Hirtreiter, Franz Xaver
Thema: Armenhilfe, Eigeninitiative, Solidarität, Sozialarbeit
M1: PNP, 17.06.2023, Nr. 137, S. 3
Ein Möglichmacher hilft Afrika
von Stefan Rammer
Wenn Franz Xaver Hirtreiter von Kilimahewo, Kisegese, Kihiraka, Imilihawa oder der Abtei Ndanda erzählt, leuchten seine Augen, fließen die Worte nur so aus ihm heraus. Wenn der gelernte Journalist dazu die Bilder zeigt von Kindern mit großen funkelnden Augen und strahlend weißen Zähnen, die neugierig, fröhlich, aber auch nachdenklich, bisweilen flehend in die Kamera blicken, versteht man, warum dieser Unternehmer, Manager, Macher und Antreiber, wohnhaft im oberösterreichischen Freinberg bei Passau, seine Lebenskraft in sein Afrikaprojekt steckt. So wie er ein Zeitungshaus oder seine Betriebe geführt hat, agiert er jetzt in Tansania.
Seit genau fünf Jahren treibt der gebürtige Mitterfelser (Landkreis Straubing-Bogen) unermüdlich zusammen mit seiner Frau Mareen sein Projekt „Hakuna Matata – Mission possible“ in Kilimahewa voran. Er ist ein Netzwerker geblieben, einer, der Strukturen schafft und festigt, nur dass er mittlerweile nicht mehr in eigene Firmen investiert, sondern in die gemeinnützige GmbH „Future for Children“. Aus der Hilfe für ein Dorf ist mittlerweile die Unterstützung für weitere Orte geworden. Zwei Millionen Euro an Spenden hat er gesammelt, allein im letzten Jahr waren es 700 000 Euro. Geld, das er einsammelt, wenn er bei Vorträgen seine drei Bücher, die vom Projekt erzählen, verkauft (bislang 20 000 Stück zu je 20 Euro), und wenn er durch die Bilder über den Fortschritt seiner Aktivitäten Spender akquiriert, von denen Einzelne schon mal 100 000 Euro in Hirtreiters Hände legen, der damit in Kilimahewa etwa eine Schreinerei mit neuesten Maschinen der Firma Felder aus Tirol aufbaut, oder wenn er mit der Spende des Autohauses Niedermayer in Neukirchen bei Straubing und der Einhornapotheke Straubing ein kleines Krankenhaus in Kisegese eröffnet.
Der Vilshofener Architekt Tilman Ott, der neben dem einst aus dem Kloster Schweiklberg entsandten Pater Markus Forster stark eingebunden ist in das Tansania-Engagement, zeichnet bereits die Pläne für eine Frauenstation in Kisegese mit 15 Betten, die folgen soll. Gerade ist dort auch ein kleiner Kindergarten entstanden. Die Pöschl Familienstiftung aus Landshut hat das Geld gegeben und war von dem Ergebnis so begeistert, dass sie spontan auch noch die Erweiterung der Schule um zwei Klassenräume finanziert.
Mit Hilfe der Zollner Electronic AG und der Rosenium GmbH von Dr. Siegfried Schmidbauer aus Neureichenau (Landkreis Freyung-Grafenau) hat er ein Bewässerungsprojekt in der Stadt Njombi am Malawi-See gestemmt. Die dort lebenden 400 Benediktinerschwestern können nun auf 2300 Meter Höhe unter anderem sehr guten Tee und Kartoffeln anbauen. Ein Tiefbrunnen pumpt stündlich 8000 Liter Wasser in Hochbehälter, von denen das Wasser in Tropfschlangen auf zunächst zehn Hektar große Felder gehen.
Für die Erfüllung eines persönlichen Gelübdes hat Hirtreiter selbst in seinen Geldbeutel gegriffen. Aus Dankbarkeit, dass seine Familie schwere Krisen gut überstanden hat, hat er eine Kirche gebaut. Das Dorffest zur Einweihung von Kindergarten, Kirche und Schule, das er dort mitfeiern durfte, nennt er „unvergesslich“.
Wie retten wir Leben? Diese Frage beantwortet er immer wieder von Neuem. Es ist beinah unglaublich, wie vielfältig die Aktivitäten sind. Die Spenden – egal ob klein oder groß – kommen eins zu eins an. Hirtreiter kann jeden Euro, den er ausgibt, belegen. „Transparenz ist das A und O“, sagt er. Er legt offen, was in fünf Jahren geschehen ist. Er hat zunächst Straßen in den Busch gebaut, Tiefbrunnen bohren lassen, dann kamen Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser, Maschinen dazu. Dazu gab es vom Kinderklinikum Passau mit Chefarzt Matthias Keller an der Spitze neben Expertise etwa Kinderkrankenbetten, ebenso vom stillgelegten Waldkirchner Krankenhaus, dazu Ultraschall- oder Röntgengeräte, Wehenschreiber aus den bayerischen Kliniken. Von den Barmherzigen Brüdern in Regensburg stammen zwei OP-Säle. Die Bill-Gates-Stiftung liefert die Medikamente für die vielen aidskranken Mütter und Kinder, ein eigenes Labor konnte dazu eingerichtet werden. Zu einem Leuchtturmprojekt wird gerade eine Schule der Benediktinerinnen für sieben Jahrgangsstufen samt Internat. Hirtreiter übernimmt hier für die Ärmsten der Armen das mit 900 Euro für tansanische Verhältnisse überaus üppige Schulgeld, damit in der künftigen Bildungselite auch die ärmeren Schichten vertreten sind.
Hirtreiter, der einst als Chef für 750 Beschäftigte verantwortlich war, hat nun wieder 500 Menschen Arbeit und damit Lohn und Brot gegeben. Warum macht er das? „Wir retten Leben, helfen den Menschen, eine Zukunft zu haben, aber wir schützen uns auch selbst in Europa.“ Den Menschen, die ihn zum Vortrag einladen, die ihm zuhören, sagt er: „Habt ihr schon einmal daran gedacht, was passiert, wenn sich nicht wie jetzt 600000 Flüchtlinge pro Jahr auf den lebensgefährlichen Weg nach Europa machen, sondern 20 Millionen Afrikaner? Wer hält die auf? Mit welchen Mitteln? Wie würde sich unser Leben verändern?“
Für den 67-Jährigen gibt es nur einen Weg, das zu vermeiden: die Hilfe vor Ort. „Geben wir ihnen Wasser, Medizin und Bildung – und sie sind in ihrer Heimat glücklich und keiner flieht. Mit Kindergärten und Schulen schaffen wir die Basis für gebildete Afrikaner. Und gebildete Afrikaner bekommen keine 14 Kinder mehr! Das rettet unseren Planeten, nicht ein Dieselfahrverbot in Stuttgart“. In Kilimahewa leben mittlerweile 9000 Menschen, sie haben Kindergärten, Schule, Klinik und Brunnen, niemand denkt mehr an Flucht. Für diejenigen, die sich den einen Dollar Kindergartengeld pro Monat nicht leisten könnten, von 400 Kindern in Kilimahewa zum Beispiel sind das 175, wird er als Gutschein gespendet. Die Mütter stehen Schlange dafür. Ihre Kinder erhalten nicht nur Betreuung, sondern auch nahrhaften Maisbrei, das einzige Essen am Tag. „Sattessen, das ist oft das größte Glück für die Menschen“, weiß Hirtreiter.
17 Jahre ist das Durchschnittsalter in Tansania, eine Bevölkerungsexplosion von unvorstellbarem Ausmaß ist im Gange. 14-Jährige, so Hirtreiter, wissen nicht, wie man Kinder bekommt, und haben nach wenigen Jahren gleich eine Handvoll davon. „Hier müssen wir ansetzen, mit Bildung und Wissen dafür sorgen, dass ein Leben in Afrika möglich wird.“ Auf die deutsche Politik will Hirtreiter sich nicht verlassen. Er berichtet von kaum glaubhaften Vorgängen in der deutschen Botschaft, wo er, angeregt von einer von ihm wegen seines Engagements begeisterten Mitarbeiterin, um 10 000 Euro für ein Brunnenprojekt angefragt hat. Schier unglaubliche Bürokratiehürden und größtes Misstrauen in seine Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit hätten ihn schnell wieder davon abgebracht, Hilfe beim deutschen Staat zu suchen. „Im Vergleich zu dem Entwicklungsland Tansania leben wir in Sachen Digitalisierung eh im Mittelalter“, betont Hirtreiter. „Welches Image könnten wir uns verschaffen!“
Und richtige Zornesröte steigt ihm ins Gesicht, wenn er von seiner letzten Afrikareise berichtet, wo er am Malawi-See Unmengen an großen Lkws beobachtet hat, die – wie er recherchiert hat – von einer Mine weg Steinkohle 700 Kilometer zu einem Hafen in Mosambik transportieren. Über den Suez-Kanal und das Mittelmeer wird die Kohle nach Bremerhaven verschifft und vom deutschen Staat für teures Geld bezahlt. „Das Geld geht nicht in afrikanische Hände, sondern in chinesische.“
China hat die Mine gekauft. „Wir überlassen Afrika den Chinesen, die es gnadenlos ausbeuten, Kredite mit viel zu hohen Zinsen vergeben. Und unsere Grünen schließen die Atomkraftwerke und zahlen den Chinesen viel Geld für Kohle, die Tausende von Kilometern auf klimaschädlichste Weise zu uns transportiert wird. Ein einziger Irrsinn.“
Da packt Hirtreiter lieber selber an, fährt mittlerweile 3800 Kilometer, um auf einer Tour all die Orte und Partner seiner Projekte zu besuchen und oft spontan vor Ort Probleme zu lösen. Tausende Menschen müssen mittlerweile kein dreckiges, zu Typhusausbrüchen führendes Wasser mehr trinken, schwangere und gebärende Frauen müssen nicht mehr verbluten, weil es Geburts- und Wöchnerinnenstationen gibt, Hunderte von Kindergartenkindern und Schülern müssen nicht mehr draußen auf dem nackten Boden unterrichtet werden, sondern in Häusern mit in der eigenen Schreinerei gezimmertem Mobiliar. Die Dorfbevölkerungen haben Zugang zu Medikamenten und Fachpersonal und und und. Wo er hinschaut, packt er Probleme an. Hat er viele Bilder von lachenden, fröhlichen und dankbaren Menschen mitgebracht, so sind die letzten, die er zeigt, erschütternd. Man sieht unendlich traurig blickende Kinder. Kinder, gerade geboren oder einige Jahre alt, die im Wald gefunden, am Markt ausgesetzt wurden oder vom Sterbebett der Mutter weg zu den Schwestern in Imiliwaha gebracht wurden. Ein betonierter Innenhof, Gebäude und Gänge, die mehr einem Gefängnis gleichen als einem Kinderheim, keine Windeln, keine passende Kleidung, schlecht bezahlte, wenig motivierte Betreuer. So kann und will er es nicht bleiben lassen. Dafür sammelt er jetzt, weiß, er muss wieder wahrlich dicke Bretter bohren. „Wenn wir schon die Kosten des Waisenhauses übernehmen, dann muss es zu einem Vorzeige-Waisenhaus werden.“
Wer sich informieren oder spenden will: www.futureforchildren-bayern.de. Future for Children gGmbH Raiffeisenlandesbank Oberösterreich AG, Zweigniederlassung Süddeutschland IBAN DE63 7402 0100 0008 1219 15, BIC/SWIFT-CODE: RZOODE77XXX, Vermerk: „Spende“.
M2: Bilder von Franz Xaver Hirtreiter aus Afrika
M3: Didaktische Impulse
1. Lies dir den Text über Franz Xaver Hirtreiter genau durch und besprich im Anschluss mit einem/einer Partner/in, auf welche Art und Weise er sich in Afrika engagiert.
2. „Wir retten Leben, helfen den Menschen, eine Zukunft zu haben, aber wir schützen uns auch selbst in Europa“ - so äußert sich Franz Xaver Hirtreiter im oberen Artikel. Inwiefern lässt dieses Zitat eine Motivation für seine Hilfstätigkeit erkennen? Tauscht euch in Kleingruppen dazu aus.
3. Sammelt im Plenum Beispiele für Menschen in eurer Umgebung, die sich auch ehrenamtlich engagieren. Findet Gemeinsamkeiten oder Unterschiede zu Franz Xaver Hirtreiter und stellt diese anhand eines Plakats dar.