Überfall auf Geschäftsfrauen
Thema: Zivilcourage
M1: PNP, 13.01.2003, Nr.9 , S.19
Couragierte Geschäftsfrauen schlagen Räuber in die Flucht
Jandelsbrunner (23) überfällt zwei Läden in Waldkirchen - 15-jährige beobachtet eine Tat von ihrem Zimmer aus - Täter ergibt sich der Polizei
von Reinhold Steiml
Waldkirchen. Zwei Geschäfte hat ein Räuber in Waldkirchen am Samstagvormittag kurz hintereinander überfallen - doch zwei Mal hat er die Rechnung ohne die couragierten Inhaberinnen gemacht.
Der 23-jährige Jandelsbrunner (Lkr. Freyung-Grafenau) betritt gegen 11.15 Uhr das Geschäft von Goldschmiedemeisterin Karin Huber am unteren Marktplatz. Wie ein ganz normaler Kunde benimmt er sich zunächst. "Er hat nach einem Kettchen gefragt, das er für seine Freundin kaufen möchte", berichtet die 45-jährige Inhaberin. Sie zeigt ihm einige Stücke. Doch als der junge Mann, der seine graue Wollmütze sehr tief in die Stirn gezogen hat, um die Ladentheke herumgeht und auf eine Ausstellungsvitrine zusteuert, wird die Inhaberin skeptisch. Schon einmal ist sie überfallen worden. vor etwa acht Jahren war ihr von einem Räuber Tränengas in die Augen gesprüht worden.
Deshalb lässt sich Karin Huber gleich auf den Boden fallen, als der Mann plötzlich "Geld her" schreit und er "irgendwas, das ich nicht erkennen konnte", aus der Anoraktasche zieht. Karin Huber reagiert instinktiv, sie schreit nach ihrem Hund: "Charly, Charly, Hund, geh her!"
Der Satz genügt um den Räuber in die Flucht zu schlagen. Karin Huber rappelt sich auf und sieht noch, wie der Mann in Richtung Busbahnhof davonrennt. "Charly" - ein schwarzgelockter, kleiner Tibet-Terrier-Mischling muss nicht mehr eingreifen. Während sich Karin Huber von dem ersten Schock erholt und die Polizei ruft, steigt der 23-Jährige, der ohne Beute geblieben ist, in sein Auto. Er fährt ein paar hundert Meter - und versucht einen zweiten Überfall.
Er parkt im Bereich Waldkirchen-Bahnhof in der Nähe eines dortigen kleinen Lebensmittelgeschäftes, das seit gut 50 Jahren von Erna Roßgoderer betrieben wird. es ist gerade mal eine Viertelstunde nach dem ersten Überfall, als er - wieder auf die völlig harmlose Tour - den Laden betritt. Die 78-jährige Erna Roßgoderer steht im Geschäft. Allein. Was der Täter nicht wissen kann: Nebenan im Büro hält sich gerade ein Bekannter der Roßgoderers aus Richardsreut auf.
"Der junge Bursch hat gfragt, ab ich Dosen hab - Bier oder Cola", sagt die 78-Jährige. Was dann passiert ist, schildert die Inhaberin gegenüber der Passauer Neuen Presse so: "Als ich ihm nicht schnell genug zum Kassieren die Kasse aufgmacht hab, hat er selber herübergegriffen, hat den Kassenschlüssel umgedreht und gsagt `Da schau her, so geht das`." Im gleichen Moment hält er der 78-Jährigen eine Pistole - wie sich später herausstellt nur eine Spielzeugwaffe - vor die Nase. doch er hat nicht mit Erna Roßgodeners Courage gerechnet. Die Frau greift ihm an den Kragen und versucht, den Täter aufzuhalten. Der Täter will sich losreißen und stößt dabei die laut um Hilfe rufende 78-Jährige zu Boden - nebenan wird der Mann im Büro durch die Schreie auf das Geschehen im Laden aufmerksam - und im Haus gegenüber sieht die 15-jährige Kathrin Schuh vom Fenster ihres Zimmers aus das Gerangel im Laden.
Der 45.jährige Bekannte verfolgt den Räuber und ruft per Handy die Polizei. Kathrin Schuh erfasst ebenso schnell die Situation: "Ich hab gsehn, dass der Räuber eh verfolgt wird, und hab mich gleich um die Frau Roßgoderer am Boden gekümmert." Sie ist leicht an der Nase verletzt.
Der Täter verschanzt sich indes im Keller eines Mietshauses, das laut Polizei binnen Minuten umstellt ist. der Jandelsbrunner sieht keine Fluchtmöglichkeit mehr - und ergibt sich. Der junge Mann wird heute dem Haftrichter vorgeführt. Gegenüber der Kriminalpolizei Passau gibt er "Geldmangel" als Grund für seine Überfälle an.