Ueberschaar, Hans-Jürgen und Gabi
Ehrenamt, Jugend, Kinder
M1: PNP, 09.12.2020
Die Mittagsbetreuer
Seit 20 Jahren versorgen Hans-Jürgen und Gabi Ueberschaar Schüler vom Mittagessen bis zu den Hausaufgaben
von Martin J. Freund
Andere genießen ihren Ruhestand, spielen Golf, radeln oder gehen in den Garten. Hans-Jürgen Ueberschaar (70) geht in die Schule. Zusammen mit Ehefrau Gabi managt der ehemalige Grund- und Hauptschullehrer und Seminarrektor das offene Ganztagsangebot an der Dreiflüsserealschule Passau. Bis zu 100 Schüler versorgt das Ehepaar zusammen mit zahlreichen Helfern von Montag bis Freitag, vom Mittagessen weg bis zu den Hausaufgaben. "Für mich ist es damit einfach weitergegangen", sagt Hans-Jürgen Ueberschaar. So kann Jürgen weiterhin pädagogisch aktiv sein", assistiert Ehefrau Gabi und setzt hinzu: "Die Ganztagsbetreuung ist ja sein Baby." Und weil Babys nun mal Zuwendung und Fürsorge brauchen, beantwortet sich bei den Ueberschaars die Frage nach der Ruhestandsgestaltung von selbst. Sie bedarf auch gar keiner weiteren Erklärung. Die Kinder und Jugendlichen sind ja auch weiter da.
"Da bist’ ja eh schon weit", sagt Hans-Jürgen Ueberschaar und beugt sich über die Einzelbank, an der ein Siebtklässler über den Mathe-Aufgaben sitzt. Ehefrau Gabi wuselt mit dem Belegungsplan von Raum zu Raum. Das Betreuungsangebot an der Dreiflüsserealschule richtet sich an Schüler, die mittags zu Hause aus unterschiedlichsten Gründen ohne Aufsicht und Versorgung wären. Ueberschaar weiß, wovon er spricht. Er hat in Fürth an Grundschulen unterrichtet, im Fränkischen hat er als Seminarrektor Grundschullehrkräfte ausgebildet. Eine Aufgabe, die ihn, nach dem Tod der Mutter zurückgekehrt, auch in der niederbayerischen Heimat über viele Jahre ausfüllte. "Man erlebt so viel. Viele Kinder haben heute kein geregeltes Familienleben mehr, da liegt schon einiges im Argen", stellt Ueberschaar fest. Und weil er das so erlebt hat und erlebt, will er sich einsetzen – "so lange man die Zeit und die Kraft hat", wie er sagt. Im Gegensatz zu den Lehrkräften lassen sich die Ueberschaars von den Schülerinnen und Schülern duzen. "Wir wollen da auch ein bisschen Geborgenheit vermitteln", sagt Gabi Überschaar. Und den Kindern gefällt es ja, wenn sie nach einem langen Schul-Vormittag ins Nest des Mittagsangebots wechseln, stellt der Gatte fest. Woran man das merkt? "Weil sie es sagen." Auch die Konrektorin sagt es. "Herr und Frau Ueberschaar sind unsere Perlen", stellt Marion Katzbichler fest. Mit ihrer herzlichen Art auf der einen Seite und klarer Ansage auf der anderen knüpfen die Ueberschaars aus Sicht der stellvertretenden Schulleiterin jeden Tag aufs Neue fruchtbare Verbindungen zu den Kindern. Kein Wunder, dass das Ganztagsangebot an der Dreiflüsserealschule "sehr gut nachgefragt" ist, wie Marion Katzbichler feststellt. Hans-Jürgen Ueberschaar weiß noch gut, wie er damals, als Fußballtrainer für seinen älteren Sohn Peter beim 1. FC Passau eingesprungen, auf dem alten Kunstrasenplatz des Dreiflüssestadions stand und einer der jungen Fußballer sich vorzeitig zum Hausaufgabenmachen verabschiedete. "Da hab’ ich so rüber aufs Stadiongebäude geschaut und mir gedacht, da müsste doch was möglich sein", sagt Ueberschaar. Er ging rüber, fragte den Wirt, Georg Huber, ob er sich vorstellen könne, mittags für 20 Burschen zu kochen. Der konnte, "und damit fing’s an", sagt Ueberschaar. Fast zwanzig Jahre ist das nun her. Die Räumlichkeiten in der Stadiongaststätte hat die Mittagsbetreuung des 1. FC Passau, wie sie damals hieß, längst hinter sich gelassen. Heute betreuen Gabi und Hans-Jürgen Ueberschaar in der Mensa der Realschule in der Neuburger Straße bis zu 100 Schüler. Unterstützt werden sie von einem 26-köpfigen Team aus Lehrkräften, Fremdsprachen-Spezialisten, Studenten und Pädagogen. Träger der Einrichtung ist mittlerweile das Bayerische Kultusministerium, die Einrichtung erhielt Anerkennung und Unterstützung von namhaften Organisationen wie vom Deutschen Fußball-Bund. Delegationen des Landtags und Schulrätekommissionen schauten vorbei; kurz: Die Einrichtung hat sich rasant entwickelt und gilt auch weit über die Stadtgrenzen hinaus als Muster ihrer Art.
- Passau Stadt
PNP-Porträt
Eines ist aber immer gleich geblieben: das Engagement von Gabi und Hans-Jürgen Ueberschaar. "Er ist der Pädagoge, ich bin die Verwalterin und Organisatorin", beschreibt Gabi Ueberschaar, gelernte Bankkauffrau, die Aufgabenverteilung. "Meine Frau ist eine großartige Unterstützung", gibt der Ehemann zurück. Natürlich geht mit 70 nicht mehr alles so flugs wie früher, und in der Corona-Zeit hat Hans-Jürgen Ueberschaar von Ehefrau Gabi ein bisschen mehr Zurückhaltung anempfohlen bekommen. Und natürlich gibt es auch bei den Betreuungs-Profis im Unruhestand Überlegungen, die Verantwortung mal abzugeben. "Es gab schon immer wieder mal Interessenten", sagt Hans-Jürgen Ueberschaar. "Aber wenn die Leute dann sehen, was letztendlich alles dran hängt..." Golfspielen und Garteln sind eh nicht so sein Ding.
M2: Bild von Hans-Jürgen und Gabi Ueberschaar
M3: Didaktische Impulse
1. Welche Motivation steckt hinter der ehrenamtlichen Tätigkeit des Ehepaares? Fasse die Kernaussagen zusammen und vergleiche sie mit einem*r Partner*in.
2. Gestalte eine Urkunde für Herrn und Frau Ueberschaar. Für welchen konkreten Aspekt ihrer Arbeit werden sie ausgezeichnet?
3. Kennt ihr Menschen, die im Ruhestand sind und sich für andere engagieren? Interviewt die Person nach ihren Motiven und verfasst einen kurzen Steckbrief über sie und ihre Tätigkeit.