Zimmermann, Josef
Thema: Ehrenamt, Tod
M1: PNP, 30.10.2010, Nr. 253, S. 39
Der Tod darf kein Tabu sein
Krisen-Seelsorge im Schulbereich unterstützt Schüler und Lehrer in schwierigen Situationen
von Sabine Süß
Passau. Erfurt 2002: Ein 19-Jähriger tötet an seinem ehemaligen Gymnasium zwölf Lehrer, eine Sekretärin, zwei Schüler und einen Polizisten. Winnenden 2009: Ein 17-Jähriger erschießt an einer Realschule 15 Menschen und tötet sich selbst. Meist kommt jedoch der Tod leiser an einer Schule: Etwa wenn wie kürzlich bei Wegscheid ein Schüler bei einem Unfall auf dem Schulweg stirbt, wenn Kinder Mutter oder Vater durch Krankheit verlieren oder ein Lehrer ums Leben kommt. Dann ist der Alltag in der Schule gestört - und die Lehrer müssen wissen, wie sie damit umgehen. Einer, der ihnen dabei hilft, ist Josef Zimmermann. Er ist der Diözesanbeauftragte der „Krisenseelsorge im Schulbereich (KiS)“.
„Es ist wichtig, über die Themen zu sprechen“
„Tod ist immer noch ein Tabuthema - in unserer Gesellschaft ebenso wie an den Schulen“, sagt Josef Zimmermann. Doch aus Erfahrung weiß er: „Es ist wichtig, über solche Themen zu sprechen. Die Schüler dürfen damit nicht allein gelassen werden.“ Aus diesem Grund hat er 2007 entschieden, sich „KiS“ anzuschließen. Dieses Angebot wird seit 2002 von der Schulpastoral der Diözese Passau betrieben.
Das Team um Josef Zimmermann, der das Angebot seit drei Jahren als Diözesanbeauftragter leitet, hat dabei zwei Aufgabenschwerpunkte: Prävention und Fortbildung sowie Unterstützung im Akutfall. „Die Prävention ist unglaublich wichtig“, sagt Zimmermann. Er ist Religionslehrer an der Realschule in Altötting und weiß, dass an Schulen immer noch große Unsicherheit herrscht, wenn es um Tod und Trauer geht.
So veranstaltet er mit seinen Mitarbeitern Fortbildungen für die Lehrer im ganzen Diözesangebiet - auf Anfrage der Schulleitung. Was die Lehrer vor allem lernen müssen: „Beim Thema Tod ist jede Reaktion normal“, sagt Zimmermann. Jeder Jugendliche gehe anders mit seiner Trauer um: Manche weinen, andere erstarren regelrecht, reagieren verspätet auf die Nachricht, manch einer beginnt gar zu lachen - „alle Reaktionen sind möglich bis hin zu Zittern, Schwitzen oder Kopfschmerzen und Übelkeit.“ Wichtig sei, dass die Lehrer wissen, wie sie damit umgehen müssen. Und natürlich, wie sie die Nachricht etwa vom Tod eines Mitschülers einer Klasse überbringen. „Wir versuchen, die Lehrer zu befähigen, das eigenständig zu machen“, sagt Zimmermann. Denn ein Lehrer, der seine Klasse und seine Schüler kenne, könne eine solche Nachricht leichter übermitteln als Fremde.
Manchmal jedoch ist gerade das „Fremdsein“ von Vorteil. Wenn die Lehrer selbst zu betroffen sind, wenn es sich etwa um einen ihrer Kollegen handelt. Dann kommt das KiS-Team zum Einsatz. „Wenn eine Schule bei uns anfragt, ob wir Unterstützung leisten können, dann tun wir das natürlich“, sagt Zimmermann. Dann leiten er und sein Team unter anderem Gesprächsrunden, in denen die Schüler über das Vorgefallene sprechen können.
Nur auf Anfrage der Schulleitung
Eine „mobile Einsatztruppe“, die mit Blaulicht von Fall zu Fall fährt, ist die „KiS“-Truppe aber nicht. Pro Jahr wird das Team im Schnitt zu sieben bis acht Einsätzen gerufen. Das Wissen, wann und wo etwas passiert ist, erhält es über die Notfallseelsorge der Diözese. „Wenn Jugendliche oder Kinder beteiligt sind, bekommen wir Bescheid. Aber an einer Schule greifen wir nur ein, wenn die Schulleitung anfragt. Wir drängen uns nicht auf“, betont Zimmermann. Denn auch ohne das „KiS“-Team funktioniere der Umgang mit Tod und Trauer an einigen Schulen gut. „Andere Schulen sagen, bei uns passiert sowieso nichts“, weiß er aber auch.
Etwa 15 bis 20 Fortbildungen pro Schuljahr führen Zimmermann und sein Team durch. Ein „Patentrezept“ haben sie aber nicht. „Beim Tod eines Mitschülers muss der Lehrer anders vorgehen, als wenn die Eltern eines Schüler sterben“, weiß Zimmermann. Je nach Schulart können Briefe an den betroffenen Mitschüler geschrieben werden oder die Schüler drücken in Zeichnungen aus: „Wir denken an dich“. Weiter rät er: „Wenn der Betroffene wieder zur Schule kommt, sollte man ganz normal mit ihm umgehen.“ Überhaupt sei der Alltag oft das beste Mittel, um mit dem Tod fertig zu werden. „Wer so etwas erlebt hat, der braucht die Sicherheit des Schulsystems“, weiß er. Umso wichtiger, dass Lehrer und Schulleitung dann wissen, wie sie den Schulalltag wieder in den Griff bekommen.
Kontakt: Bischöfliches Schulreferat Passau, JosefZimmermann, schulpastoral.zimmermann@bistum-passau.de oder Tel. 0851/393-4130.
MITARBEITER ÜBER KiS
Gaby Hellinger, Religionslehrerin an den Berufsschulen in Vilshofen: „Ich bin bei KiS, seit es diese Einrichtung gibt. Sie ist ein Segen, weil sie Seelsorge dorthin bringt, wo der Mensch in seiner Existenz berührt ist. Es gibt Schicksalsschläge, mit denen kann ein junger Mensch einfach nicht alleine fertig werden. Und Seelsorge ist eine Kernaufgabe der Kirche. Ich selbst bin seit über 30 Jahren in der Krisenintervention an Schulen tätig - da geht es zum Glück nicht nur um den Tod. Aber mein erster Einsatz in der Krisenintervention, der hatte gleich mit einem Todesfall zu tun. Damals ging es um ein Kommunionkind, das krank wurde. In der Klasse haben wir ihm noch einen Brief geschrieben, doch dann ist das Kind gestorben. Und ich habe gemerkt, wie dankbar die Eltern waren, dass sie auch von Seiten der Schule Unterstützung bekommen haben. Es ist mir ein Anliegen, dass Kinder und Jugendliche solche Schicksalsschläge nicht allein durchlaufen müssen.“
Alois Straßer, Religionslehrer an der Wirtschaftsschule Passau und Krankenhausseelsorger: „Früher hat man es oft übergangen, wenn Jugendliche von einem Todesfall betroffen waren. Aber dann hat man erkannt, dass etwas getan werden muss. Nach tödlichen Unfällen ergeben sich oft viele Gespräche mit den Jugendlichen, sie denken darüber nach, was sie tun können - für sich, aber auch für die Eltern. Und die Erfahrung zeigt, dass so etwas wie ,KiS‘ sehr notwendig ist. Im Idealfall sollen das die Kollegen in den Schulen selber in die Hand nehmen.Unser Team gibt ihnen dazu diözesanweit Tipps.“ - sas