Sie macht nicht viel Aufhebens um ihr Ehrenamt, das sie zweimal in der Woche ausübt. Dann nämlich, wenn sie den Zahnarztkittel in ihrer Praxis in der Kleinen Klingergasse gegen die Schürze in der Suppenküche tauscht: Seit über zwei Jahren ist die Passauerin Susanne Zizlsperger-Schmidt immer Montag und Donnerstag Vormittag bei der Caritas im Konradinum anzutreffen, wo sie gut eineinhalb Stunden bei der Essensausgabe für Bedürftige mithilft und anschließend das Geschirr spült.
„Schon immer sozial eingestellt“
„Ich bin für Salat und Suppe zuständig“, sagt sie und lacht. Warum sie das macht? „Ehrlich gesagt, war ich schon immer sozial eingestellt. Und da ich nicht wie viele andere 38 oder 40 Stunden in der Woche arbeiten muss, kann ich mich nebenher noch nützlich machen und Menschen, denen es nicht so gut geht, helfen.“
Freilich, bis sie im November 2022 zum Telefonhörer griff, um ihre Dienste anzubieten, habe es schon einige Zeit gedauert, gesteht die 55-Jährige. Ursprünglich wollte sie bei der Tafel oder der Kleiderkammer mitarbeiten, aber das habe zeitlich nicht gepasst. Denn neben ihrer Tätigkeit in der Zahnarztpraxis, die sie zusammen mit ihrem Mann betreibt, gibt sie an zwei Tagen in der Woche auch noch an der Berufsschule Unterricht in Fachkunde für Zahnmedizinische Fachangestellte.
Manche aus der Suppenküche kommen nun auch zur Zahnbehandlung
In der Suppenküche kennt sie mittlerweile die meisten der Kunden, die regelmäßig hier um Essen ansuchen. „Es sind alte Menschen, die wenig Geld haben und sich über eine warme Mahlzeit freuen. Aber auch viele junge Leute, die drogen- oder alkoholabhängig sind, gehören zur Klientel. Das macht mich jedes Mal betroffen, weil ich denke, dass ihr Leben auch eine andere Wendung hätte nehmen können.“
Auch wenn sie von sich aus niemandem erzählt, was sie beruflich macht, habe sich mittlerweile herumgesprochen, dass die schlanke, sportliche Frau hinter der Theke, die Essen austeilt und später das dreckige Geschirr in die Spülmaschine räumt, eigentlich Zahnärztin ist. Und so passiert es schon, dass dadurch die Hemmschwelle abgebaut ist, sie gelegentlich darauf angesprochen wird. „Zwei Leute aus der Suppenküche waren bisher bei meinem Mann zur Behandlung“, erzählt sie.
So ist sie Ärztin in Passau geworden
Eigentlich wollte Susanne Zitzlsperger, die in St. Anton aufgewachsen ist und nach der Grundschule ans Gymnasium Freudenhain wechselte, Archäologin werden. Aber als sie feststellen musste, dass man dafür Griechisch braucht, ist sie auf den Beruf ihres Vaters Dr. Eberhard Zitzlsperger umgeschwenkt. „Das hat ihn recht gefreut“, weiß sie, die als Kind in der Praxis gerne zugeschaut hat. „Medizin hat mich immer interessiert, obendrein hat der Beruf was mit Handwerklichem zu tun, kreativ muss man obendrein sein und gerne mit Menschen arbeiten.“
So hat sie in Regensburg Zahnmedizin studiert und anschließend als Assistenzärztin in Straubing gearbeitet. Doch nicht lange, denn wie es das Schicksal wollte, wurde ihr Vater schwer krank und ist wenige Monate später im Alter von nur 54 Jahren gestorben. Als sich die Krankheit im Juni 1997 abzeichnete, ist sie deshalb in seine Praxis gewechselt. Ein Jahr später stieg ihr damaliger Freund und heutiger Ehemann Oliver Schmidt, den sie beim Studium kennengelernt hatte, in die Praxis mit ein.
Tod der Mutter war Auslöser, sich ehrenamtlich zu engagieren
Bei der Frage nach einem Lebensmotto muss die Zahnärztin passen. „Ich habe eigentlich keines“, sagt sie, verbessert sich aber sodann: „Aus jedem Tag das Beste machen und jeden Tag genießen und so erleben, als wenn es der letzte wäre.“ Die Tatsache, dass sie 55 Jahre alt ist und ihren Vater damit bereits um ein Jahr überlebt hat, stimmt sie nachdenklich. Letztendlich sei der Tod ihrer Mutter 2021 der Auslöser dafür gewesen, sich in einem Ehrenamt zu engagieren. „Seither hatte ich das im Hinterkopf.“ Aber bis der richtige Zeitpunkt kam, den Gedanken in die Tat umzusetzen, habe es dann doch noch bis November 2022 gedauert.
Ihren Entschluss sich uneigennützig für andere Menschen einzusetzen, hat sie bis heute nicht bereut. „Es gibt einem selbst ein gutes Gefühl, wenn sich die Bedürftigen in der kurzen Zeit, die sie hier in der Suppenküche sind, willkommen und gut aufgehoben fühlen können“, berichtet sie.
Sie ist die einzige Ehrenamtliche in der Suppenküche
Freilich herrscht dort nicht immer eitel Sonnenschein. „Manchmal sind welche auch ein bisschen aggressiv, wahrscheinlich, weil sie teilweise noch high sind“,erzählt die Helferin, betont jedoch im nächsten Atemzug: „Aber mir gegenüber waren bisher alle immer sehr freundlich.“
Und so werden sie auch künftig auf die Hilfe und das freundliche Lächeln der Frau mit den leuchtend blauen Augen zählen können, die bisher die einzige Ehrenamtliche in der Suppenküche der Caritas ist.
Im Freundeskreis hat sie darüber lange Zeit geschwiegen. „Mittlerweile aber wissen alle Bescheid, finden es toll.“ Nachahmer hätten sich bisher noch nicht gefunden. Sie weiß aber selbst nur zu gut, dass es Überwindung kostet, den ersten Schritt zu tun und zum Telefon zu greifen.
Appell: Ruck geben und ehrenamtlich aktiv werden
Dabei sieht sie gerade jetzt, in einer Welt, die mittlerweile sehr von Egoismus geprägt ist, das Engagement für andere als sehr wichtig an. „Vielleicht liegt es aber auch an der Erziehung, einfach daran, wie man aufgewachsen ist“, mutmaßt sie und ergänzt, dass ihre Mutter sehr hilfsbereit gewesen sei.
Und auch ihren Sohn, der mittlerweile 25 Jahre alt ist, habe Susanne Zizlsperger-Schmidt in diesem Sinne erzogen. „Wenn ich ihn und seine Freunde sehe, ist mir nicht bange. Das sind alles ganz liebe Leute“, stellt sie fest.
Abschließend appelliert sie an diejenigen Menschen, die wirklich Zeit haben, sich einen Ruck zu geben und aktiv zu werden. „Vielleicht kann ich ja hiermit einen kleinen Anstoß geben“, meint sie und lächelt.
1. Arbeite die Beweggründe und Motive für das Engagement von Frau Zizlsperger-Schmidt heraus.
2. Engagierst du dich bereits ehrenamtlich? Oder kennst du eine Person, die ehrenamtlich aktiv ist? Tauscht euch dazu aus und sammelt die verschiedenen Ehrenämter.
3. Könntest du dir vorstellen, wie Frau Zizlsperger-Schmidt, in z.B. einer Suppenküche zu arbeiten? Tauscht euch darüber aus. Informiert euch anschließend darüber, wie ihr in eurer Umgebung aktiv werden könnt.