Schwester Mirjam Müller
Thema: Berufung
M1: PNP, 24.04.2010, Nr. 94, S. 29
Verliebt in Jesus
PNP-Serie „Frauengestalten“ stellt Passauerinnen vor - Heute: Schwester Mirjam Müller, die Provinzoberin des Deutschordens
Von Elke Zanner
Feierabendschwestern heißen die Ordensfrauen im Ruhestand. Schwester Mirjam Müller, die Provinzoberin des Klosters St. Nikola, wird nächstes Jahr 70. Den Orden leitet sie nun schon 1992. Doch von Feierabend ist bei ihr noch nichts zu spüren.
Diese Aura der Autorität liegt nicht an der schwarzen Ordenstracht. Mirjam Müller könnte auch die Vorstandsvorsitzende eines Unternehmens sein oder die Chefärztin einer Klinik. Etwas auf Führungsebene jedenfalls. Denn nur zuzuschauen, so sagt sie selbst, ist ihre Sache nicht. Es überrascht also nicht besonders, dass Mirjam Müller schon früh wusste, was sie wollte.
Entscheidung mit 12 Jahren
„Es ist fast kindisch“, sagt die Oberin, als sie die Geschichte ihrer Berufung erzählt. 12 Jahre ist sie alt, als der Lehrer in der Volksschule daheim in Langfurth am Brotjacklriegel einen Skikurs am Lusen ankündigt. Letztendlich landen die Schüler jedoch in einem Schülerheim in Grafenau. Vier Wochen sollte der Aufenthalt dauern. Die 12-Jährige, die ursprünglich auf den Namen Elfriede getauft wurde, wehrt sich erst heftig gegen diesen Aufenthalt. Doch diese vier Wochen werden ihr weiteres Leben bestimmen. In diesem Heim kommt sie das erste Mal mit Deutschordensschwestern in Kontakt. Die Frauen mit den tief ins Gesicht gezogenen Schleiern, die gestochenes Hochdeutsch sprechen, erscheinen dem Mädchen zunächst alles andere als attraktiv. Und doch spürt sie schnell: Zu diesen Schwestern, da muss sie hin. An dieser Sehnsucht wird sich nichts mehr ändern. Schon bei der Erstkommunion fühlte sich Elfriede „innerlich angesprochen“. Dieser Ruf, sich in den Dienst Jesu zu stellen, war eine „Gefühlssache, eine Beziehungssache“, sagt die Oberin. „Das ist schwer zu erklären.“
Statt auf dem Bauernhof der Eltern zu arbeiten, verbringt Elfriede zwischen 1954 und 1959 alle Schulferien im Passauer Nikola-Kloster, das in diesen Jahren voll ist von Vertriebenen und Flüchtlingen. Dort macht sie „Drecksarbeit“, kratzt die Jahrhunderte lang überschmierten Carlone-Stuckdecken ab und befasst sich eingehend mit der Geschichte des Ordens. Als sie 1960 in Freiburg im Breisgau mit der Ausbildung zur Erzieherin fertig ist und immer noch überzeugt davon, dass sie mit ihrer Liebe zu Christus keinem „spontanen Irrsinn“ erlegen ist, tritt sie als Novizin in den Orden ein. 1961 legt sie ihre erste Profess ab. Aus Elfriede wird Mirjam.
Sie geht nach Frankfurt, wo sie zwei Jahre einen Kindergarten leitet. 1965 macht sie an der Fachhochschule für Sozialpädagogik in Freiburg ihr Diplom. Im selben Jahr kehrt sie zurück nach Passau und eröffnet den Kindergarten St. Nikola. Sie unterrichtet am Kindergartenseminar, der späteren Fachakademie für Sozialpädagogik. Bis 2003 leitet sie diese Institution. Heute gibt sie dort noch ein paar Wochenstunden Religionspädagogik. Mit der Leitung des Ordens ist sie ohnehin ausgelastet, obwohl sie mittlerweile viele Dinge delegiert hat, wie sie sagt.
Vor zwei Jahren überreichte ihr der damalige Ministerpräsident Günther Beckstein das Bundesverdienstkreuz: für ihr wirtschaftliches Verwaltungsgeschick, mit dem sie das Kloster führt, und für ihr hohes Fachwissen. Dieses Wissen erweitert die Schwester ständig. Auf ihrem Nachttisch liegen neun Bücher gleichzeitig.
Mirjam Müller steht an der Spitze von derzeit 67 Schwestern. 1992, als sie zur Provinzoberin gewählt wurde, waren es noch 120. „Wir haben abgebaut“, sagt Schwester Mirjam und macht dabei kein glückliches Gesicht. Viele der Schwestern sind in den vergangenen Jahren verstorben. Und mit dem Ordensnachwuchs ist es auch in St. Nikola ein Kreuz. „Es kamen einige, doch es ging leider meistens schief“, sagt die Oberin. Und wenn man bedenkt, dass die deutschen Frauen heute im Durchschnitt 1,3 Kinder zur Welt bringen, „können wir nicht erwarten, dass die in den Orden eintreten“, weiß die Provinzoberin. Von der Fachakademie für Sozialpädagogik kamen in all den Jahren nur sieben Frauen in den Orden.
Die 67 Deutschordensschwestern sind zwischen40 und 96 Jahre alt. Sie leben und arbeiten in Bad Alexandersbad, in Tittling, in Bad Mergentheim und in Köln. 28 Schwestern sind im Mutterhaus in Passau. Dieser Standort ist sehr beliebt bei den Schwestern, nicht nur wegen des wunderbaren Klostergartens, der seinen Namen alle Ehre macht und wo sich jeder Passauer hinflüchten kann, wenn ihm der Trubel in der Neuen Mitte zu groß wird.
Im Nikolakloster kochen die Schwestern noch täglich. Mehr als 200 Essen werden an den eigenen Kindergarten, aber auch an einen städtischen Kindergärten und an zwei Horte geliefert. Zwischen 20 und 30 Bedürftige kommen täglich zur Armenspeisung. Die Gastfreundschaft steht bei den Deutschordensschwestern an erster Stelle. Unter dem Dach des Klosters wohnen 15 Studentinnen der angrenzenden Universität oder im Rahmen des Euregio-Projekts, die sich keine teuren Wohnungen leisten können.
Aufgrund der Überalterung der Gemeinschaft ist Schwester Mirjam gerade dran, eine Stiftung zu gründen, um die Häuser des Deutschordens für die Zukunft zu sichern. Trotzdem wünscht sie sich, dass es ein wenig ruhiger wird um sie herum. Das käme ihrem Naturell gerade recht. Sie sucht die Stille. „Ich bin mehr der meditative Typ“, sagt die Oberin über sich selbst. Die Kindheit in 800 Meter Höhe auf dem Brotjacklriegl, wo sie vom Bauernhof der Eltern über das Wolkenmeer des Lallinger Winkels schauen konnte, hat ihr Gemüt geprägt. Doch neben der Stille suchenden Oberin gibt es auch die lebenslustige, die selbstironische Schwester Mirjam, die mit dem trockenen Humor. „Ich bin ein Mensch, der gerne Feste feiert“, sagt sie. Sie mag es, wenn Leute zusammengekommen, wenn gesungen wird und musiziert. So geschieht es oft daheim in ihrem Elternhaus, das heute eine beliebte Begegnungsstätte ist. Es heißt „Haus am Weg“.
Ihren eigenen Weg hat Mirjam Müller immer wieder kritisch reflektiert. Gerade in den vergangenen Wochen, seit die Missbrauchsfälle in der Kirche die Schlagzeilen der Medien beherrschen, diskutieren auch die Nikola-Schwestern wieder verstärkt über den Sinn von Zölibat und Ehelosigkeit. Der Verzicht auf Mann und Kinder stürzte auch Sr. Mirjam in eine Krise, gerade in ihren „40er-Jahren“. Als sie miterlebte, wie eine ihrer leiblichen Schwestern bei einem Unfall eine Tochter verlor, erahnte die Ordensfrau, wie tief die Liebe zu einem Kind sein muss. Und was es in der Folge bedeutet, auf eigene Kinder zu verzichten. Und doch kam sie stets zu dem Ergebnis, dass sie das Richtige getan hat. „Ich hätte einen Mann nie genug lieben können“, sagt sie. Wenn man in Jesus verliebt ist, ist kein Platz für einen anderen.
M2: Bild von Schwester Mirjam Müller
M3: Didaktische Impulse
1. Fasst die Gründe zusammen, die Schwester Mirjam Müller bewegt haben, ins Kloster einzutreten!
2. Erstellt ein Akrostichon zum Thema "Kloster" und "Ordensfrau".
Beispiel:
K ...
L ...
O ...
S ...
T ...
E ...
R ...
3. Welche Vor- bzw. Nachteile kann das Leben und die Arbeit im Kloster mit sich bringen?