Sandor, Ruth
Thema: Sozialarbeit, Judenverfolgung, Hilfsbereitschaft, Eine Welt
M1: PNP vom 18.05.2006, Nr.189, S.18
Keine Angst vor Bomben: 19-Jährige für ein Jahr in Israel
Ruth Sandor aus Garching an der Alz arbeitet in ihrem Freiwilligen Sozialen Jahr in einem Altenpflegeheim für jüdische Holocaust-Überlebende
von Herbert Gerlitz
Garching/Alz. Wenn sich Ruth Sandor etwas fest vorgenommen hat, dann zieht sie das unbeirrt durch. „Jetzt erst recht“ - getreu diesem Motto ist sie gestern nach Israel geflogen, um dort ein Freiwilliges Soziales Jahr zu leisten.
Dass sie sich nach dem Abitur erst einmal sozial engagieren würde, stand für Ruth Sandor schon in der elften Klasse fest. Durch ihre Anfragen bei verschiedenen Organisationen erfuhr sie, dass ein Freiwilliges Soziales Jahr auch im Ausland möglich ist. „Ich bin nicht abenteuerlustig“, sagt die 19-Jährige aus Garching/Alz (Landkreis Altötting) von sich, „aber fremde Länder interessieren mich.“ Israel hatte es ihr schon immer angetan - so wurde ein Traum wahr, als sie von einer Bekannten erfuhr, dass ein Freiwilliges Soziales Jahr dort absolviert werden kann.
Der gemeinnützige Verein Zedakah mit Sitz in Bad Liebenzell ist seit 1960 in Israel tätig mit dem Ziel, einen Beitrag zur Versöhnung zu leisten. „Zedakah“ ist das hebräische Wort für Wohltätigkeit. Der von überzeugten Christen gegründete Verein möchte den Juden dienen, die die Verfolgung durch Nazi-Deutschland überlebt haben und noch heute an den Folgeschäden leiden. Der von Spenden getragene Verein unterhält zwei Häuser in Israel.
Kostenlose Erholung für ehemalige KZ-Häftlinge
Im Gästehaus „Beth-El“ in Shavei Zion, nördlich von Haifa direkt am Mittelmeer gelegen, stehen 42 Betten jüdischen Überlebenden des Holocausts für je zweiwöchige, kostenlose Erholungsaufenthalte zur Verfügung. Im Altenpflegeheim „Beth-Elieser“ in Maalot im galiläischen Bergland gibt es 24 Pflegeplätze. Menschen, die in der Zeit der Nazi-Herrschaft gelitten haben, jetzt alleinstehend sind und ein reguläres Pflegeheim nicht bezahlen könnten, finden hier Aufnahme.
Für Ruth Sandor ist es die moralische Pflicht eines jeden Deutschen und die eines Christen, seine Verantwortung gegenüber Israel zu überdenken. „Ich bin nicht persönlich schuld an den Gräueltaten der Deutschen, aber als Angehörige dieses Volkes trage ich einfach ein Stück Verantwortung und dem stelle ich mich“, so die Überzeugung der jungen Garchingerin. Für die entschiedene Christin ist ihr Freiwilliges Soziales Jahr in Israel auch „ein Jahr, das ich Gott geben möchte“.
Während des Nahostkrieges war Ruth Sandor zu einer einmonatigen Vorbereitung in Bad Liebenzell. „Trotz der Nachrichten von unzähligen Raketeneinschlägen in Nordisrael wollte sich bei mir einfach keine Angst einstellen“, meinte die mutige 19-Jährige nach ihrer Rückkehr ins Alztal.
Vertrauen auf Gott nimmt ihr die Angst
„Ich vertraue dabei voll auf Gott.“ Ihre Eltern, Regina und Peter Sandor, mit denen sie sich sehr gut versteht, lassen ihr ältestes Kind nur schweren Herzens ziehen. Aber sie wollen ihrer Tochter nicht verbieten, was sie als ihren persönlichen Weg erkannt hat. Auch der 19-Jährigen, die bisher noch nie lange fern ihres Elternhauses lebte, fällt es nicht leicht, Familie und Freunde für ein ganzes Jahr zu verlassen.
Ihr Einsatzort wird das Altenpflegeheim in Maalot sein. Da Ruth Sandor keine Erfahrung in der Pflege alter Menschen hat, wird sie vor allem in der Küche helfen, beim Putzdienst, als Bedienung bei den Mahlzeiten und bei der Nachtwache. Auch einen Hebräischkurs wird sie machen, doch die Mitarbeiter des Hauses sprechen deutsch miteinander.
In den vergangenen Wochen spielte sich im Pflegeheim in Maalot das Leben wie überall in Nordisrael in Bunkern ab. Ruth Sandor macht sich daher auf positive wie negative Erfahrungen gefasst. Aber sie möchte das jüdische Volk kennen lernen und den Alltag in Israel. Dazu hat sie neben ihrer Arbeit an den freien Tagen und während ihres zweiwöchigen Urlaubs im Freiwilligen Sozialen Jahr Gelegenheit.
Das mutige Engagement der jungen Oberbayerin kommentiert Amit Gilad, Pressesprecher der israelischen Botschaft in Deutschland, so: „Auf diese Weise gelingt Völkerverständigung. Durch persönliches Kennenlernen können die Abgründe der Vergangenheit überwunden werden.“