Schwester Teresa
Thema: Eine Welt, Glaubenszeugnis, Hilfsbereitschaft
M1: PNP, 17.09.2021, Nr. 216, S. 28
Schwester Teresas Leben gehört Afrika
Bis 19. Oktober ist die 87-Jährige noch auf Heimaturlaub in Ruhstorf
von Karin Seidl
Ruhstorf. Ist das jetzt ihr letzter Heimaturlaub? "Das weiß man nicht", sagt Schwester Teresa, "kann schon sein". Wer weiß schon, was in drei Jahren ist – Dominikaner-Schwestern dürfen alle drei Jahre Heimatbesuche machen. In drei Jahren ist Schwester Teresa 90 Jahre alt. "Wenn es mir dann noch so gut geht wie jetzt, steige ich schon noch in ein Flugzeug", sagt sie und lacht übers ganze Gesicht. Dann fliegt sie noch einmal von Harare nach München und verbringt drei Monate in Ruhstorf bei ihrer Familie. Schwester Teresa kümmert sich mit ganzem Einsatz und Gottes Hilfe schon ihr ganzes Leben lang um die Ärmsten in Simbabwe – und tut es noch, auch wenn sie dort inzwischen in einem Seniorenheim wohnt. Ihr Händedruck ist kräftig, die Worte sprudeln nur so aus ihr hervor. "Aber eigentlich mag ich das gar nicht, mich in den Vordergrund stellen. Aber Sie haben ja gefragt." Stimmt, wir wollen es wissen.
Ein Krankenhaus ohne Strom und Wasser
Die kleine Teresa Maier wächst mit drei Geschwistern – Konrad, Katharina und Martha – in Ruhstorf auf. Und sie weiß ziemlich früh, was sie will: nach Afrika. "Warum, weiß ich nicht. Das war halt so." Vielleicht hatte damals schon Gott seine Hände mit im Spiel? Das Mädchen vom Lande jedenfalls verfolgt ihr Ziel mit ausgesprochener Konsequenz. Mit Anfang 20 verlässt sie ihre Heimat und tritt im Kloster Strahlfeld in der Oberpfalz in den Orden der Dominikanerinnen ein. In London macht sie eine Krankenschwesterausbildung und lernt den Beruf der Hebamme. Mit diesem Rüstzeug geht sie in die Mission nach Simbabwe.
In eine andere Welt. In den Südosten von Afrika, über zehntausend Kilometer von Ruhstorf entfernt. In den Busch. "Wenn man keine Vorstellung davon hat, wie es sein wird, nimmt man die Dinge, die Lebensumstände an, so wie sie sind", erzählt sie von damals und kramt in ihren Erinnerungen: Mit 29 Jahren tritt sie eine Stelle im Silveira Missionskrankenhaus an, etwa 400 Kilometer von der Hauptstadt Harare entfernt. "Das war ziemlich primitiv. Es gab kein fließendes Wasser, keinen Strom." Nach neun Jahren erfolgt der Ruf ans Krankenhaus St. Theresa in Rupepwe – "da gab es Wasser und auch Strom". An beiden Krankenhäusern gibt sie in den angegliederten Krankenpflegeschulen ihr Wissen als Lehrschwester weiter. Und saugt selbst Wissen auf: Sie hat das Glück, einem amerikanischen Arzt bei Operationen assistieren zu dürfen. Dort erwirbt sie Fähigkeiten, die in den Befreiungskriegen goldwert sind. Die Guerilla lieferte sich mit den Regierungstruppen erbitterte Gefechte. Nachts kamen die Guerillakämpfer in die Krankenhäuser, verlangten Hilfe und Medikamente, "einmal sind auch Schwestern ermordet worden. Das war eine gefährliche Zeit, wir hatten keinen Schutz, weit und breit gab es keine Ärzte mehr." Sie waren heim zu ihren Familien nach Europa oder Amerika geflohen.
34 Babys hilft sie per Kaiserschnitt auf die Welt
Aus der akuten Not heraus muss Schwester Teresa operieren. "Wir Schwestern mussten plötzlich Sachen tun, die uns eigentlich gar nicht zustanden", erinnert sie sich an die Kriegsjahre zwischen 1973 und 1980. 1977 macht sie ihren ersten Kaiserschnitt. "Es war sonst keiner da. Ich hab der Küchenschwester gesagt, sie soll in die Kapelle gehen und beten." Schwester Teresa tut nun selbst, was sie dem Chirurgen abgeschaut hat, sie greift zum Skalpell und rettet sowohl die Mutter als auch das Baby. "Ich dachte, es bleibt bei einer OP." Falsch gedacht. 34 Kaiserschnitte sollen folgen. Alle gehen gut aus. "Die Oberschwester war für die Narkose zuständig, ich fürs Flicken und Zunähen", sagt sie salopp. Hatte sie nie Angst? "Seltsamerweise nicht. Ich habe mich beschützt gefühlt. Es ist erstaunlich, wie man die Hilfe Gottes erfährt, wie sie in diesen Momenten fast fühlbar war."
Mit dem Ende der Befreiungskriege normalisiert sich das Leben, die Ärzte kommen zurück. "Aber die Wirtschaft hat sich nie mehr erholt." Simbabwe, die einstige Kornkammer Südafrikas, liegt total am Boden. 90 Prozent der Bevölkerung ist ohne Arbeit, berichtet die Ordensfrau, die Lebensbedingungen seien unvorstellbar. Benzin und Diesel sind knapp, die Stromversorgung katastrophal, in den Krankenhäusern fehlen Medikamente, dringend benötigte Apparate sind schrottreif, der Hunger schrecklich. Die meisten ernähren sich von einer einzigen kärglichen Mahlzeit am Tag. "Wie können Menschen so leben?", fragt die Ordensschwester laut und fügt nüchtern hinzu: "Es ist erstaunlich, wie wenig Menschen zum Leben brauchen."
Aber die Kinder – um die sorgt sie sich zeitlebens enorm. "Es sind so viele kluge Kinder darunter, die keine Chance haben, aus ihrem Leben etwas zu machen. Die in Slums aufwachsen, ohne Eltern, in Kinderhaushalten, in denen sich die älteren Geschwister um die jüngeren kümmern."
Diese Kinder aus ihrem Elend befreien – das hat sich die Ruhstorfer Ordensschwester seit Jahrzehnten zur Lebensaufgabe gemacht. Wohltäter aus der Heimat unterstützen sie mit Spenden. So kann sie 130 Slum-Kindern im Grundschulalter das Schulgeld zahlen. Weil wegen Corona auch dort die Schulen ein Dreivierteljahr geschlossen waren, blieb Geld übrig. Damit hat sie Essenspakete für 75 Kinder finanziert, die sonst hätten hungern müssen. "Ich möchte möglichst vielen Kindern helfen. Aber das geht natürlich nicht. Die Mittel sind begrenzt."
Allen helfen – das geht leider nicht
Arg hat sie vor fast 20 Jahren mit sich gerungen, einem damals vier Jahre alten Waisenbuben eine Sonderstellung einzuräumen. "Das Kind war so außerordentlich schlau. So ein kleiner, wiefer Kerl. Also hab ich ihm nicht nur das Schulgeld für die Grundschule bezahlt, sondern ihn bis zum Abitur unterstützt. Er hat es mit 1,0 bestanden."Als er um weitere Hilfe gebeten hat, damit er an die Universität gehen kann, hat sie erneut mit sich gehadert: Ist es recht, so viel Geld nur einem jungen Menschen zukommen zu lassen? Im Nachhinein weiß sie, dass es gut war: Passmore, so heißt der Waisenbub von einst, ist heute Rechtsanwalt in fester Anstellung und sagt: Wenn er sich etabliert hat, will er auch das Schulgeld für arme Kinder zahlen.
Gutes tun, spüren, dass das Gute auf fruchtbaren Boden fällt und selbst wieder Gutes hervorbringt. Das macht diese Frau aus Ruhstorf zu einem außerordentlich zufriedenen Menschen. Sie sitzt im Wintergarten ihrer Schwester und breitet die Arme aus: "Mir geht es so gut! Ich könnte mir mein Leben gar nicht anders vorstellen." Bis Mitte Oktober wird sie noch "faulenzen", wie sie spitzbübisch verrät, lesen, ratschen, mit Geschwistern, Angehörigen und alten Freunden Zeit verbringen. "Ich bin dankbar, dass meine Lieben hier sich so für mein Hilfsprojekt engagieren – das überwältigt mich jedes Mal." Ohne sie, das weiß sie sehr genau, wären ihr in Afrika die Hände gebunden.
Wer spenden will, hier ist das Spendenkonto:
IBAN: DE09 7405 0000 0570 602110
BIC: BYLADEM1PAS
Verwendungszweck: Hilfsprojekt Schwester Teresa
M2: Bild von Schwester Teresa
M3: Didaktische Impulse
1. Beschreibe Schwester Teresa genauer: Sammle passende Adjektive für ihre Person und visualisiert diese durch ein Akrostichon.
SCHWESTER TERESA
Treu
Einfühlsam
Robust
Engagiert
Sozial
Alt
2. Lies den Text sorgfältig durch und erläutere zwei Aspekte, die dich besonders am Leben von Schwester Teresa beeindrucken. Tausche dich anschließend gemeinsam mit einem*r Partner*in über deine Erkenntnisse aus.
3. Beantworte folgende Fragen zu der Aussage "Gutes tun, spüren, dass das Gute auf fruchtbaren Boden fällt und selbst wieder Gutes hervorbringt":
Was meint dieser Satz?
Auf welches Ereignis im Text bezieht er sich?
Hast du selbst schon einmal etwas getan, was zu der Aussage passt?
Wie kannst du in deinem Leben Gutes tun?