Eggert, Erika
Thema: Berufung, Glaubenszeugnis, Kloster
M1: PNP 12.10.2023, Nr.235, S. 31
Entscheidung für ein Leben im Kloster
Hab und Gut verschenkt, den Job gekündigt: Die 27-jährige Erika Eggert lebt im Zisterzienserinnenkloster in Thyrnau
Von Gudrun Wanninger
Thyrnau. Der Weg zu Gott führt durch eine kleine, weinrote Holztür. Das schmale Tor im prächtigen Portal des Thyrnauer Klosters lässt sich an einem Griff in Engelsform aufdrücken. Erika Eggert hat ihr Weg durch dieses Tor geführt. Erst war sie nur Besucherin, nun will sie bleiben. Ihr Hab und Gut hat sie verschenkt, den Job aufgegeben, die Wohnung gekündigt. Jetzt möchte die 27-Jährige Nonne werden.
„Schon mit 15 hat mich dieser Wunsch ganz kurz gestreift“, erzählt sie. In der Schule ging es um Partnerschaften und die künftige Berufswahl, Erika Eggert dachte ans Kloster. Dass sie den Wunsch erstmal nicht weiter verfolgte, hatte einen ganz praktischen Grund: „Ich war evangelisch“, sagt sie und ein verschmitztes Lächeln huscht über ihr Gesicht. Erika Eggert beließ es also beim Träumen. „Es gibt ja auch Träume, die Träume bleiben müssen – ich dachte, das wird wohl so sein.“
Und so führte ihr Weg sie über einen klassischen Ausbildungsberuf, nämlich zur Chemisch-technischen Assistentin, erst einmal aus ihrer Heimat, einer baden-württembergischen Kleinstadt, nach Hamburg. Erster Job, erste eigene Wohnung – aber eine Sehnsucht blieb.
Von ihrem Glaubensweg berichtet die 27-Jährige beim Treffen im Thyrnauer Kloster ganz entspannt. Wie es dann doch noch was wurde mit dem Katholizismus erzählt sie vergnügt und mit einer guten Portion an trockenem Humor. „Es war Pfingsten, ich war in Hamburg und ich wollte zwei Sachen: ausschlafen und in den Gottesdienst“, erinnert sie sich. Alles andere war zu früh am Morgen, so sei sie in der katholischen Spätmesse gelandet. „Die Anonymität in der Großstadt hat es mir leichter gemacht, diese Freiheit habe ich gebraucht“, sagt sie. Sie habe sich im katholischen Gottesdienst so gut und mit allen Sinnen aufgehoben gefühlt, dass sie dann regelmäßig kam. Von da an zeichnete sich ihr Weg immer mehr für sie ab; vor dreieinhalb Jahren konvertierte sie schließlich zum katholischen Glauben.
In ihrer Familie sei man darüber gar nicht so sehr überrascht gewesen, erinnert sie sich. Sie sei zwar zusammen mit ihrer Zwillingsschwester in der evangelischen Kirche aktiv gewesen, doch ihre Mutter, ebenfalls gläubig, habe schon geahnt, dass die Tochter sich in der katholischen Kirche mehr zuhause fühlen könnte. So war es – und mit der Firmung fing Erika Eggert auch wieder an, ihren Traum zu träumen. „Der Gedanke an ein Leben im Kloster ließ sich nicht mehr verdrängen“, sagt sie und spielt, während sie nachdenkt, an ihrer goldenen Halskette mit dem kleinen Kreuz. Ihre Familie, erzählt sie, habe ihr völlige Freiheit gelassen bei der Entscheidung. Im Sommer 2021 kam sie zum ersten Mal für eine Woche ins Zisterzienserinnenkloster nach Thyrnau. Wieso genau dorthin? Das Kloster in Thyrnau habe ihr schon bei der Google-Recherche gefallen, erzählt Erika Eggert und ist ganz offen: „Ich dachte, ich hole mir dort Bestätigung dafür, dass das doch nichts für mich ist – aber das Gegenteil ist passiert.“
Denn im Kloster Thyrnau war Erika Eggerts Suche nach dem richtigen Weg plötzlich beendet. Sie kündigte nach acht Jahren ihren Job in Hamburg, gab ihre Wohnung auf, verschenkte die Möbel an den Nachmieter und den Hausstand ans Sozialkaufhaus. Was übrig blieb, passte in zwei Reisetaschen. Ein paar Klamotten, Dokumente und drei Bücher habe sie mitgenommen, dabei war ihr Bücherschrank vorher gut gefüllt. Nun kam die Bibel mit, ein Buch mit Berufungsgeschichten und ein Lieblingsbuch. Jeglicher Krimskrams wurde aussortiert. „Mein Herz hing noch nie an Dingen oder Örtlichkeiten“, sagt sie. „Eigentlich war es eine Befreiung, alles los zu werden.“ Ihr Handy hat sie zwar behalten, doch es liegt fast immer ausgeschaltet in der Schublade.
Im Januar dieses Jahres zog sie in die Klausur ein, in ihre Zelle. Seitdem teilt sich ihre Welt in ein Drinnen und ein Draußen. Das Kloster verlässt Erika Eggert nur mit Erlaubnis der Äbtissin und lediglich für nicht vermeidbare Termine. Vier Tage Familienurlaub gibt es im Jahr und zwei weitere Wochen, die man in einem anderen Kloster verbringen kann. In Kontakt zu Familie und Freundinnen bleibt sie mit Briefen. Sie ist jetzt Kandidatin. Im Januar nächsten Jahres startet das Noviziat. Ganz in Weiß wird sie dann eingekleidet und auch ihr Name als Schwester wird wahrscheinlich ein anderer sein. Dass das für ihre Familie merkwürdig sein könnte, weiß sie. „Aber ich bleibe ja die Tochter und die Schwester, ganz egal, wie ich heiße.“
Der Verzicht auf die Gründung einer eigenen Familie sei für sie kein Problem, erklärt die junge Frau. Die Frage nach Kindern habe sich für sie nie gestellt, sagt sie und zuckt die Schultern. Ebenso sei es mit einer Partnerschaft. Ihr Blick wandert zu einem Holzkreuz an der Wand: „Dieser Platz ist schon besetzt“, sagt sie lächelnd. Ihr Vater und ihre Schwester seien schon zu Besuch gekommen, erzählt sie. „Und sie haben gemerkt, dass ich hier die Heimat gefunden habe, die ich mir immer gewünscht habe.“
Ihre Heimat ist jetzt ihre Zelle. Dort ist Platz für Schrank, Kommode, Bett, Stuhl, Schreibtisch und ein Waschbecken. „Schlicht war mir immer schon lieber“, sagt Erika Eggert dazu. Überhaupt, sagt sie, tue der Verzicht nicht weh. „Es ist nur eine Umstellung, der Lohn ist Zufriedenheit, In sich Ruhen, Angekommensein.“
Im Kloster Thyrnau lebt Erika Eggert nun mit acht Schwestern im Alter zwischen 61 und 94 Jahren. Der Altersdurchschnitt ist hoch, schließlich entscheiden sich nur noch wenige Frauen für ein Leben im Kloster. Nach Angaben der Deutschen Ordensobernkonferenz sind es vergangenes Jahr 48 gewesen. Bei den Thyrnauer Zisterzienserinnen spielt sich der Alltag komplett im Kloster ab. Selbst zum Einkaufen gehen die Schwestern, wenn es sich vermeiden lässt, nicht selbst. Fünf Gebetszeiten gliedern ab dem frühen Morgen den Tag. Gearbeitet wird in Küche, Wäscherei, Garten, Gästehaus oder in der Paramenten- und Fahnenstickerei.
Sie habe keine Zweifel daran, auf dem richtigen Weg zu sein, sagt Erika Eggert. Als sie am ersten Abend die Zellentür hinter sich geschlossen habe, sei es da gewesen, das Gefühl: Ich bin daheim. Sie hat das Draußen getauscht gegen das Drinnen. „Ich finde den Lebenssinn draußen nicht. Den finde ich hier“, sagt Erika Eggert. „Und wenn einem so ein Gefühl des Zuhauseseins geschenkt wird – dann bin ich doch ziemlich sicher, dass ich an dem Platz bin, an dem ich sein soll.“
M2: Bild von: Gudrun Wanninger
M3: Didaktische Impulse
M1: In dem Bericht wird von verschiedenen Stationen auf Erika Eggerts Weg berichtet. Arbeitet heraus, welche Begegenheiten und Überlegungen ihre Enscheidung, ins Kloster zu gehen, beeinflusst haben.
M2: Diskutiert in Kleingruppen darüber, wieso sich Menschen für ein Leben im Kloster entscheiden und weshalb dieser Lebensweg von immer weniger Menschen gewählt wird.
M3: Verfasst eine Textnachricht an Erika Eggert (Whatsapp, Facebook, E-Mail, etc.), in der ihr ihr eure Meinung zu ihrer Lebens- und Berufsentscheidung mitteilt. Geht in eurer Nachricht auch darauf ein, welche Elemente eine Lebens im Kloster (z.B. eheloses Leben, Dienst in der Kirche) für euch reizvoll wären und welche nicht.