Weber-Koch, Martina
Thema: Flüchtlingshilfe, Hilfsbereitschaft, Nächstenhilfe
M1: PNP, 06.02.2013, Nr. 31, S. 8
Die stille Reserve
Das Passauer "Netzwerk Familienpaten" betreut dieses Jahr zwölf Familien − Ministerin unterstützt Modellprojekt
von Miriam Eckert
Passau. Mit drei kleinen Kindern geht es für die alleinerziehende Mutter häufig drunter und drüber. Aus einem afrikanischen Land kam sie vor einiger Zeit nach Passau. Jetzt lernt sie Deutsch, möchte bald eine Ausbildung beginnen und hofft auf eine bessere Zukunft für sich und ihre Kinder. Aber es ist kein leichter Weg − alles ist neu: Kultur, Sprache, Verwaltung und nach dem neusten Umzug auch wieder die Nachbarschaft.
Hilfe bekommt die Mutter seit Januar von einem Familienpaten. Mit ihrem ältesten sechsjährigen Sohn unternimmt Dieter van Look, ein ehrenamtlicher Mitarbeiter des Kinderschutzbundes Passau, jede Woche einen Ausflug auf den Spielplatz. So hat die Mutter mehr Zeit für die jüngeren Geschwister und der Sohn kann sich beim Fußballspielen richtig austoben. Nachher setzen sich van Look und die Mutter zusammen und erzählen − über den Umzug, die Kindergärten in der Nähe, mögliche neue Sportvereine für den Sohn oder darüber, welcher Handwerker beim Anbringen der Lampen in der Wohnung helfen könnte.
Familien-Begleitung in schwierigen Zeiten "Ich habe ein offenes Ohr und versuche eine Brücke für die Familie zu ihrer neuen Umgebung zu bauen", sagt van Look. "Mit den Nachbarskindern sind wir alle gemeinsam rodeln gewesen und haben eine Gitarre repariert." Familienpaten sind Alltagsbegleiter und helfen der Familie, den Alltag mit den Kindern in den Griff zu kriegen. In Passau gibt es das Projekt "Netzwerk Familienpaten Bayern" seit 2011. Getragen wird es vom Kinderschutzbund und dem Katholischen Deutschen Frauenbund. "Unser Ziel ist es, überlasteten Familien für einen begrenzten Zeitraum, meist ein Jahr, zu helfen und uns dann überflüssig zu machen", sagt Andrea Kreuzpaintner vom Kinderschutzbund Passau.
"Die Paten bekommen eine konkrete Aufgabe, die wir vorher mit der Familie absprechen − und zwar keine Babysitter-, Putz- oder Taxijobs", betont sie. Wichtig sei auch, dass sich die Familien freiwillig beim Kinderschutzbund melden. Häufig werden sie von Kindergärtnerinnen, Jugendamt oder Kinderärzten über das Familienpaten-Projekt informiert. "Wir sind nur eine Multiplikatorenstelle, die Paten ausbildet und schaut, welcher Pate zu welcher Familie passt", sagt Kreuzpaintner, die das Projekt "Netzwerk Familienpaten" in Passau seit Beginn koordiniert.
"Neugierig war ich auf die Familie und gespannt, wie die Kinder reagieren", erinnert sich van Look an das erste Treffen. Begleitet wurde er dabei von einer Mitarbeiterin des Kinderschutzbundes, die sich bereits im Vorfeld mit der Mutter die Aufgaben des Paten besprochen hatte. Die drei Geschwister kannten aber keine Berührungsängste. "Sie setzten sich gleich auf meinen Schoß und ich bin an dem Nachmittag ewig geblieben." Das wöchentliche Treffen von rund zwei Stunden sei mittlerweile auch für ihn ein wichtiger Teil seines Lebens geworden mit "Spaß, Bewegung und Leichtigkeit", sagt der vierfache Vater und siebenfache Großvater. "Wenn man will, dass Kinder Gutes tun, muss man es ihnen unablässig vorleben", sagt er. "Zeit für Kinder ist für mich ganz entscheidend."
190 ehrenamtliche Paten in Bayern Ehrenamtlich aktiv ist der 62-Jährige, der gebürtig aus Essen kommt, bereits sein ganzes Leben. Als Pflegevater, ehemaliger Vorsitzender der Pockinger Tafel und seit seinem Umzug von Bad Füssing nach Passau im vergangenen Jahr nun auch beim "Netzwerk Familienpaten" − als einziger Mann unter 20 Frauen. "Noch bin ich der Quotenmann in Passau", sagt er lachend. "Aber vielleicht melden sich ja demnächst noch mehr Männer als Paten." Passau ist einer von 22 Standorten des Netzwerks in Bayern mit insgesamt 190 Ehrenamtlichen und 40 Koordinatoren. Im Januar verlängerte die Familienministerin Christine Haderthauer das Modellprojekt bis 2014 und stellte 560 000 Euro für die Ausbildung neuer Projektkoordinatoren zur Verfügung − mit dem Ziel, das Projekt bald in ganz Bayern anbieten zu können. "Heute ist es nicht mehr selbstverständlich möglich, auf familiäre Unterstützung wie Großeltern zurückzugreifen", erklärte Haderthauer.
Auch Passau war 2011 Modellprojekt, als zehn Frauen an der ersten Schulung für Familienpaten teilnahmen. 2012 waren es weitere neun Frauen, 15 Familien wurden betreut. Heuer sind 21 Paten in Passau aktiv und betreuen derzeit zwölf Projekte, fasst die Projektkoordinatorin Andrea Kreuzpaintner zusammen. Zu der ersten Generation der Passauer Familienpaten gehört auch Martina Weber-Koch. Die Passauer Kinderheilpraktikerin erfuhr über Freunde von dem Netzwerk. Zwei Familien hat die 40-Jährige bereits betreut. "Für die erste Frau war es wichtig, dass jemand da ist, der ihr zuhört. Sie war alleinerziehend mit fünf Kindern, und einmal in der Woche sind wir Lebensmittel einkaufen gefahren", sagt Weber-Koch. "Die Kinder waren in der Schule und ich habe sie nur selten gesehen. Auch vom Leben der Frau habe ich nur Ausschnitte mitbekommen."
Ganz anders ist es mit der zweiten Familie. "Dort bin ich richtig tief in das Familienleben eingetaucht und musste erst mal lernen, Distanz zu halten. Mittlerweile ziehe ich aber die Tür zu und es ist okay." Für diese alleinerziehende Frau mit eine Tochter, sieht sich Weber-Koch vor allem als "Zuhörpartner". Sie suche Bestätigung für ihre Entscheidungen. "Bei Fragen zu den Hausaufgaben der Tochter bin ich genauso für sie da wie beim Öffnen ihrer Post, wenn sie Angst dabei hat."
"Ich bin einZuhörpartner" Es geht den Familienpaten um die kleinen Dinge, die Eltern helfen, ihren Alltag zu bewältigen. "Eine große Herausforderung für uns ist es, sich selbst zurückzuhalten, nicht seine eigenen Werte auf die Familie zu übertragen oder Druck auszuüben", sind sich van Look und Weber-Koch einig. Zentral sind diese Themen auch in der kostenlosen Schulung für Familienpaten. In 36 Stunden an drei Wochenenden mit vielen Rollenspielen geht es um "aktives Zuhören, Phasen der Familienentwicklung, Selbstreflexion und Bindungsverhalten". "Es hat unheimlich Spaß gemacht, man hat viel über sich selbst gelernt", sagt Martina Weber-Koch.
Bunt gemischt sind auch die Interessenten: Architekten, Studenten und Rentner, alle, denen Kinder am Herzen liegen, sind willkommen, sagt Kreuzpaintner. "Aber wir bilden keine Fachkräfte aus, sondern Zuhörer, die Anstöße geben", betont sie. Als stille Reserve sind die Paten für die Familien da. Aber bei aller Hilfe ist es die beiderseitige Freude auf das nächste Treffen, das die Patenschaft ausmacht.
M2: Bild von den Familienpaten Martina Weber-Koch und Dieter van Look
M3: Didaktische Impulse
1. Fertigt ein Akrostikon zum Thema "Familienpaten" an.
Dabei wird ein Begriff von oben nach unten geschrieben. Er wird inhaltlich gefüllt, indem jeder Buchstabe des Begriffs mit einem Wort weitergeführt wird.
F üreinander da sein
A b und zu unter die Arme greifen
M odellprojekt das begeistert
I ...
L eben in einem neuen Land erleichtern
I ...
E ...
N ...
P ...
A ...
T ...
E ...
N ...
2. Collage gestalten
Gestaltet eine Collage, indem ihr aus verschiedenen Zeitschriften Dinge ausschneidet und auf ein Plakat klebt, von denen ihr glaubt, dass sie Neubürgern/ Einwanderern Mut machen könnten.
3. Brief schreiben
Fallbeispiel: Du bist neu in Deutschland. Martina Weber-Koch hat Dich während der Eingewöhnungsphase sehr unterstützt und Dir immer wieder wertvolle Ratschläge gegeben. Nach einem Jahr in Deiner neuen Heimat fühlst du dich sehr wohl und möchtest deshalb einen Dankesbrief an sie schreiben. Nenne Argumente, was du an ihrer Arbeit schätzt.
4. Hierbei wäre die Nutzung des Computerraumes sinnvoll
Überlegt Euch und diskutiert in der Klasse, wo Ihr Euch sozial engagieren könntet? Welche Vereine, Projekte etc. gibt es in der näheren Umgebung, an denen Ihr Euch beteiligen könntet? Notiert Euch anschließend Eure Ergebnisse und stellt sie Eurer Klasse vor.