Telefonseelsorge Passau
Thema: Seelsorge
M1: PNP vom 03.03.2007, Nr. 52, S.48
Theresa ist da, wenn sonst niemand zuhört
Neuhauserin arbeitet bei der Telefonseelsorge Passau - 90 Ehrenamtliche - Missbrauch und Eheprobleme oft Thema
von Birthe Bruhns
Passau. Fremde erzählen Theresa das, was sie niemand sonst zu sagen wagen. Die Hausfrau aus Neuhaus erfährt von Ehebruch und Missbrauch. Sie versucht Selbstmordgefährdete zu stoppen und Menschen, die sich selbst verletzen. Insgesamt gibt es 90 ehrenamtliche Mitarbeiter bei der Telefonseelsorge für die Region Passau. 600 Anrufe treffen im Durchschnitt monatlich dort ein.
Theresa erinnert sich gut an die Nacht, als ein Mädchen anrief. Seine Krankheit war unheilbar. Jetzt, in der Dunkelheit, wuchs die Einsamkeit, die Angst vor dem Tod. Junge Leute melden sich selten bei der Telefonseelsorge der Diözese Passau. Tun sie es doch, haben sie schwerwiegende Probleme. „Ich hätte dem Mädchen so gerne gesagt, dass das schon wieder wird. Aber das stimmte nicht“, erzählt Theresa, selbst mehrfache Mutter. Ihren richtigen Namen möchte sie nicht nennen. Bei der Telefonseelsorge sind beide anonym, Anrufer und Zuhörer. Das schützt und nimmt Berührungsängste. Deshalb ist auch die Nummer der Klienten für die Mitarbeiter nicht sichtbar.
Rund um die Uhr ist die Telefonseelsorge erreichbar. Gerade wenn es dunkel wird, kommt bei den Anrufern all das hoch, was sie tagsüber verdrängen - Selbstmord-Gedanken, Krankheit und Tod. Alle zwei Monate trifft die Nachtschicht jeden Mitarbeiter. Sie beginnt um 22 Uhr und endet morgens um acht.
Was die Telefonseelsorger hören, ist oft nicht einfach zu verarbeiten. Deshalb bietet das Leitungsteam unter Maristenpater Josef Maria Merkel den Mitarbeitern an, mit ihnen über ihre Erlebnisse zu sprechen.
Einjährige Ausbildung für Telefonseelsorger
Diesen Hintergrunddienst hat auch Theresa genutzt, nachdem sie mit dem schwer kranken Mädchen gesprochen hatte. Hat ihr das genügt? „Ja, denn wenn ich aus dem Büro gehe, lasse ich alles hier zurück“, erklärt die Mitfünfzigerin. „Ich trenne es von meinem Leben.“
Seit sechs Jahren arbeitet die Hausfrau schon in der Telefonseelsorge, acht Stunden im Monat. Das ist für Mitarbeiter Pflicht. Weil nachmittags und abends oft ein Seelsorger allein nicht ausreicht, werden Klienten auch an Kollegen in Ingolstadt verbunden. Am häufigsten rufen Frauen und Männer zwischen 30 und 39 Jahren an. „Das ist das Alter der Reflexion, der Eheprobleme und Scheidungen“, erklärt Gabi Dölzer vom Leitungsteam.
Um mit den Problemen anderer umgehen zu können, machen die Telefonseelsorger eine einjährige Ausbildung, in der sie viel über Gesprächsführung, Krisen, Sucht und Selbstmord lernen. Viel Zeit nimmt die Selbsterfahrung ein, weil die ehrenamtlichen Mitarbeiter schnell bemerken müssen, wenn sie dem Klienten ihre eigenen Ansichten aufdrücken: „Jeder Ratschlag ist ein Schlag, denn er lässt dem Anrufer keinen Raum, selbst eine Lösung zu finden“, erklärt Theresa.
Doch auch erfahrene Zuhörerinnen wie sie bekommen Anrufe, bei denen sie sich nicht in die Anrufer hineinversetzen können: Wenn sich etwa Väter melden, die ihre Töchter sexuell missbraucht haben und dafür Verständnis erwarten. Ihnen wird dringend zu professioneller Hilfe geraten. Neben sexuellem Missbrauch gehören Sucht, Einsamkeit, physische Krankheiten, Depressionen, Beziehungsprobleme und psychische Überlastung zu den meistbesprochenen Themen.
Ganzer Karteikasten mit Adressen für Hilfe
Braucht ein Anrufer professionelle Hilfe, haben Theresa und ihre Kollegen Adressen von Beratungsstellen, Psychologen und Selbsthilfegruppen. Ein ganzer Karteikasten steht voll davon im Büro. Auch die Diözese bietet persönliche Beratung an. Aber auch Psychologen und Beratungsstellen geben ihren Klienten zunehmend häufiger die Nummer der Telefonseelsorge. Denn dort gibt es immer jemanden, der zuhört. Das tut gut. Selbst, wenn es keinen Trost gibt. Wie in der Nacht, als das Mädchen bei Theresa anrief: „Da kann man nichts sagen. Man kann nur zusammen weinen.“
Wer mit jemandem über seine Probleme sprechen möchte, soll sich unter Tel. 0800/ 1110222 melden. Unter der gleichen Nummer können sich auch Interessierte melden, die in der Telefonseelsorge arbeiten wollen. Die einjährige Ausbildung kostet die Teilnehmer nichts, verpflichtet aber zu drei Jahren ehrenamtlicher Arbeit