Wagner, Josef
Thema: Glaubenszeugnis
M1: PNP, 11.07.2018, Nr. 158, S. 22
Influencer Gottes
Josef Wagner (19) ging nach dem Abi direkt ins Priesterseminar – Seinen Alltag und seine Gedanken teilt er in Sozialen Netzwerken
von Laura Lugbauer
An einem warmen Abend im Juli sitzt Josef Wagner (19) mit seinen Spezln im Biergarten. Sie reden über die Uni, über Gott und die Welt. Nichts an ihnen unterscheidet sie von den Studenten an den Nachbartischen. Wenn die letzte Halbe getrunken ist und alle heimgehen, in ihre WGs und Studentenbuden, dann geht Josef, schwarze Jeans, schwarzes T-Shirt, Skaterschuhe, zurück ins Priesterseminar. Seit gut einem Jahr bereitet er sich auf eine Zukunft als Geistlicher vor. Seinen Alltag teilt in den sozialen Medien
Auf Youtube und Instagram nennt er sich "derboivomseminar", teilt mit seinen rund 1000 Abonnenten Fotos und Videos. Josef spricht über Nächstenliebe, Berufung und Zölibat. Nicht wie ein Geistlicher, sondern wie ein 19-Jähriger.
Über den Himmel sagt er dann: "Wenn ich antanzen muss beim Chef."
Beim Warten auf einen verspäteten Zug: "Ich könnte jetzt ein paar Rosenkränze raushauen. Aber ich nehme mir lieber bewusst Zeit zum Gebet."
Und über das erste Jahr der Priesterausbildung: "Es ist es bald rum. Das ist schon krass, Leute."
Was er mit der Welt teilt, kommt meist frei von Leber weg. Mal jammert er, weil es mit dem Griechischlernen an dem Tag zäh voran geht: "Digga". Zu einem Jesus-Bild schreibt er "Yea bro" und zu einem Foto mit dem Papst bei der Audienz in Rom: "Alter, der redet mit mir #papafrancesco". Mal läuft Hip-Hop, dann wieder Orgelmusik. Oft filmt sich Josef auch beim Üben an seinem Lieblingsinstrument.
Für ihn passt das zusammen. Und die Kirche zu ihm. Josef Wagner ist das, was man mal den "klassischen Seminaristen" nannte: Er ging direkt nach dem Abitur in die Priesterausbildung. Heute ist dieser Weg eher die Ausnahme, in seinem Jahrgang gibt es bayernweit nur einen Gleichaltrigen. "Andere gehen nach dem Abi ein Jahr ins Ausland, um sich selbst zu finden", sagt, "ich bin eben ins Priesterseminar. Ich bin da einfach meinem Herzen gefolgt."
Soziale Medien: "Es ist wie das Gleichnis vom Sämann" Josef sagt, es habe keinen seiner Freunde überrascht, dass er diesen Weg eingeschlagen hat. Nur ein paar weniger enge Bekannte hätten mit Unverständnis reagiert. "Ich versteh nicht, wie du dein Leben so wegschmeißen kannst", hat einer zu ihm gesagt. Heute verfolgt der Bekannte Josefs Weg im Internet. Mit der Kirche kann er immer noch nichts anfangen. Aber für Josef ist es eine Bestätigung, dass er ihm jetzt sagt: "Find’ ich cool, was du da machst."
Das Bistum Passau findet es auch cool: Das Online-Team der Bischöflichen Pressestelle hat mit ihm die Videoreihe für Youtube produziert und streut sie auch über den Bistumskanal. Seinen Instagram-Account betreibt Josef privat. "Mir war von Anfang an klar, dass ich das machen will"; sagt er, "die Kirche ist in den Sozialen Medien quasi gar nicht präsent." Das wollte er ändern. "Das ist wie beim Gleichnis vom Sämann", erklärt er.
Siehe, ein Sämann ging hinaus, um zu säen. Als er säte, fiel ein Teil auf den Weg und die Vögel kamen und fraßen es. Ein anderer Teil fiel auf felsigen Boden, wo es nur wenig Erde gab, und ging sofort auf, weil das Erdreich nicht tief war; als aber die Sonne hochstieg, wurde die Saat versengt und verdorrte, weil sie keine Wurzeln hatte. Wieder ein anderer Teil fiel in die Dornen und die Dornen wuchsen und erstickten die Saat. Ein anderer Teil aber fiel auf guten Boden und brachte Frucht, teils hundertfach, teils sechzigfach, teils dreißigfach. (Mt 13, 1-8)
"Und in den Sozialen Medien streust du einfach zehn mal mehr Samen aus, als wenn du am Sonntag in der Kirche predigst", erklärt der Seminarist "ich sehe da so viel Potenzial!"
Aufgewachsen ist Josef Wagner in Kühbach im Landkreis Aichach-Friedberg.Er ist katholisch erzogen worden. "Aber nicht streng katholisch", betont er. Vor dem Essen wird in der Familie gebetet, bis zur 10. Klasse war Josef Ministrant, am Sonntag ging man immer gemeinsam in die Kirche. "Bis ich 17 war", sagt Josef, "bin ich aber nur mit, weil meiner Oma das wichtig war. Eher aus Verbundenheit zur Familie."
Bis er 17 ist, zeichnet sich auch ein anderer Lebensweg ab als der geistliche. Josef beschreibt ihn so: "BWL studieren, ,was G’scheites‘ machen, erfolgreich sein und dicke Autos fahren." So was war ihm in dem Alter wichtig: Eitelkeiten. Als er wieder in Kontakt zu seiner früheren kirchlichen Jugendgruppe kommt, merkt er: "Die brauchen das gar nicht, um glücklich zu sein. Die glauben an was."
Über die Gruppe kommt er auch in Kontakt zu einem Priesterseminaristen, "der ist vom Typ her ähnlich drauf wie ich", sagt Josef. Dem habe er erst einmal vorgeworfen, verrückt zu sein. "Ich war damals überzeugt, wenn man wirklich glaubt, dann wird man Diakon und Familienvater", erzählt er und er wirkt fast ein bisschen erschrocken über sich selbst wenn er erzählt: "Die Kirche ist ein Sauhaufen. Solche Sachen hab ich damals gesagt. Da war ich wirklich gach unterwegs." Damals war er auch überzeugt, dass man alles anders machen müsste. zuerst den Zölibat abschaffen.
Heute sagt er: "Man kann vielleicht vorwerfen, dass ich gehirngewaschen bin. Aber viele von diesen wichtigen Fragen, die stellen sich mir einfach nicht mehr. Ich bin weder liberal noch konservativ. Ich bin katholisch." Natürlich ist der Zölibat ein Riesenthema – aber eher für die anderen.
"Das war ja das Geile", sagt Josef und klatscht in die Hände, "alle meinten: Zölibat, ganz wichtig, da musst du ein Video machen." Er machte das Video. Es hat eigentlich keine Aussage. "Und es kam total mies an", sagt er lapidar, "und warum? Weil ich dazu noch nix sagen kann. Ich bin 19. Fragt mich in ein paar Jahren nochmal."
Zölibat: "Fragt mich in ein paar Jahren nochmal."Momentan, sagt Josef, kann er sich das Leben als Priester, auch mit dem Zölibat, gut vorstellen. "Aber das heißt nicht, dass sich das nicht noch ändern kann." Es gab schon mal ein Mädchen in seinem Leben, anderthalb Jahre lang war er mit seiner Freundin zusammen. "Das war eine schöne Zeit und ich möchte sie nicht missen", sagt er. Als es dann vorbei war, habe er aber auch gemerkt, dass ihm etwas gefehlt hat in seinem Leben. "Der Bezug zur Kirche", stellt er fest, "das habe ich aber erst im Nachhinein gemerkt." Umgekehrt fehlt ihm jetzt keine Beziehung neben der zu Gott: "Für mich sind beide Welten gleichwertig gut."
Dass er, wenn seine studierenden Freunde ausschlafen, um 6.30 Uhr aufstehen und beten muss, das stört ihn nicht. "Es gibt gewissen Regeln im Priesterseminar", sagt er, "das muss keiner kritisieren. Es wird ja niemand gezwungen, ins Seminar zu gehen."
Klar hat er manchmal Zweifel. "Ich möchte den sehen, der diesen Weg noch nie hinterfragt hat", sagt der 19-Jährige, "wenn man nie zweifeln würde, wäre das doch ungesund. Und man wächst auch daran." So weit, dass er seine Koffer packen wollte, seien die Zweifel aber nie gegangen.
So weit zu sagen, "Ich werde Priester" will Josef aber auch nicht gehen. "Es kann sich immer was ändern", sagt er, "aber Stand heute kann ich sagen: Ja, ich will Priester werden."
M2: Bild von Josef Wagner
Foto: Thomas Jäger
M3: Didaktische Impulse
1. Diskutiert in der Klasse über mögliche Schwierigkeiten und Bereicherungen, die der Beruf eines Priesters mit sich bringen kann.
2. Erstellt ein ABC zum Thema: Themenbezogen zu jedem Buchstaben des Alphabets ein Begriff oder Satz notieren.