Seipel, Aljoscha
Thema: Freiwilligendienst, Friedensdienst, Sozialarbeit, Judenverfolgung, Eigeninitiative
M1: PNP, 31.01.2017, Nr. 25, S. 18
"Es geht darum, ein Zeichen zu setzen"
Nach einem Jahr Freiwilligendienst in Israel will Aljoscha Seipel die Passauer zum Engagement ermutigen
von Johannes Munzinger
Der gebürtige Aschaffenburger Aljoscha Seipel studiert seit drei Semestern Kulturwirtschaft in Passau. Er könnte allerdings schon im 5. Semester sein. Doch nach seinem Abitur 2015 entschloss sich der heute 21-Jährige, ein Jahr lang Freiwilligendienst in Israel zu leisten. Möglich gemacht hat dies die "Aktion Sühnezeichen Friedensdienste" (ASF).
Seit ihrer Gründung 1958 hat es sich die ASF zur Aufgabe gemacht, "die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus in die Gesellschaft zu tragen und dabei international sichtbare Zeichen zu setzen". Dazu bietet sie jungen Menschen die Gelegenheit, weltweit Freiwilligendienst zu leisten, etwa in Seniorenheimen jüdischer Gemeinden, in denen Überlebende der Schoa untergebracht sind, oder in Einrichtungen für Menschen mit körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen.
Dass Seipel dieses Angebot wahrnehmen wollte, war ihm nicht erst nach seinem Abitur klar:
"Tatsächlich kam mir der Gedanke schon vorher. Ich habe mich in der Oberstufe ziemlich intensiv mit dem Thema Nationalsozialismus auseinandergesetzt und wollte dann nach Israel. Das war eine Herzensangelegenheit."
Dabei ging es ihm nicht darum, durch sein gutes Werk Wiedergutmachung für die Gräuel der Nazis zu betreiben: "Solche Verbrechen lassen sich nicht wieder gut machen. Es geht darum, ein Zeichen zu setzen. Die Opfer des Nationalsozialismus sind ja nicht verschwunden, die leben immer noch. Die sollten und dürfen wir nicht vergessen." Die ASF unterstützte ihn mit Büchern und Kursen, damit er sich auf die Landessprache Hebräisch vorbereiten konnte. Nach einem Einführungsseminar in Berlin ging es dann direkt nach Israel, wo er von September 2015 bis 2016 in der israelischen Stadt Afula in einer Einrichtung für Behinderte arbeitete.
Eine anstrengende Arbeit: "Im Prinzip habe ich am Leben der Menschen, die dort wohnen und arbeiten, teilgehabt. Ich habe um 6 Uhr angefangen, ihnen beim Anziehen geholfen, bin mit ihnen zur Arbeit gegangen. Ich hatte normalerweise einen Achtstundentag, habe auch pflegerische Tätigkeiten übernommen."
Dennoch sei Seipel genug Freizeit und Abwechslung geblieben: "Ich bin überall rumgereist, mit israelischen Freiwilligen. Wir hatten auch noch weitere politische und historische Seminare, sind an den Gazastreifen gefahren und haben uns dort mit den Leitern verschiedener Nichtregierungsorganisationen getroffen."
Seipel sagt zwar, dass er sich nach einem Jahr doch darauf gefreut habe, wieder nach Hause zu seiner Familie zu kommen, schließlich habe er, wie er verschmitzt lachend zugibt, "vorher noch nie so lange und so viel gearbeitet. Arbeit ist eben hart."
Seinen Entschluss habe er dennoch keine Sekunde bereut. Schließlich habe er "eine ganze Menge" gelernt. Er habe nicht nur eine neue Kultur und Sprache kennengelernt – Seipel lernt noch heute weiter Hebräisch – und "unglaublich viele Sinneseindrücke" erfahren. Er sei in diesem Jahr durch die Arbeit mit Behinderten vor allem reifer geworden: "Ich habe dadurch vor allem gelernt, Verantwortung zu übernehmen. Es war unheimlich anstrengend, aber genau so erfüllend. Es hat einen großen Teil zu meiner Persönlichkeitsentwicklung beigetragen."
Seit seinem Freiwilligendienst ist er Mitglied bei der ASF. Jetzt will er eine Passauer Gruppe auf die Beine stellen. Aber: "Zur ASF kommen relativ wenige Leute aus Bayern. Gerade deshalb ist es mir ein Anliegen, den Passauern die ASF näher zu bringen und sie zum Engagement zu ermutigen."
Er könne allen, die über 18 sind, nur dazu raten. Die einzigen Voraussetzungen seien Interesse und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, "persönlich und historisch". Bewerbungen für dieses Jahr sind noch bis zum 3. Februar möglich (www.asf-ev.de).
M2: Bild von Aljoscha Seipel
M3: Didaktische Impulse
1. Auf dem Foto siehst du das Mahnmal der NS-Opfer in Passau. Erkunde deinen Heimatort/deine Umgebung und finde heraus, ob es dort auch Denkmäler gibt. Schau sie dir genau an: Kannst du erkennen, woran sie erinnern sollen? Gehen die Leute daran achtlos vorbei oder halten sie kurz inne? Gibt es besondere Tage im Jahr, an denen sich Menschen um das Denk-/Mahnmal versammeln (vgl. Kriegergedenkmal und Volkstrauertag)?
2. Aljoscha sagt zum Thema Nationalsozialismus selbst: "Solche Verbrechen lassen sich nicht wieder gut machen. Es geht darum, ein Zeichen zu setzen". Fallen dir solche "Zeichen" ein, die man heutzutage setzen könnte, um mehr Offenheit und Toleranz gegenüber Juden zu zeigen und zu leben? Tragt gemeinsam in der Klasse eine Liste zusammen.
3. Gestalte selbst zeichnerisch ein Mahn-/Denkmal! Bringe darin zum Ausdruck, an welches historisches Ereignis die Menschen deiner Meinung nach erinnert werden sollten und warum es damals und heute eine Bedeutung für das Zusammenleben der Menschen darstellt!
(Beispiel: Martin Luther King - Kampf gegen Diskriminierung von "Schwarzen")