Küche ohne Dach
Thema: Armenhilfe, Ehrenamt, Eigeninitiative, Hilfsbereitschaft, Solidarität
M1: PNP, 08.06.2023, Nr. 130, S. 23
Vier Studentinnen und eine ganz besondere Idee
„Küche ohne Dach“ – ein ehrenamtliches Projekt für Menschen, die sonntags eine warme Mahlzeit benötigen
Von Alina Stiepan
Jeden Sonntagnachmittag weht leckerer Geruch durch die Küche der Bahnhofsmission. Es duftet nach frischer Zitrone, paniertem Fisch und den unterschiedlichsten Gewürzen. Vier Studentinnen schälen Kartoffeln, kochen und richten Teller an. Das alles für ihr Herzensprojekt: „Küche ohne Dach“. Hier bekommen Bedürftige in Passau sonntags zwischen 16 und 17 Uhr eine warme Mahlzeit geboten. Seit mittlerweile einem Jahr kochen Stefanie Simmert, Veronika Fuchs, Johanna Bergmeier und Lina El Shabrawy für ihre Gäste. Die Bahnhofsmission stellt ihnen hierfür ihre Räume zur Verfügung. Ebenso ist Angi Leitl-Weber, die Einrichtungsleiterin der Caritaseinrichtung, immer Ansprechpartnerin für die Köchinnen. Sie werden bei dem Projekt nicht alleingelassen.
„Die Idee für das Projekt entstand bei einem ganz normalen Grillabend mit unseren WGs“, erklären die Gründerinnen Stefanie und Lina, während sie ein paar Spritzer Remoulade auf Teller verteilen, „wir waren gerade selbst dabei zu essen, als Obdachlose zu uns kamen und nach einer kleinen Portion fragten.“ Für die beiden war sofort klar, dass hier etwas getan werden muss. „Meine Mitmenschen liegen mir sehr am Herzen, weshalb mich dieser Anblick unfassbar traurig machte“, erinnert sich MuK-Studentin Stefanie.
„Der Luxus eines für uns banalen Mittagessens“
Zusammen mit ihrer Nachbarin Lina entschied sie sich daher, daran etwas zu ändern. „Wir wollen, dass auch Bedürftige die Möglichkeit haben, sich den Luxus eines für uns banalen Mittagessens leisten zu können“, erklärt Lina und verteilt Ofenkartoffeln auf die Teller.
Da es vorher an Sonntagen wenige kostenlose Essensoptionen für Bedürftige gab, legten sich die zwei Studentinnen auf diesen Tag fest. Wichtig ist ihnen, komplett ehrenamtlich zu arbeiten, weshalb das ganze Essen von Spenden finanziert wird.
Über diese Spenden freuen sich die Studentinnen immer wieder sehr, denn der Ansturm ist in der vergangenen Zeit immer größer geworden. „Ich erinnere mich noch an die ersten Sonntage – es waren so knapp acht bis zehn Leute hier und wir dachten schon, unser Projekt wird vielleicht doch nichts, weil einfach kein Interesse besteht“, erzählt Stefanie. „Doch auf einmal standen da an die 20 Menschen vor uns und warteten auf eine Portion warmen Essens“, führt Lina fort. Deshalb freuen sich die beiden sehr über die Unterstützung ihrer zwei Mitbewohnerinnen Johanna und Veronika. Mit ihrer Hilfe können sie die Arbeit oft auf Zweier-Teams aufteilen.
Das Fett spritzt aus der Pfanne, als Stefanie den nächsten Backfisch wendet. „Wir denken uns jede Woche neue Rezepte aus, die wir kochen möchten“, erklärt sie und reicht Johanna den Pfannenwender. „Anfangs wollten wir diese auf vegetarische Gerichte beschränken, aber im Endeffekt ist es jetzt doch traditionell bayrisches Essen geworden“, sagt Jura-Studentin Johanna und hebt den ersten Fisch auf einen der Teller. „Kommen kann jeder, der eine warme Mahlzeit am Sonntag braucht – die Person muss nur angemeldet sein, da wir eine strikte Strichliste führen, um alles gut im Blick zu haben.“
Mittlerweile ist es kurz vor 16 Uhr und die vier Studentinnen treffen die letzten Vorbereitungen. Eine Zitrone auf jeden Fisch, ein Glas Leitungswasser neben jeden Teller und die Kaffeemaschine anschalten. „Uns ist es wichtig, dass sich die Leute hier wohlfühlen – viele kommen oft einfach nur, um sich zu unterhalten“, sagt Lina.
Der persönliche Austausch mit den Gästen und auch die Gespräche zwischen ihnen seien das „Herzstück“ des Projekts. Die vier Studentinnen wollen ein Miteinander auf Augenhöhe schaffen, „denn für uns sind das keine Bedürftigen, sondern ganz normale Gäste, die alle ihre eigene individuelle Geschichte mit sich tragen“, sagt Veronika und befüllt das letzte Glas mit Wasser.
Um Punkt 16 Uhr öffnen sich die Türen der „Küche ohne Dach“ und die Hälfte der für heute 22 angemeldeten Gäste kommt herein. Eine halbe Stunde dürfen sie hier ihr Essen genießen, dann kommen die nächsten Gäste.
Ein extra „Hanuta“ gegen Traurigkeit
„Hallo! Na, wie geht es euch?“, begrüßt Veronika ein junges Paar. „Ach, heute das Essen lieber to go?“, erkundigt sich Johanna an einem anderen Tisch. Stefanie und Lina bringen die ersten Teller nach draußen und nehmen sich ebenfalls für jeden der Gäste ein bisschen Gesprächszeit. Einer der Männer scheint heute traurig zu sein, weshalb er sogar noch ein extra „Hanuta“ für bessere Laune bekommt.
„Wir haben nicht nur unfassbar gut gelernt mit Stress umzugehen, mittlerweile sind auch unsere Berührungsängste weg“, sagt Stefanie und schmeißt die leere Hanuta-Verpackung in den Müll, „all das hilft uns natürlich auch bei unserer persönlichen Entwicklung, weshalb das Projekt für uns selbst auch super bedeutend ist.“
Bei „Küche ohne Dach“ wird auf jeden Gast Rücksicht genommen und so ungezwungen wie möglich ein familiäres Ambiente kreiert. Deshalb darf es auch mal eine Extraportion Ofenkartoffeln oder ein bisschen mehr Milch im Kaffee sein. „Solange wir von allem genug da haben, kann jeder essen bis er rundum satt und zufrieden ist“, lacht Johanna und verteilt die letzte Portion des heutigen Essens.
Es ist 17 Uhr. Die Türen der „Küche ohne Dach“ schließen für heute wieder. „Bis zum nächsten Mal“, ruft Lina dem letzten Gast zu, bevor ihre Freundinnen und sie nach Hause gehen. In einem sind sie sich einig: „Egal wie stressig das Ganze hier manchmal ist, das Lachen auf den Gesichtern und jedes noch so kleine Danke motiviert uns weiterzumachen und unsere Herzen für Menschen zu öffnen, die es einfach nicht so leicht haben wie wir.“
Um das Projekt weiterführen zu können, sind die Frauen auf Spenden angewiesen. Das Konto lautet:
Caritasverband f.d. Diözese Passau e. V., Kennwort: „ Küche ohne Dach“, Liga-Bank, IBAN: DE42 7509 0300 0004 3046 16, BIC: GENODEF1M05
M2: Die vier Studentinnen des Projekts "Küche ohne Dach"
M3: Didaktische Impulse
1. Lies dir den Text über die "Küche ohne Dach" genau durch. Arbeite heraus, wie die Studentinnen die Idee für das Projekt bekommen haben.
2. Informiere dich genauer über die Arbeit der Tafel in deiner Umgebung und erstelle Verknüpfungen zum Projekt "Küche ohne Dach".
3. Stellt euch vor ihr trefft die vier Studentinnen. Was interessiert euch an ihrer Arbeit? Überlegt welche Fragen ihr ihnen stellen könntet (z.B Welchen Eindruck habt ihr von den Menschen, die sich Lebensmittel bei der Tafel abholen?)
4. Das Projekt "Küche ohne Dach" finanziert sich durch Spenden. Sammelt Ideen, wie ihr als Klasse einen Beitrag leisten könntet.
M4: PNP, 17.06.2024, Nr.138, S.21
Mahlzeiten für Bedürftige
„Küche ohne Dach“: Einem Passauer Herzensprojekt geht das Geld aus
von Johannes Munzinger
Ein „ganz normaler Grillabend“ gab die zündende Idee für ein Passauer Herzensprojekt. Die Studentinnen Lina El Shabrawy und Stefanie Simmert waren gerade am Essen, als ein Obdachloser nach einer Portion fragte. Die Szene rührte die beiden derart, dass sie ehrenamtlich tätig werden wollten.
Denn sie hatten eine Lücke entdeckt: Angebote für arme Mahlzeiten für Bedürftige waren an Sonntagen rar gesät. Also riefen sie im Juli 2022 in Zusammenarbeit mit der Bahnhofsmission der Caritas das Projekt „Küche ohne Dach“ ins Leben. Doch jetzt steht es vor einem leeren Geldtopf.
Lina El Shabrawy leitet das Projekt weiterhin. Ihre Mitgründerin lebt nicht mehr in Passau, doch trotz dieses Weggangs ist das Team gewachsen: Lukas Holbeck, Kim Scheffler, Clara Beckmann-Petey, Ramona Hell, Johanna Bergmeier und Veronika Fuchs – allesamt Studenten – kochen mit El Shabrawy in abwechselnder Besetzung jeden Sonntag in der Bahnhofsmission. Woche für Woche treten sie um 14 Uhr ihren Küchendienst an, bis 17.15 Uhr verköstigen sie rund 20 Bedürftige, aufgeteilt in zwei Runden: eine um 15.30 Uhr, eine um 16.30 Uhr.
Stammgast Franz: „Das Projekt ist eine Bereicherung für die Stadt“
Die meisten sind Stammgäste. Ein Mann im mittleren Alter winkt durch das Küchenfenster. „Franz, grüß dich!“, ruft Lina El Shabrawy. „Nimm Platz!“ Keine fünf Minuten später hat er eine Mahlzeit vor sich. Heute: Schnitzel mit Kartoffelsalat. „Eine super Sache“, sagt Franz. „Es gibt so viele, die wenig bis nix haben. Das Projekt ist eine Bereicherung für die Stadt.“
Samstags erledigt das Team die Einkäufe, die Rechnung wird Angelika Leitl-Weber vorgelegt, die Leiterin der Bahnhofsmission gibt diese dann an die Caritas weiter. Ihre Zeit und Arbeitskraft setzt das Team kostenlos ein.
Ein Jahr ist seit dem letzten Besuch der PNP in der „Küche ohne Dach“ vergangen. Ein Besuch, von dem das Projekt bis heute zehrt − bzw. gezehrt hat. Mehrere Tausend Euro kamen damals über einen Spendenaufruf zusammen. „Davon haben wir bis jetzt gelebt“, sagt Lina El Shabrawy. Doch die vergangenen zwölf Monate haben das Budget buchstäblich aufgefressen. Wie lange reicht der Spendentopf noch? El Shabrawy lacht. „Bis vor zwei Wochen.“ Die jüngsten Mahlzeiten übernahm die Caritas von sich aus.
Doch das Überleben der „Küche ohne Dach“ ist nicht vollständig gesichert, solange es nicht wieder aus seinem eigenen Topf schöpfen kann. „Jetzt hoffen wir, dass die Spendenbereitschaft in Passau wieder so groß ist wie im letzten Jahr“, sagt die Gründerin.
Bahnhofsmissionsleiterin Angelika Leitl-Weber möchte die dachlose Küche nicht mehr missen. „Das Projekt hat sich wunderbar etabliert und ist eigentlich nicht mehr wegzudenken, es gab vorher wirklich eine Lücke in der Versorgung Bedürftiger am Sonntag. Es ist wichtig, dass es weitergehen kann.“
Spendenkonto
Wer für die „Küche ohne Dach“ spenden möchte, kann auf das folgende Konto überweisen (wobei das Kennwort nicht vergessen werden sollte, damit das Geld direkt für das Projekt verwendet werden kann):
Caritasverband für die Diözese Passau e.V.
LIGA-Bank
IBAN: DE42 7509 0300 0004 3046 16
BIC: GENODEF1M05
Kennwort: „Küche ohne Dach“