Himbert, Christina / Neumeier, Patricia
Thema: Ehrenamt, Nachhaltigkeit, Schöpfung
M1: PNP, 17.09.2022, Nr. 215, S. 49
Sie retten Lebensmittel, die man sonst wegschmeißt
Kampf gegen Verschwendung: In Hauzenberg sind Christina Himbert und Patricia Neumeier aktiv im Verein "Foodsharing"
von Helmut Preuß
Es geht um den Kampf gegen die Verschwendung. Ob Backwaren, Fleisch und Wurst, Fertigprodukte oder Getränke, viele Lebensmittel landen auf dem Müll statt auf dem Teller. Und das nicht zu knapp. Bundesweit werden rund elf Millionen Tonnen jährlich weggeworfen. Der Verein "Foodsharing" hat dieser Vergeudung den Kampf angesagt. Der Verein hat jetzt auch in Hauzenberg zwei junge Gesichter: Christina Himbert und Patricia Neumeier opfern viel Zeit und Energie, um unverdorbene Lebensmittel vor der Biotonne zu retten. Sie nennen sich "Foodsaver".
Es sei komplett widersinnig, argumentieren sie. Einerseits verbrauche man wertvolle Ressourcen für Produktion, Verarbeitung und Verpackung von Lebensmitteln. Man opfert Ackerland, Wasser, Saatgut und Energie und emittiert tausende Tonnen CO2 beim Transport. Und dann landet fast ein Drittel auf dem Müll, obgleich weltweit über 800 Millionen Menschen hungern und die Tafeln hierzulande den wachsenden Zulauf kaum noch bewältigen können.
Auch bei Volksfesten werden Speisen "gerettet"
Allein von Discountern, Lebensmittel-Einzelhändlern und bei Volksfesten in Deutschland werden jährlich rund 1,5 Millionen Tonnen weggeworfen.
Der Verein "Foodsharing", was soviel bedeutet wie "Essen teilen", setzt diesem Missstand ein Netzwerk von Idealisten entgegen. 2012 von einer Gruppe Engagierter um den Dokumentarfilmer Valentin Thurn in Köln begründet – er drehte den für die Szene heute noch wegweisenden Film "Taste the Waste" – hat die Bewegung heute deutschlandweit 107000 aktive "Foodsaver", die sich um Abholung und anschließende Verteilung der Lebensmittel kümmern. 37 000 Betriebe machen bereits mit, außerdem gibt es fast 11500 Kooperationspartner. Auch in Passau hat sich "Foodsharing" etabliert. Gegenwärtig sind dort 236 Saver, 18 "Schlafmützen" und eine so genannte "Botschafterin" aktiv, die bei über 1680 Einsätzen schon 8500 Kilo Lebensmittel vor der Tonne bewahrt haben.
Seit März des Jahres hat "Foodsharing" auch in Hauzenberg zwei junge Gesichter. Christina Himbert und Patricia Neumeier brennen dafür und sind in der Hierarchie über den "Foodsaver", den Betriebsverantwortlichen und den "Key account Manager" bereits zu Botschafterinnen aufgestiegen. Jetzt hoffen sie auf weitere Mitstreiter, aber auch auf helfende Firmen und Geschäfte.
Bezahlt allerdings wird dafür nichts. "Es ist alles komplett ehrenamtlich. Auch Spenden dürfen zum Beispiel bei öffentlichen ,Fairteilungen’ von Lebensmitteln nicht angenommen werden", sagt Patricia. Und das, obwohl "Foodsharing" die Lebensmittel bei kooperierenden Geschäften rund um die Uhr abholt, im Regelfall zu fest vereinbarten Zeiten.
Spontane Rettungsaktionen sind selten, kommen aber vor. "Erst kürzlich hat ein Betrieb sein Sortiment gewechselt. Die Ware wäre in der Tonne gelandet. Es wurde beim Betriebsverantwortlichen angerufen und wir haben dann am Samstag und Sonntag mit zwei Autos die Ware "fairteilt". "Da waren auch Lippenstift, Zahnpasta und Limo dabei", erzählt Christina. Ausgenommen seien aus hygienischen Gründen nur Hackfleisch, rohe Eier und Fisch. Die Mengen zu rettender Ware jedenfalls, so der Eindruck der beiden, nehme ständig zu. "Von Mal zu Mal ist das für uns erschreckender", sagt Christina. Es sind immer ganze Kofferräume voll.
Direkte Verträge mit den Firmen werden nicht unterzeichnet. Es gibt aber Rechtsvereinbarungen. Darin ist festgeschrieben, dass die Waren nicht weiterverkauft werden dürfen und der Betrieb nicht haftet, sollte es nach dem Verzehr zu Gesundheitsproblemen kommen. Die Waren selbst werden in den Läden meist kurz vor oder nach dem so genannten "Mindesthaltbarkeitsdatum" (MHD) aussortiert. Da es sich dabei aber nicht um das ultimative "Verbrauchsdatum" handelt – bei Medikamenten spricht man von "Verfallsdatum" –, sind die Lebensmittel auch nach dem MHD noch genießbar, teils auch Wochen später. "Wir müssen da unseren gHv einschalten (gesunder Hausverstand, Anm.d.Red.)", sagt Patricia. Wenn man Schimmel sehe, Gerüche wahrnehme oder sich ein Joghurt-Deckel schon wölbe, dann werde das Lebensmittel natürlich nicht weiter "fairteilt". Während ein Konsument aber zu Hause probieren und abwägen könne, habe der Handel damit ein Problem. Zwar dürfen die Waren auch nach Ablauf des MHD noch verkauft werden, sollte ein Produkt aus dem Regal aber ungenießbar sein, haftet der Händler, nicht mehr der Hersteller. "Und dieses Risiko wollen die Supermärkte meist nicht eingehen", erläutert Christina. Auch ist die Rettung für den Betrieb ein Kostenvorteil, spare er sich doch die teure Entsorgung und die arbeitsintensive Trennung der Speisen, etwa nach Pappe oder Biomüll.
Verein sucht "Saver" und kooperierende Firmen
Gerettet wird von "Foodsharing" sogar bei größeren Volksfesten, etwa der Passauer Maidult oder heuer auch der Hauzenberger Dult. "Wir gehen da hin und stellen uns vor. Etwa eine halbe Stunde vor Schließung geben wir dann unsere Behälter ab und holen sie so kurz vor Schließung mit den Speisen wieder ab", erzählt Christina. "Fast 80 Prozent der Lebensmittelstände lassen sich beretten". Lediglich bei kühlpflichtiger Ware müsse die Kühlkette sichergestellt werden. Deshalb haben die Foodsaver auch immer Kühlakkus und Kühltaschen dabei. Und so sei schon Brezen, Pizzaschnitten, Fischsemmeln, Obstspießen, Pulled-Pork, Würstln und Grillfleisch die Tonne erspart geblieben.
Mit den geretteten Waren werden meist die Tafeln versorgt. Auch die Bahnhofsmission gehört zu den Foodsharing-Kunden oder einzelne Privatleute, an die man die Lebensmittel kostenlos verteilen dürfe.
Christina und Patricia, die nach eigenen Angaben selbst bereits 230 beziehungsweise 319 Kilogramm gerettet haben, hoffen jetzt sowohl auf einen Zuwachs an "Savern" als auch an kooperierenden Betrieben. Sie können unter p.neumeier@foodsharing.network oder c.himbert@foodsharing.network gerne kontaktiert werden.
M2: Fotos zum "Foodsharing"
M3: Didaktische Impulse
1. Lies den Text genau durch und gib ihn anschließend in eigenen Worten wieder: Was ist unter dem Verein „Foodsharing“ zu verstehen?
2. Überlege gemeinsam mit einem*r Partner*in: Was genau machen die sog. Foodsaver und welche Motivation könnte hinter dem Engagement von Patricia Neumeier und Christina Himbert stecken?
3. Die Bewahrung der Schöpfung ist ein zutiefst christliches Thema. Inwiefern stehen Lebensmittel bzw. die Verschwendung von ihnen mit der Schöpfung und der Bewahrung der Erde in Zusammenhang? Findet gemeinsam Parallelen und Zusammenhänge heraus und veranschaulicht sie anhand einer Mind-Map.
4. Du bist gefragt: Wie kannst du selbst einen Beitrag dazu leisten, damit weniger Lebensmittel weggeworfen werden? Recherchiere verschiedene Tipps dazu im Internet und setze dir ein Ziel, das sich in deinem persönlichen Alltag realisieren lässt. Vielleicht hast du sogar Interesse daran, ein „Saver“ zu werden? Dann nimm Kontakt zu Patricia Neumeier und/oder Christina Himbert auf.