund machte mir schon die Planung enormen Spaß und konnte es demnach kaum erwarten, die Stunde auch tatsächlich zu halten.
Da die Religionsklasse wie schon erwähnt, aus zwei verschiedenen Klassen besteht, dauert es schon immer zwei bis drei Minuten, bis alle Kinder an ihrem Platz sitzen. Ich holte dann alle Kinder zu mir nach vorne in den Sitzkreis, um mit dem Ritual zu beginnen. Meine Betreuungslehrkraft benutzte eine Feder („heute geht es mir gut, weil…“) und einen Stein („heute geht es mir schlecht, weil…“). Die Kinder können auch beide Gegenstände wählen und müssen sich bei ihr nicht für einen entscheiden. Also folgte ich ihrem Ritual und ließ die Kinder es so wie immer machen. Für mich dauerte es sehr lange, da die Kinder teilweise ganze Geschichten erzählten. Ich höre mir die Geschichten der Kinder normalerweise sehr gerne an, da es mir zeigt, dass die Kinder mir vertrauen, was ich sehr schön finde. Leider hatte ich aber schon zu Beginn der Stunde immer den Blick auf der Uhr, um die ganzen Sachen überhaupt nur schaffen zu können. Da durch das Nehmen der beiden Gegenstände sehr viel Zeit verloren geht, werde ich es in meiner zukünftigen Klasse so machen, dass sich die Kinder für einen Gegenstand entscheiden müssen.
Bei den Bildern verstanden die Kinder für mich erstaunlich schnell, worauf ich hinaus wollte. Schon das erste Kind, das sich meldete, erklärte, dass dieser Mann (Simon) in der Fußballmannschaft spiele. Das Foto von Kidane ließen sie zuerst noch außen vor.
Als ich ihnen das Hörspiel vorspielte, war es extrem leise. Alle waren wie gebannt. Ich ließ das Hörspiel in einem durchlaufen ohne Pause. Meine Betreuungslehrkraft sagte bei der Besprechung, sie hätte wahrscheinlich eine Pause eingebaut, allerdings waren die Kinder während des ganzen Hörspiels sehr leise und aufmerksam und wussten danach noch alles, weshalb eine Pause nicht nötig gewesen wäre. Dieser Meinung kann ich nur zustimmen. Ich habe darüber nachgedacht, ob ich eine Pause einbauen sollte oder nicht. Allerdings wusste ich überhaupt nicht wo, es wäre sonst ein sehr starker Bruch gewesen. Es war aber ja sowieso nicht notwendig. Die Schülerinnen und Schüler fassten die Inhalte sehr gut zusammen. Mit verschiedenen Wortkarten, die die Inhalte des Hörspiels wiedergeben und unter eines der drei Bilder gelegt wurde (siehe Anhang), unterstützte ich die Kinder beim Wiederholen. Die Wortkarten waren sehr gut, da sie so auch den schwächeren Kindern die Möglichkeit gaben, zu sehen, wo wir uns gerade befinden, was schon gesagt wurde und was noch nicht. Es machten alle sehr fleißig mit. Auch das verwunderte mich schon zu diesem Zeitpunkt, ich hatte diese Klasse nämlich als sehr unruhig in Erinnerung. Ein einziges Mädchen konnte es nicht lassen, mich ständig zu unterbrechen. Da es auf einmal so störend wurde, bat ich sie, den Sitzkreis zu verlassen und sich auf ihren Platz zu setzen. Das tat mir sehr leid, aber wenn ich ihr noch länger zugesehen hätte, hätte sie eventuell noch andere Kinder angesteckt. In der Nachbesprechung sagten alle, dass das die einzig richtige Entscheidung war. Nach ungefähr fünf Minuten bat sie mich, wieder in den Sitzkreis kommen zu dürfen. Ich erlaubte es ihr und ab diesem Zeitpunkt war sie sehr fleißig und achtsam.
Ich teilte als Nächsten die Farbkärtchen aus. Alle Kinder, außer zwei, nahmen ein grünes Farbkärtchen. Die anderen beiden nahmen ein Gelbes. Leider war ich schon wieder so gehetzt, weshalb ich nur ein paar Kinder kurz erklären ließ, warum sie diese Farbe genommen haben. Die beiden mit den gelben Kärtchen saßen irgendwie außerhalb meines Blickfeldes, weshalb ich diese beiden nicht erklären ließ. Im Nachhinein ärgert mich das so sehr, da ich so eine andere Meinung außer „ich finde gut, was Simon macht, weil er jemanden hilft.“ gehört hätte.
Als Nächstes erklärte ich den Kindern, was sie nach der Pause erwartete und dann klingelte es schon. Es wäre viel sinnvoller gewesen, bis zum Pausengong die Kinder erzählen zu lassen, wie sie die Geschichte finden. Ich musste nach der Pause sowieso alles noch einmal erklären. So habe ich durch die Erklärung vor der Pause fünf Minuten verschenkt. Andernfalls hätte ich möglicherweise jedes Kind etwas sagen lassen können, und hätte automatisch die zwei Schüler mit den gelben Kärtchen gehört.
In der Pause legte ich die verschiedenen Aussagen auf die fünf Gruppenarbeitsplätze und erklärte noch einmal, das, was zu tun war. Da wir insgesamt fünf erwachsene Personen waren, konnte je eine „Lehrkraft“ zu einer Gruppe gehen und diese unterstützen. Dies war auch absolut notwendig, da die Kinder zuvor noch nie ein Theaterstück gespielt hatten. Letztendlich war die ganze Szene folgendermaßen: Ein Kind ließt die Aussage der Sprechblase vor, das Kind das Simon oder Kidane spielt, antwortet darauf, eventuell antwortete der erste Sprecher noch einmal darauf. Das hört sich jetzt sehr wenig an. Man darf aber nicht vergessen, dass die Kinder keinerlei Erfahrung hatten und erst sieben oder acht Jahre alt sind. Außerdem haben sie nur circa 15 Minuten für die ganze Planung und das einstudieren Zeit gehabt. Ich hatte keinerlei Vorstellung darüber, wie das ganze funktionieren wird. Ich muss sagen, ich war begeistert! Die Kinder waren so voller Freude, jede Gruppe bekam einen riesigen Applaus. Sie haben sich gemeinsam als Gruppe in die Lage von Simon und Kidane hineinversetzt und das auch noch zum Ausdruck gebracht. Das, was ich mir vorgenommen habe, hat also funktioniert. Es hat mir wirklich sehr gefallen. Das Highlight für mich, was ich nie vergessen werde, war, als wir mit den Präsentationen fertig waren, und ich weiter machen wollte, dass alle Kinder „Zugabe“ geschrieen haben. Das zeigte mir, wie sehr ihnen das Theater gefallen hat.
Als letzten ruhigen Teil legte ich eine Meditations-CD ein und breitete buntes Papier aus. Die Schülerinnen und Schüler kamen nach vorne, und was mich wieder wunderte, stellten sich ruhig an, um zu warten bis sie an der Reihe waren, um sich ein Blatt auszusuchen. Nachdem ein Kind sein Blatt, wessen Farbe es sich selbst aussuchen durfte, geholt hatte, ging es auf seinen Platz und begann, den Brief an Simon zu schreiben. Viele der Kinder verwendeten die von mir vorbereiteten Satzanfänge und schrieben dann aber wirklich schöne Sachen. Diese letzten zehn Minuten waren extrem ruhig und auch ich hatte jetzt endlich die Möglichkeit meine Gehetztheit abzulegen und „runter zu kommen“. Den Kindern beim Schreiben zuzusehen, wie sie völlig konzentriert und eifrig einen Brief an Simon schreiben, war für mich ein besonderes Erlebnis.
Als ich den Kindern erklärte, dass sie jetzt einen Brief schreiben werden, erwähnte ich, dass ihnen Simon eventuell einen Brief zurück schreiben wird. Daraufhin kamen viele Ausrufe wie „ja, gibt es denn den wirklich?“. Es war bis zu diesem Zeitpunkt tatsächlich nicht klar, dass die Geschichte real ist. Wenn ich die Stunde wieder einmal halte, was ich auf jeden Fall machen werde, werde ich dies gleich zu Beginn noch viel mehr betonen. In den Briefen betonten die Kinder vor allem wie gut sie Simons Verhalten finden, dass sie auch gerne Fußball spielen und, dass sie ihn gerne kennen lernen möchten. Viele malten außerdem noch Bilder. Alle Kinder, sowohl die Starken, als auch die Schwachen schrieben viele Dinge. Das war für mich auch sehr wichtig, dass jedes Kind an seinem Platz abgeholt wird, und nicht überfordert wird. Ich denke das ist mir ganz gut gelungen!
Bei der ganz kurzen Reflexion betonten die Schülerinnen und Schüler noch einmal wie sehr ihnen das Theaterspielen Spaß gemacht hat.
Die Lernprozesse, die ich während der Stunde beobachten konnte, waren die Folgenden: Die Kinder haben Simons Handeln alle für gut befunden und verstanden, dass das nicht selbstverständlich ist. Die Schülerinnen und Schüler waren immer bei der Sache und haben sich nicht ablenken lassen. Ich vermute, dass die Schüler nun wissen, dass sie selbst Ähnliches leisten können.
Das Theaterstück könnte man möglicherweise mehr ausbauen, eventuell sogar mit einer Aufführung vor den Eltern am Ende. Außerdem muss ich mehr betonen, dass es Simon Urlberger und Kidane wirklich gibt. Am besten wäre es, wenn ich für diese Thematik kein Zeitlimit hätte. Die Schüler waren beispielsweise noch richtig in das Schreiben des Briefes vertieft, ich musste aus zeitlichen Gründen aber abbrechen. Vor dem Schreiben des Briefes wäre es möglicherweise auch eine Idee, mit der ganzen Klasse Fragen an Simon zu sammeln, die die Kinder dann in den Briefen formulieren könnten.
Als alternative Person für einen Lernprozess in dieser Klasse wäre eine jüngere Person, eventuell ein Jugendlicher mit 13 Jahren beispielsweise aus dem Verein, möglich.
M5: Materialien
Text auf Sprechblasen als Grundlage für das szenische Spiel
- Was würdest du ohne Simon machen?
- Wieso bleibst du nicht einfach noch eine halbe Stunde länger auf dem Sofa liegen? Du hast ja fast keine Ruhe mehr!
- Du fährst 68 km nur, um jemanden zum Fußballtraining abzuholen? Das ist ja dumm!
- Wie findest du es, dass Simon dich zweimal in der Woche zum Fußballtraining fährt und dafür 68 km fahren muss?
- Simon, ich finde, dass das sehr nett von dir ist. Es ist nicht selbstverständlich, dass man so etwas macht
Satzanfänge für Brief
- Was ich nicht ganz verstehe, ist...
- Ich finde es eher komisch, dass...
- Ich finde es super, dass...
- Durch unser Theater habe ich besser verstanden, dass...