Leberfing, Reinhard
Thema: Ehrenamt, Eigeninitiative, Freiwilligendienst, Nächstenhilfe
M1: PNP, 16.09.2022, Nr. 214, S. 32
Die Prioritäten haben sich geändert
Bevor Schützenhilfe-Chef wieder auf der Wies‘n arbeitet, übernimmt er noch Wocheneinkauf für Bedürftige
von Carmen A. Laux
Während im Raum Vilshofen die Volksfestsaison zu Ende gegangen ist, geht sie für den Vilshofener Reinhard Leberfing erst los: Nach zwei Jahren Wies‘n-Pause macht er wieder seinen Stand im Schützenfestzelt auf.
"Die Unterkunft für uns haben wir, auch sonst ist alles organisiert. Allerdings war die Personalsuche extrem schwierig", erzählt der 62-Jährige. Um die 20 Mitarbeiter braucht er für seinen Feinkoststand. Doch angestammtes Personal hätte wegen Corona teils die Branche gewechselt, teils keinen Urlaub eingereicht, da lange nicht feststand, ob das Oktoberfest überhaupt stattfindet. Und die Studenten, die auch immer mal gejobbt haben, sind nach zwei Jahre Online-Uni nicht mehr präsent. "Auf der Wies‘n zu arbeiten ist halt ein Saisonjob für 16 Tage – da darf man nicht erwarten, dass alle nach so langer Auszeit parat stehen", weiß Reinhard Leberfing, sagt aber auch: "Das ist alles kein Grund zu Jammern. Ich bin dankbar, dass ich seit 25 Jahren hier arbeiten darf."
Dazu gekommen ist er wie die Jungfrau zum Kind: "Ich habe mit Gastro nichts am Hut, mag keine Menschenmassen. Aber als ein Bekannter erfahren hat, dass ein Brotzeitstand zu haben ist, bin ich eingestiegen. Das war idealistisch und anfangs habe ich keinen Cent verdient", fasst der Alkofener zusammen. Längst liebt er das Oktoberfest: "Es ist einfach etwas ganz Besonderes."
Den Verdienstausfall der letzten zwei Corona-Jahre sieht der 62-Jährige, der im richtigen Leben Krankenversicherungen verkauft hat, mittlerweile als Gewinn. Denn: "Ohne Corona gäbe es unsere Schützenhilfe nicht."
Den Verein hat Reinhard Leberfing während der Pandemie mit Menschen gegründet, die auch irgendwas mit der Wies’n zu tun haben. Für sie alle steht das Oktoberfest für Geselligkeit, das Schöne im Leben, Freude und Unbeschwertheit – und das wollte man an Menschen weitergeben, denen es nicht so gut geht. Schnell wurde eine Homepage gebastelt, auf der man virtuelle Maß kaufen kann, Motto: "Oane geht no". Die Spenden kamen und kommen zu 100 Prozent Kindern, Senioren, Familien in Not zugute. Auch Patenschaften kann man mittlerweile übernehmen. "Meine Prioritäten haben sich durch den Verein komplett verändert. Früher hatte ich weder Zeit, noch den Blick für Menschen am Rande der Gesellschaft. Heute ist es eine Bereicherung für mich, helfen zu dürfen."
Das Engagement des Vereinsvorsitzenden geht inzwischen weit über Spendenaktionen hinaus: Regelmäßig besucht er Senioren im Windorfer Altenheim, ratscht mit ihnen, bleibt auf Kaffee und Kuchen, hört zu. "Diese alten Menschen haben so viel erlebt und so viel zu erzählen. Da hört man sich Geschichten auch fünfmal hintereinander an", sagt der 62-Jährige und lacht. Und damit nicht genug: Die Schützenhilfe organisiert auch Besuche und Ausflüge für die Altenheimbewohner, damit sie ein wenig Abwechslung in ihrem Alltag haben. "Wir machen uns viel zu selten bewusst, dass die Rentner in oft schweren Zeiten mit ihrer Arbeit erst unseren Wohlstand ermöglicht haben. Deswegen verdienen sie solch vergnügliche Auszeiten." Und so haben erst jetzt wieder Schützenhilfe-Mitglieder und -paten eine Rollstuhlgruppe aus Windorf zum Flugplatz-Restaurant geschoben, wo es Kaffee, Kuchen und Eis gab. Begleitet wurde der Ausflug vom Pflegepersonal des Seniorenheims. "Nicht nur die Senioren haben es genossen, mal wieder rauszukommen , auch die Schieber waren dankbar für diesen gemeinsamen Tag." Eine Neuauflage soll es auf jeden Fall geben – nach der Wies‘n.
Gleiches gilt für die Großeinkäufe im Supermarkt: "Seit einiger Zeit helfen wir Familien in der Region, die es aufgrund der aktuellen Situation finanziell einfach nicht mehr schaffen, genügend Lebensmittel zu kaufen", erklärt der Alkofener. Zusammengearbeitet wird diesbezüglich mit der Tafel. Und jeder Großeinkauf bestätigt dem Alkofener, wie existenziell wichtig inzwischen eine derartige Unterstützung ist. "Den Kindern sagen zu müssen, dass es wieder mal nur Nudeln mit Ketchup gibt – so etwas zu hören, macht mich unglücklich." Und so holt der Alkofener immer öfter Familien ab, erledigt mit ihnen den Wocheneinkauf und zahlt an der Kasse dank der Spenden an die Schützenhilfe.
Rund zwei Jahre gibt es jetzt den Verein, knapp 190000 Euro wurden schon gesammelt, die 200000 Euro-Marke will man heuer noch knacken. Dazu soll auch ein Sponsorenlauf in Zusammenhang mit dem Oktoberfest beitragen: "Frank Reichelt aus Deggendorf läuft die 154 Kilometer auf die Theresienwiese", erzählt Reinhard Leberfing. Rund 26 Stunden wird der Ultramarathonläufer unterwegs sein, bis er im Schützenfestzelt einläuft.
M2: Bilder von Reinhard Leberfing und der Schützenhilfe
M3: Didaktische Impulse
1. Wer ist Reinhard Leberfing? Erstelle eine Mind-Map zu seiner Person und berücksichtige dabei besonders die verschiedenen Aspekte und Bereiche seiner Tätigkeiten.
2. Formuliert verschiedene Fragen an Reinhard Leberfing und sammelt diese an der Tafel: Was wollt ihr von ihm wissen? Worüber möchtet ihr noch mehr erfahren? Was habt ihr noch nicht genau verstanden?
3. Gibt es auch in eurem Umkreis ähnliche Hilfsprojekte? Wenn ja, welche sind diese? Recherchiert dazu im Internet.
4. Der Schützenverein von Reinhard Leberfing hat insgesamt schon über 190 000 Euro Spenden gesammelt. Findet euch in Kleingruppen zusammen und überlegt gemeinsam: Für welche(n) Bereich(e) würdet ihr so viel Geld spenden? Begründet eure Überlegungen und gestaltet ein Plakat, das eure Motivation und Gedanken veranschaulicht. Im Anschluss könnt ihr im Format eines Gallery-Walks die Ideen der anderen Kleingruppen kennenlernen und gemeinsam ins Gespräch kommen.