Wimmer, Andy

Ohne Rückfahrkarte einen Ausflug in eine gute Welt wagen: Andy Wimmer fühlt sich in Mutter Teresas Sterbehaus frei und glücklich

Andy Wimmer aus Ingolstadt arbeitet als freiwilliger Helfer bei Mutter Teresa mit

Radikal sein Leben ändern, in die Dritte Welt gehen und nur noch für andere Menschen da sein: Klasse, wer das schafft. Oder liegt die Messlatte nicht ein wenig zu hoch? "Bitte mach keinen Heiligen aus mir!" haben die Rolling Stones vor einigen Jahren gesungen.

Der Ingolstädter Andy entschied sich für diesen radikalen Weg. Er war PC-Experte bei einer Bank in München. Aber ein Trip nach Indien veränderte sein Leben. Entscheidend dafür war der Besuch im Sterbehaus des Ordens von Mutter Teresa. Er wurde freiwilliger Helfer, "Volunteer", in den Häusern der "Missionarinnen der Nächstenliebe" in Kalkutta. Das bedeutete: Eiternde Wunden behandeln, Toiletten säubern, Erbrochenes aufputzen.

Man versteht es kaum, wenn Andy sich selber als glücklich bezeichnet: "Dieses Haus ist meine Welt, ich kann mir nicht mehr vorstellen, irgendetwas anderes tun zu müssen", sagt er. Die Reihen des Saals sind gefüllt mit Todkranken. Einer ruft nach Andy, Bippin. Andy wendet sich ihm zärtlich zu: "Des is a ganz a Liaba", sagt Andy. Er überprüft die Verbände.

Ursprünglich wollte Andy nur ein paar Monate bleiben. Aber Kalkutta ließ ihn nicht mehr los. Er hat sich für ein Leben in Indien entschieden und lebt von einem kleinen Aktienpaket. Das Leben dort ist kein Zuckerschlecken: Andy erkrankte an Malaria und Tuberkulose, hat schlechte Blutwerte. Aber er lebt und fühlt sich wohl.

Der Tod ist allgegenwärtig: Jeden Tag stirbt einer der vielen hundert Gäste. Und an Nachschub mangelt es nicht. Die freiwilligen Helfer holen die Hilfsbedürftigen aus der ganzen Stadt. Keiner wird abgewiesen. Die Menschen bekommen ein Lager auf dem Boden. Sie erhalten Nahrung und Pflege.

Erinnerung an sein altes Leben? Ja, manchmal wünscht sich Andy einen richtigen Schweinsbraten, mit Knödeln und Kraut.

von Hans Mendl nach einem Artikel aus der Augsburger Allgemeinen Zeitung (AZ) vom 31.10.97

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