Senff, Ute
Thema: Armenhilfe, Ehrenamt, Nächstenhilfe, Sozialarbeit
M1: PNP, 21.05.2014, Nr. 116, S. 19
Die Tafel ist immer im Kopf
Ute Senff leitet ehrenamtlich die Passauer Tafel in der Großen Messergasse – Die Kundschaft wird mehr, die Ware weniger
von Elke Zauner
Wenn Ute Senff (57) in der Innenstadt unterwegs ist, hält sie immer die Augen offen nach neuen Lebensmittelgeschäften. Läden, in denen sie fragen könnte, ob sie vielleicht etwas übrig haben für die Passauer Tafel. Diese Einrichtung in der Großen Messergasse 1 gibt jeden Donnerstag Lebensmittel an Menschen aus, die jeden Cent zwei Mal umdrehen müssen. Im Kopf hat Ute Senff das Projekt sieben Tage die Woche.
Dass die Tafel eine gute Sache ist, wusste Ute Senff sofort. Als Frauen von Innerwheel Passau, das weibliche Pendant zum Rotary Club, vor rund 14 Jahren die Idee dazu hatten, trat Ute Senff dieser Wohltätigkeitsorganisation nur aus diesem Grund bei. Seither ist sie Mitglied bei der Tafel. Seit ein paar Monaten zieht die Diplompädagogin an der Spitze des Vereins nun auch die Fäden, denn 2013 hat sie das Amt der Vorsitzenden Reinhilde Keilbach übernommen, die die Tafel zu dem machte, was sie heute ist: Eine Einrichtung, ohne die die Stadt um ein Stück ärmer wäre. Rentner mit kleinstem Budget, Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern, Hartz IV-Empfänger oder Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen ginge es ohne diese Versorgung mit Grundnahrungsmitteln schlichtweg schlecht.
Ute Senff führt dieses Erbe nun weiter. Rund 60 ehrenamtliche Mitarbeiter vom Studenten bis zum Ruheständler stehen ihr dabei zur Seite. "Ohne deren Hilfe ging es nicht", sagt Ute Senff. Die Helfer arbeiten in verschiedenen Gruppen. Mittwochs holen Fahrer die Lebensmittel aus den Passauer Supermärkten ab und bringen sie in die Altstadt. Die einen säubern Obst und Gemüse, andere räumen die Lebensmittel in die Regale, damit es am Donnerstag, wenn die Tafel um zwei Uhr nachmittags öffnet, so ordentlich aussieht wie im Tante Emma-Laden. Auch bei der Warenverteilung hilft ein routiniertes Team zusammen. Seit 2011 ist die Tafel in der Trägerschaft der Caritas, die Räume in der Großen Messergasse stellt die Diözese dem Verein unentgeltlich zur Verfügung.
Rund 170 bedürftige Passauer kommen jede Woche zwischen 14 und 18 Uhr. So viele haben momentan einen Berechtigungsschein. Der tatsächliche Kundenkreis ist mit rund 400 Menschen aber weitaus größer, denn meist profitieren auch Kinder oder Partner von den Lebensmitteln. Die Zahl der Bedürftigen ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen, erzählt Ute Senff. Das Aufkommen an Lebensmitteln hingegen nicht. Diesen Abwärtstrend beobachtet Ute Senff nun seit etwa einem halben Jahr mit gewisser Sorge. "Wir sind derzeit sehr auf überschüssige Waren angewiesen", sagt sie. Vor allem an Gemüse und Grundnahrungsmitteln mangelt es jede Woche. Warum die Waren aus den Supermärkten weniger werden, ist der Vorsitzenden selbst noch etwas schleierhaft, sie kann nur mutmaßen: "Ein möglicher Grund ist vielleicht, dass die Märkte gezielter einkaufen und weniger übrig bleibt."
Ute Senff wird Ursachenforschung betreiben, die Märkte direkt fragen, auch neue, kleinere Zulieferer möchte sie akquirieren. Grundsätzlich ist die Bereitschaft der Konzerne jedoch groß, Waren, die in der Nähe des überschrittenen Haltbarkeitsdatums sind, aber noch einwandfrei verzehrt werden können, zur Verfügung zu stellen. Fast alle Discounter und Supermärkte im Stadtgebiet machen mit, seit es die Tafel gibt. Wurst, Käse, Fisch, Joghurt, Fertigprodukte, Reis, Nudeln, Zucker, Mehl, Obst und Gemüse werden gespendet statt entsorgt. Brot vom Vortag liefern die Bäckereien zu. Was am Donnerstag übrig bleibt, geht an Solwodi, das Passauer Frauenhaus und das Nikolakloster.
Neben mehr Waren bräuchte die Tafel auch dringend einen Lagerraum für die Lebensmittel, idealerweise in der Altstadt und am besten mietfrei. "Zehn Quadratmeter ebenerdig würden schon reichen", sagt Ute Senff. Sonst müssen die nächsten Paletten mit Nikoläusen und Osterhasen, die nach den Feiertagen in den Supermärkten übrig bleiben, wieder vorübergehend in den Keller der Vorsitzenden..
In Heining hat Ute Senff ein schönes Zuhause. Mit ihrem Mann Christian (57), der früher im Druckerei-Management tätig war, lebt sie privilegiert. Dessen ist sich Ute Senff sehr wohl bewusst. Gerade weil sie ständig mit Menschen konfrontiert ist, die vom Glück nicht verwöhnt werden, weiß sie es umso mehr zu schätzen, dass es ihr gut geht. "Wir führen ein selbstbestimmtes Leben, so wie wir es uns vorgestellt haben", sagt Ute Senff, die 36 Jahre mit ihrem Mann verheiratet ist, den sie seit Schulzeiten kennt. Doch so war es nicht immer. Beide kommen aus Weimar, konnten sich aber ein Leben in der totalitären DDR nicht vorstellen und kämpften deshalb für die Ausreise nach Westdeutschland, was ihnen 1983 schließlich auch gelang. Die Senffs lebten in Westberlin und in Regensburg, bis sie im Jahr 2000 nach Passau kamen. Auch wenn Weimar im Herzen noch immer die Heimat ist, niederbayerische Wurzeln haben sie längst geschlagen. "Wir wollen hier auch bleiben, den Rest unseres Leben verbringen", sagt Ute Senff.
Ihr Ziel ist es, die Passauer Tafel auch in Zukunft zu erhalten, weitere Sponsoren und Unterstützer für das Projekt zu finden. Die Arbeit für die Tafel beschäftigt sie tagtäglich. Telefonate mit Lieferanten, mit Tafeln aus anderen Städten, mit den Klienten. Im Krankheitsfall bringen die Tafel-Mitarbeiter den Bedürftigen die Lebensmittel auch nach Hause. Zu den Tafel-Kunden hat Ute Senff längst eine Bindung entwickelt. "Viele kenne ich schließlich über 13 Jahre", sagt sie. In der Großen Messergasse geht es um weit mehr als das bloße Aushändigen von Brot, Zucker oder ein paar Bechern Joghurt. "Die Leute wollen reden, das persönliche Gespräch ist für sie ganz wichtig", sagt Ute Senff. Viele warten am Donnerstag deshalb schon eine halbe Stunde vor der Tür, bis die Warenverteilung offiziell beginnt.
In den Anfangsjahren, erzählt Ute Senff, sei die Altstädter Umgebung irritiert gewesen über diese Einrichtung. Doch die Bedenken haben sich längst als unberechtigt zerschlagen. Und auch die meisten Stammkunden haben keine Hemmschwelle mehr, gehen hier ohne Scham ein und aus. Wer die ersten Male kommt, dem fällt der Schritt allerdings oft schwer, da fließen manchmal auch Tränen. Aus psychologischen Gründen zahlt jeder Bezugsberechtigte symbolisch einen Euro für die Lebensmittel. "Das ist ganz wichtig, damit sich niemand als Bettler fühlt", sagt Ute Senff.
Für viele der Tafel-Kunden ist Ute Senff eine Vertrauensperson. "Sie erzählen mir alles", sagt sie. Welche Krankheiten sie haben, was mit den Kindern ist. Wenn sie merkt, dass es jemandem besonders schlecht geht, macht sie auch mal einen Hausbesuch. Die einzelnen Schicksale gehen ihr nahe, oft viel näher als es ihr eigentlich gut tut. Doch dagegen kann sie sich nur schwer wehren, es ist ihr Naturell. Unterm Strich überwiegt jedoch das Schöne in ihrer Arbeit für die Passauer Tafel. Wenn Ute Senff jeden Donnerstag aufs Neue sieht, wie sich die Kunden ehrlich freuen, nur weil sie Lebensmittel bekommen, ist das für sie ein wunderbarer Grund weiterzumachen.
Wer die Tafel unterstützen möchte, wendet sich per E-Mail an Ute Senff: utesenff-passauertafel@t-online.de; 0851/4902030.
Vita
Ute Senff wurde 1957 in Weimar geboren. In Jena studierte sie Russisch und Englisch und arbeitete in Leipzig als Lehrerin, später als freiberufliche Übersetzerin. Mit ihrem Mann Christian hat sie zwei Söhne – Sebastian (34) und Maximilian (21). Die Familie reiste 1983 aus der damaligen DDR aus, lebte dann in Westberlin und in der Nähe von Regensburg. Dort gab Ute Senff krebskranken Kindern in den eigenen vier Wänden Unterricht. 2000 kam die Familie nach Passau, seit Bestehen der Tafel engagiert sich Ute Senfff ehrenamtlich für den Verein, den sie seit einigen Monaten auch als Vorsitzende führt. Ute Senff liebt das Reisen (vorzugsweise in die Karibik), sie joggt und schwimmt gerne und liest am liebsten Biografien.
M2: Bild von Ute Senff (2014)
M3: PNP, 02.08.2021, Nr. 176, S. 25
"Mein erstes Mal" – Die Tafelleiterin
Das erste Mal ist etwas ganz Besonderes. Der erste Auftritt eines Musikers, das erste Tor einer Fußballerin, der erste Fall eines Juristen. Solche Momente bleiben in Erinnerung und können Menschen ihr Leben lang prägen. Um solche Erfahrungen geht es im PNP-Interview "Mein erstes Mal". Heute: Ute Senff (64), die Leiterin der Passauer Tafel.
von Johannes Munzinger
Wir alle erleben zum ersten Mal eine Pandemie. Wie geht es Ihnen?
Danke, sehr gut. Wir sind gesundheitlich nicht betroffen, sind alle zweimal geimpft. Was die Tafel betrifft, hat mir die Situation aber schon Sorgen bereitet, wir mussten vieles umstellen. Es hat eine Weile gedauert, bis ich mich darauf einstellen konnte.
Wie konnte die Tafel während der Lockdowns arbeiten?
Zu Beginn der Pandemie war die Tafel noch geöffnet. Erst im September, als es richtig schlimm wurde, hatten wir geschlossen. Von September bis März haben mein Mann und ich in unserer Garage Lebensmittelbeutel gepackt, und junge Freiwillige habe diese dann zu den Bedürftigen nach Hause geliefert. Das war ein immenser Aufwand. Jetzt ist die Tafel wieder offen, aber wir packen weiterhin fertige Beutel, die sich die Kunden bei uns abholen können. Wir haben ja sehr viele Kunden, und damit es bei uns nicht zu eng wird, wechseln sie sich in zwei Gruppen vierzehntägig ab.
Wie ging es den Bedürftigen während der Pandemie?
Schlecht. Sie waren auf den Beutel wirklich angewiesen, den wir ihnen einmal im Monat gebracht haben. Dank der großen Solidarität der Passauer hatten wir aber ein hohes Spendenaufkommen, ich konnte sogar einmal im Monat Gutscheine ausstellen.
Wann sind Sie zum ersten Mal mit dem Thema "Armut" in Berührung gekommen?
Mit der Armutsthematik bin ich zum ersten Mal konfrontiert worden, nachdem ich 1974 mein Abitur gemacht hatte. Ich bin damals mit Freunden per Anhalter nach Bulgarien gefahren, und auf dem Weg haben wir Rumänien durchquert. Dort habe ich zum ersten Mal richtige Armut gesehen. Da standen Kinder an der Straße und haben um Lebensmittel gebettelt. Das hat mich überrascht und erschreckt. Ich hatte damals mit meinen 18 Jahren aber noch nicht den Gedanken, dass ich mich engagieren muss.
Wann hat Ihr ehrenamtliches Engagement begonnen?
Das war 1998 in Regensburg. Mein Mann war damals Mitglied bei Round Table. Sie haben die Krebsstation im Krankenhaus unterstützt. Das war eine Eltern-Kind-Station. Ich bin Lehrerin von Beruf und habe die Kinder ehrenamtlich zuhause unterrichtet.
Machen Sie das aus reinem Altruismus oder gibt Ihnen das persönlich auch etwas?
Natürlich gibt es mir etwas. Sonst würde ich es nicht machen, muss ich sagen. Bei den krebskranken Kindern angefangen: Diese Freude in ihren Augen zu sehen, weil sie etwas lernen können, obwohl sie wegen ihrer Krankheit nicht zur Schule gehen können, das war immer mit Tränen verbunden, die Freude war überwältigend. Jetzt bin ich seit 20 Jahren bei der Passauer Tafel und es ist noch immer jede Woche eine Freude. Es ist viel Arbeit, aber wenn man die Dankbarkeit der Leute spürt, dann hat man das Gefühl, dass man alles richtig gemacht hat. Ich bin auf der Sonnenseite des Lebens und kann anderen etwas davon abgeben.
Sie sind in Weimar geboren. Wie hat es Sie nach Passau verschlagen?
Weimar – Passau ist ein langer Weg. Ich habe zuerst in Jena studiert, dann in Leipzig als Lehrerin gearbeitet. 1983 sind mein Mann und ich dann aus der DDR ausgereist und nach West-Berlin gegangen. Dann hat mein Mann eine Stelle in Regensburg angetreten und wir sind 1988 nach Bayern gezogen. Zwölf Jahre später kam die nächste berufliche Veränderung und wir sind nach Passau umgezogen.
Was war Ihr erster Eindruck von Passau?
(lacht) Es war nicht ganz einfach für mich. Es wurde immer kleiner. Nach Berlin war Regensburg schon ein kleiner Schock. Und Passau ist wiederum nur die Hälfte von Regensburg. Aber wegen der Anzahl der Studenten war ich von Anfang an begeistert. Die halten die Stadt jung. Und da mein Mann Rotarier ist, hatten wir sofort Anschluss und sind gut aufgenommen worden. Wir haben uns also schnell wohlgefühlt.
Wie hat Ihr ehrenamtliches Engagement hier begonnen?
Noch im Jahr 2000 hat mich die Inner-Wheel-Präsidentin gefragt, ob ich mitmachen möchte. Ich wollte zuerst nicht, so ein Frauen-Club war nicht mein Ding. Aber sie meinte dann zu mir: "Frau Senff, wir haben da etwas Tolles vor. Wir wollen die Passauer Tafel gründen." Da habe ich gesagt: Ich mache mit.
2001 öffnete die Tafel erstmals ihre Tür. Erinnern Sie sich an den Tag?
Auf jeden Fall, obwohl 20 Jahre vergangen sind. Der erste Tag war beeindruckend, vor allem war ich erstaunt, wie viele Bedürftige es in so einer kleinen Stadt wie Passau gibt. Das ist mir im Kopf geblieben. Es kommen übrigens heute noch Leute zu uns, die schon an diesem ersten Tag bei uns waren.
Passau ist keine arme Stadt. Wo kommen all die Bedürftigen her?
Es sind viele alleinstehende Rentner darunter. Bei vielen hat die Rente gereicht, als der Lebenspartner oder die -partnerin noch am Leben war. Sobald ein Partner stirbt, kommt der hinterbliebene nicht mehr zurecht. Zu uns kommen auch viele alleinstehende Mütter. Dann haben wir auch psychisch angeschlagene Menschen, die nicht mehr in die Arbeitswelt integriert werden können, auch Suchtkranke. Es kommen aber auch Personen, die vorher selbstständig waren, sich aber vielleicht nicht richtig abgesichert hatten und dann in ein Loch gefallen sind. Viele, viele Arbeitslose, die keinen Job finden, sind unter unseren Kunden. Und natürlich seit einigen Jahren auch Flüchtlinge.
Wie gehen Sie auf jemanden zu, der zum ersten Mal zur Tafel kommt?
Ich versuche, ihnen die Scham zu nehmen. Es kostet eine enorme Überwindung, zum ersten Mal zur Tafel zu gehen. Dieser erste Schritt ist der wichtige. Wenn sie das geschafft haben, muss ich ihnen die Angst nehmen. Die Scham ist bei vielen wirklich groß, sie wollen nicht zeigen, dass sie tatsächlich bedürftig sind. Wenn diese Hürde genommen ist, möchte ich ihnen zeigen, dass sie hier willkommen sind und freundlich behandelt werden. Wir hören ihnen zu, haben ein offenes Ohr und lassen uns gerne erzählen, wie die Menschen in ihre Situation gekommen sind. Wenn ihnen die erste Angst genommen ist, öffnen sie sich und merken, dass bei der Tafel nur nette Leute sind. Und dann kommen sie gerne.
Seit 2013 leiten Sie die Tafel. Hat es einen Unterschied gemacht, als Sie zum ersten Mal als Chefin die Tafel aufgesperrt haben?
Ja. Zuerst war es ein gutes Gefühl. Aber ich habe auch sofort gemerkt, dass die Verantwortung viel größer ist. Das war ein großer Schritt. Was mir damals erst so richtig bewusst wurde: Ohne die Mitarbeiter geht gar nichts. Und mir wurde damals erst klar, wie groß die Unterstützung der Passauer ist, die uns Spenden zukommen lassen.
Mussten Sie schon einmal um die Existenz der Tafel fürchten, weil nicht mehr genug Unterstützung da war?
Bei den Mitarbeitern gab es diese Angst nie. Die meisten sind schon viele, viele Jahre bei der Tafel, und wer einmal angefangen hat, ist auch geblieben, bis er aus Altersgründen ausscheiden wollte. Es kommen auch immer Ehrenamtliche nach. Vor einigen Jahren gab es aber einmal einen ziemlichen Engpass bei den Spenden. Wir mussten Aufrufe starten, um über die Runden zu kommen. Aber seitdem haben wir viele feste Spender, die uns treu bleiben und uns am Leben halten. Da können wir nur dankbar sein.
Sie kennen alle Ihre Kunden. Was tun sie, wenn sie einen von ihnen länger nicht mehr in der Tafel gesehen haben?
Viele unserer Kunden sind mir ans Herz gewachsen. Ich habe mir auch von allen die Telefonnummern geben lassen. Wenn jemand, von dem ich weiß, dass er eigentlich immer kommt, nicht da ist, dann rufe ich an. Die einzigen Gründe für das Fernbleiben sind eigentlich immer Krankheit oder Tod.
Kommt es nicht vor, dass jemand einen Weg aus der Armut gefunden hat?
Leider fast nie. In den 20 Jahren ist das dreimal der Fall gewesen. Aus dem Loch kommen leider die wenigsten wieder raus. Dass es drei Fälle waren, weiß ich, weil diese Leute das einem vor lauter Freude sofort mitteilen. Wenn einen jemand anruft und sagt: "Frau Senff... ich brauche Sie nicht mehr", dann ist das unglaublich toll. Diese drei Momente waren die schönsten in meiner Zeit bei der Tafel. Wir wünschen uns ja, dass wir weniger Kunden haben. Aber es kommt wirklich selten vor.
Brauchen immer mehr Leute die Tafel?
Ja. Unsere Kunden werden immer mehr. Ich musste sogar schon Aufnahmestopps verhängen müssen. Gefühlt werden es jede Woche mehr.
Was kann man dagegen tun?
Wir von der Tafel? Nichts. Wir können nur versuchen, zu helfen. Dagegen kann nur der Staat etwas tun. Solange die Schere zwischen Arm und Reich weiter aufgeht, wird diese Entwicklung nicht aufhören.
Sie haben gerade das Ehrenzeichen des Ministerpräsidenten für Ihr Engagement bekommen, 2018 wurde Ihnen die Ehrennadel der Stadt verliehen. Was bedeuten Ihnen diese Ehrungen?
Ich war beide Mal sehr überrascht und glücklich. Mich wundert, dass mich jemand für das Ehrenzeichen vorgeschlagen hat und ich die Auszeichnung dann auch noch bekommen habe. Aber diese Auszeichnung habe ich nur meinen Mitarbeitern zu verdanken. Ich sehe das als Auszeichnung für alle von der Tafel. Wie bei einer Fußballmannschaft, die für den Sieg auch nur eine Trophäe kriegt.
Irgendwann werden Sie zum letzten Mal einem Bedürftigen geholfen haben. Wie sollen sich die Menschen dann an Tafelleiterin Ute Senff erinnern?
Ich hoffe, dass unsere Kunden sich an mich als jemanden erinnern, der viele Jahre da war und alles getan hat, um ihnen zu helfen. Und es würde mich freuen, wenn alle anderen an meinem Beispiel sehen, dass es sich lohnt, immer am Ball zu bleiben. Ehrenamt ist eine tolle Sache, aber es braucht Beständigkeit.
M4: Bild von Ute Senff (2021)
M5: Didaktische Impulse
- Wer ist Ute Senff? Beschreibe ihre Persönlichkeit / ihren Charakter mit Hilfe einer MindMap. Folgende Impulse können dir dabei helfen: Wie lässt sich ihr Werdegang skizzieren? Warum engagiert sie sich ehrenamtlich? Welche Rolle nimmt sie innerhalb der Passauer Tafel ein?
- Diskutiere mit einem*r Partner*in die Aussage von Frau Senff: "Ehrenamt ist eine tolle Sache, aber es braucht Beständigkeit."
- Vergleiche die beiden Texte über Ute Senff und arbeite heraus, warum es wichtig ist, dass es Einrichtungen wie die "Tafel" gibt.
- Recherchiert im Internet, wo es in eurer Nähe eine Tafel gibt. Versucht mit den Mitgliedern Kontakt aufzunehmen, um sie zu den Hintergründen ihres ehrenamtlichen Engagements zu befragen.
- Überlegt, wie ihr euch für arme Kinder einsetzen könnt. Beispiele:
- Pausenverkauf- Erlös an ein Kinderheim?
- Flohmarkt?
- Kuchenbasar?
- Schul-CD?
- Tombola?
- Spendenlauf?
- Gebetsbuch gestalten und verkaufen?
- Probiert es aus!