Scheibinger, Walter
Thema: Lebensretter, Eigeninitiative
M1: PNP, 11.05.2017, Nr. 108, S. 10
Sein Hinweis rettete ein Menschenleben
Straubinger rennt zweimal in brennendes Mehrfamilienhaus - Er hörte ein Klopfen und informierte die Feuerwehr
von Korbinian Klinghardt
Straubing. Sein couragiertes Eingreifen hat ein Menschenleben gerettet: Als Walter Scheibinger am Dienstagabend den Brand in einem Mehrfamilienhaus in der Friedhofstraße in Straubing bemerkte, alarmierte er die Polizei und rannte zweimal in das Gebäude, um zu sehen, ob jemand Hilfe benötigt. Im Dachgeschoss hörte der 55-Jährige dann ein Klopfen. Auf seinen Hinweis rettete die Feuerwehr diese Person aus dem qualmenden Haus.
"Walter, da stimmt irgendwas nicht", dachte sich der gelernte Maurermeister, der als Technischer Leiter in der Klinik Angermühle in Deggendorf angestellt ist, als er am Dienstag von der Arbeit nach Hause fuhr. Kurz vor seiner Wohnung, gegen 17.30 Uhr, sah er den "starken, schwarzen Rauch" aus dem Mehrfamilienhaus aufsteigen. Also hielt er an und informierte die Polizei über den vermeintlichen Schwelbrand. Doch damit nicht genug. Scheibinger begab sich direkt an den Brandort und kümmerte sich um einen Schwerverletzten, der hilflos hin- und herlief.
"Es war alles ein Chaos", erzählt der gebürtige Regensburger. Vor dem Haus habe er sich um den 30-jährigen Mann gekümmert, der schwere Verbrennungen im Hals-, Brust- und Bauchbereich erlitten hatte. "Er stand unter Schock", sagt Scheibinger, "hat mit kaltem Blick durch mich durchgeschaut." Als sich eine Frau des Verletzten annahm – er wurde später in eine Spezialklinik nach Nürnberg gebracht – rannte der 55-Jährige ins Haus, um nachzusehen, ob noch weitere Menschen in Gefahr sind. Im ersten Stock schlug er mit einem Besen, den er im Treppenhaus fand, eine Glasscheibe ein, damit der Rauch abziehen konnte.
Sein Bauchgefühl zog ihn noch ein zweites Mal ins qualmende Haus. "Irgendwas ist da noch." Scheibinger rannte nach oben ins Dachgeschoss und hielt kurz inne – da hörte er ein Klopfen: "Da haut’s dir das zweite Mal das Adrenalin durch die Schädeldecke." Er atmete einmal tief durch, dann schlug er mit aller Kraft mit Händen und Füßen gegen die Tür – vergeblich. Der Maurermeister rannte wieder ins Freie und informierte die Rettungskräfte, dass sich noch jemand im Haus befindet.
Mit der Drehleiter gelang es den Feuerwehrleuten schließlich, die Person aus ihrer Dachgeschosswohnung zu befreien. "Da habe ich für mich gedacht, jetzt ist alles gut", sagt Scheibinger, der anschließend nach Hause ging. Auf dem Weg erzählte er noch einer Nachbarin von seinem Einsatz, zu Hause duschte er sich den Rauch vom Körper. "Die Sache war für mich erledigt."
Für die Polizei war sie das aber noch nicht. Sie suchte – unter anderem per Facebook – nach dem bis dahin unbekannten Helfer, weil sie vermuteten, dass er sich bei dem Einsatz verletzt haben könnte. Den entscheidenden Hinweis bekam die Polizei dann von Scheibingers Nachbarin. Gegen 1 Uhr nachts schickte die Polizei einen Rettungswagen vorbei, der den 55-Jährigen zur Untersuchung ins Klinikum Sankt Elisabeth brachte. Dort wurde eine leichte Rauchgasvergiftung festgestellt.
Dass seine Kleidung durch den extremen Rauch stark beschädigt wurde, stört den bescheidenen Helfer nicht: "Die teure Lederjacke ist halt jetzt hinüber. Ich glaub’, die kann ich wegwerfen. Aber das ist ja Wurst." Die Hauptsache sei, dass es den geretteten Menschen schnellstmöglich wieder gut gehe.
Dass er überhaupt zweimal ins Gebäude gelaufen ist, begründet Scheibinger mit seinem "Helfer-Gen": "Mir war in dem Fall nicht bewusst, dass ich mich in Gefahr begebe." Zudem habe er eine ähnliche Notfallsituation schon erlebt. Bei einem schweren Autounfall auf der B20 habe er vor Jahren versucht, Erste Hilfe zu leisten. Doch er kam zu spät. Zwei Personen waren bereits verstorben, als Scheibinger ihnen zusammen mit seiner Frau und dem Notfallkoffer zu Hilfe eilte.
Obwohl der Rettungseinsatz insgesamt glimpflich ausgegangen ist, gibt es etwas, das Scheibinger wütend macht: Die vielen Gaffer und Schaulustigen, die den Brand mit ihren Smartphones filmten. "Das Dümmste, was du machen kannst, ist Handy rausziehen und filmen." Scheibinger selbst forderte am Brandort zwei junge Mädchen auf, ihre Handys wegzustecken.
M2: Didaktische Impulse
1. Walter Scheibinger hat vor Ort Schaulustige und Gaffer entdeckt, die mit ihrem Smartphone den Brand filmten. Findest du Gründe, was Menschen dazu verleitet, das Geschehen zu beobachten statt zu helfen? Diskutiere mit deinem Banknachbarn darüber und überlegt euch, wie man auf solche schaulustigen Menschen reagieren sollte!
2. Verfasse eine Lebensretter-Urkunde an Walter Scheibinger und beschreibe ihn und sein Handeln dabei mit geeigneten Adjektiven!