Stefenelli, Teresa
Thema: Armenhilfe, Ehrenamt, Eine Welt, Entwicklungszusammenarbeit, Freiwilligendienst
M1: PNP Nr. 206, 05.06.2024, S. 24
Eine Passauerin Mittendrin in Benin
Nach dem Abitur ein Jahr in Westafrika: Die Passauerin Teresa Stefenelli berichtet von ihren Erfahrungen
Anna Kelbel
Über 50 Heiratsanträge innerhalb eines Jahres
Drei Fragen bekam Teresa Stefenelli (19) im vergangenen Jahr fast jeden Tag gestellt: Willst du mich heiraten? Kannst du mir Geld geben? Und nimmst du mich nach Deutschland mit?
Über 50 Heiratsanträge erhielt sie im Laufe des Jahres: „Oft habe ich mit einem ,Ja klar, gerne`, geantwortet. Da waren die Männer schon ordentlich verdutzt“, lacht die blonde Passauerin.
Teresa war immer klar: Nach dem Abitur muss sie hinaus in die weite Welt.
Helfen statt Hörsäle, Kulturschock statt Kommilitonen, Benin statt Büffeln: Direkt studieren nach dem Abitur? Für Teresa war das nie eine Option. Seit sie in der achten Klasse begann, Französisch zu lernen, wollte die gebürtige Haidenhoferin hinaus in die Welt, am besten in eines der beinahe 50 französischsprachigen Länder. Also entschied sich Teresa nach ihrem Abitur am Gymnasium Leopoldinum 2023, in das westafrikanische Land Benin, genauer gesagt in die 700000-Einwohner-Stadt Cotonou, zu gehen. Dort absolvierte sie gemeinsam mit einer weiteren deutschen Volontärin, Valerie, einen Freiwilligendienst. Sie lebten in einem Areal der kirchlichen „Don Bosco Mission“.
„Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“, dieser Song Reinhard Meys klang in Teresas Ohren, als sie im September 2023 hoch über dem Mittelmeer gen Afrika flog.
Keine Breze, dafür Handwäsche: Darauf musste sie in diesem Jahr verzichten
Jetzt, um viele Erfahrungen reicher, ist sie überzeugt: „Ich bin so froh, den Freiwilligendienst gemacht zu haben. Da hätte ich sonst echt was verpasst.“ Ein Jahr in Afrika bedeutet allerdings, auf Selbstverständlichkeiten zu verzichten. Für die unkomplizierte Teresa keine große Sache. Klamotten mit der Hand statt bequem mit der Waschmaschine zu waschen? Kein Problem, immerhin „habe ich ja bei den knapp 30 Grad Durchschnittstemperatur keine schweren Jeans gebraucht“. Ein knapp 17 Quadratmeter großes Zimmer mit ihrer Mitvolontärin teilen? Ebenfalls kein Problem. „Vor allem die Breze habe ich in Benin vermisst – und den Herbst. Dort gibt es nämlich keine richtigen Jahreszeiten, einzig im September und Oktober eine starke Regenzeit“, erklärt die 19-Jährige, die nun ab Oktober Geographie in Wien studieren wird.
Ihre Familie besuchte sie über die Osterfeiertage
.Natürlich habe sie ihre Familie vermisst, etwa „bei der Oma mit der gesamten Familie auf der Terrasse zusammenzusitzen“. Mama Agnes (49), Papa Marko (56), Schwester Annina (20) und Cousin Dorian (27) haben Teresa über Ostern für zehn Tage besucht. Ihre kleine Schwester Luisa (17) war da selbst gerade im Ausland, auf einem halbjährigen Segeltörn rund um die Welt. Für ihren Vater Dr. Marko Stefenelli war der Besuch bei der Tochter „die intensivste und mich nachhaltig am stärksten beeindruckende Reise“. So beeindruckend, dass die Stefenellis ihren Neuzugang, einen Berner Sennenhund, kurzerhand Savalou nach einer beninischen Stadt tauften.
Babysitterin, Lehrerin und Mentorin: Teresas Aufgabenfeld war groß
Teresas Familie konnte vor Ort sehen, wie sie sich tagtäglich engagierte. Zum Beispiel in einer alternativen Grundschule für Kinder, die eigentlich zu alt für eine Einschulung sind und dort Lesen, Schreiben und Rechnen lernen. In einem Wohnheim für rund 60 Mädchen half Teresa bei den Hausaufgaben mit, in einem Ausbildungszentrum für junge Frauen digitalisierte sie Lebensläufe, in einer Vorschule brachte sie Kindern das Lesen bei. Ihr Aufgabenfeld war groß: Sie engagierte sich an einem Zufluchtsort für Mädchen, die als Marktverkäuferinnen ihren Lebensunterhalt verdienen. Besonders groß war Teresas Verantwortung als Babysitterin: Sie passte auf einen Schwung Babys gleichzeitig auf, deren Mütter zum Beispiel eine Ausbildung zur Bäckerin oder Konditorin machen.
Traditionell beninische Kleidung hat sie fest in ihre Garderobe integriert
„Früher dachte ich immer, man kommt nach Afrika, um dort was zu verändern, doch das war westliche Überheblichkeit“, so Teresa. Als weiße Exotin wurde der Passauerin auf der Straße immer wieder „Yovo“ (zu Deutsch: Weiße) zugerufen. Das sei keine Beleidigung, wie Teresa erklärt. Seit sie sich allerdings mit den typisch afrikanischen bunt gemusterten Wickelröcken und Oberteilen kleidete, war ist sie eine „Yovo beninoise“ (zu Deutsch: beninische Weiße). Auch zum PNP-Interview erscheint Teresa in einem helllila-eukalyptusfarbenen Wickelrock, die bunten Stoffe hat sie seit ihrer Rückkehr fest in ihre deutsche Sommergarderobe integriert.
Jedes Modestück in Benin ist ein Unikat .
Fast Fashion ade! Stattdessen: Einzigartigkeit und Maßarbeit. In Benin suchen sich die meisten Bewohner ein Stück Stoff aus und bringen dieses dann zu einer Schneiderei. Dort werden die Stoffe dann am eigenen Körper vermessen und nach persönlichen Wünschen zusammengenäht. In der Schneiderei wird sechs Tage die Woche von 8 bis 22 Uhr gearbeitet. „Die dort unten sind eh alle faul“: Solche Vorurteile kann Teresa nicht mehr hören. „Klar, es gibt so etwas wie eine beninische Zeit. Die kommen deutlich öfter zu spät als viele Deutsche und sind nicht immer allzu zuverlässig. Aber sie arbeiten unglaublich viel.“
Auf dem Markt verhandeln statt bequem in den Supermarkt gehen
Dennoch ist Benin ein armes Land, liegt beim weltweiten Armutsindex auf Platz 158 von 189 Staaten. „Selbst wenn die Leute Urlaub haben, arbeiten sie irgendwas“, so Teresa. Viele verkaufen am Markt Essen, Kleidung und Hygieneartikel. „In den Supermarkt gehen nur die sehr Reichen und Weiße. Ich habe viel lieber auf dem Markt mit den Händlern verhandelt. Das ist eine ganz andere Art des Einkaufens.“ Die Passauerin ist nun ein Profi im Runterhandeln von Preisen.
Während Gleichaltrige in diesem Jahr Formeln oder Paragraphen an der Uni gepaukt haben, hat Teresa etwas praxisorientierter gelernt: Zum Beispiel sich Babys auf den Rücken binden und sie wickeln oder Sachen auf dem Kopf tragen, um nur einiges zu nennen. Und natürlich die Sprache: „Auch wenn in Benin die Nasale ganz anders betont werden wie in Frankreich: Mit der Zeit kommt man gut rein.“
Mückenproblem: Teresa erkrankte an Malaria
Weniger angenehm waren die Mücken: Im letzten Monat ihres Aufenthalts erkrankte Teresa an Malaria, überstand die Krankheit jedoch ohne Probleme. „Grundsätzlich muss man wegen der erhöhten Gefahr jede Nacht unter einem Mückennetz schlafen. Das kann, so wichtig es ist, auf die Dauer ganz schön nervig werden“, fügt die 19-Jährige hinzu.
Ihre Familie ist sehr engagiert in der Kirche Sankt Peter in Haidenhof, der Heiligabend hat einen hohen Stellenwert bei den Stefenellis. Weihnachten am Strand statt unterm Tannenbaum? „Komischerweise kamen bei mir trotzdem Weihnachtsgefühle auf“, auch wenn der Bilder-Adventskalender, den Mama Agnes Stefenelli bereits Monate vorher verschickte, erst im März bei ihr eintraf.
„Ich möchte unbedingt wieder hinfliegen.“
Auch wenn sie froh ist, wieder in Deutschland zu sein, Teresa vermisst so einiges an Benin: „Die Leute tanzen dort viel hemmungsloser, sind generell deutlich lockerer und offener, einfach gelöster.“ Für Teresa Stefenelli ist klar: „In drei oder vier Jahren möchte ich unbedingt wieder hinfliegen.“
M2: Bild von Teresa Stefenelli
M3: Didaktische Impulse
1. Teresa Stefenelli hat in ihrer Zeit in Benin einige Unterschiede zu ihrem Leben in Deutschland festgestellt. Sucht diese aus dem Artikel heraus und besprecht sie mit einem Partner.
2.Könntet ihr euch vorstellen, nach eurer Schulzeit ins Ausland zu gehen, um arme Menschen in den Entwicklungsländern zu unterstützen? Diskutiert in der Klasse.
3. Kennt ihr andere Leute, die einen Freiwilligendienst im Ausland absolviert absolviert haben? Führt mit ihnen ein Interview und fragt sie nach ihren Beweggründen und Erfahrungen.