"Protestantische Frauen"
Thema: Glaubenszeugnis, Ehrenamt
M1: PNP, 03.11.2015, Nr. 255, S. 22
Nicht von Pappe
Ausstellung zeigt evangelische Frauen der Region und ihre Leistungen für Kirche und Gesellschaft
von Theresia Wildfeuer
Über prägende Frauen nach dem Zweiten Weltkrieg erzählt die Wander-Ausstellung "Protestantische Frauen: Nicht von Pappe", die am Reformationstag im evangelischen Zentrum St. Matthäus eröffnet wurde. Rund 80 Besucher lernten dabei das kraftvolle Wirken von Barbara Strohm, der Passauerinnen Elisabeth Nitsche, Friedel Volkholz, Elisabeth Wolf und Schwester Babette Lachner sowie von Svetlana Fefer, Johanna Überall und Helma Preitauer kennen, die wichtige Grundlagen im kirchlichen und gesellschaftlichen Leben im evangelisch-lutherischen Dekanat Passau legten.
Die Reformation erinnere daran, dass Menschen prägend wurden in ihrem Tun und Denken, im Großen und Kleinen, sagte Studentenpfarrerin Sonja Sibbor-Heißmann, Vorsitzende des Evangelischen Bildungswerks Passau, das mit dem evangelisch-lutherischen Dekanat einlud. "Nicht von Pappe" sei jemand, der widerstandsfähig und kräftig ist. Die gleichnamige Ausstellung präsentiere starke Frauen, Lokalgeschichte im evangelischen Dekanat Passau von den späten 40er Jahren bis heute. Sie erzählt von illegalen Gottesdiensten, der ersten Vikarin in Passau, von Einsatz und Mut. Die acht Frauen, von denen Elisabeth Nitsche und Svetlana Fefer aus Grafenau anwesend waren, stünden exemplarisch für viele, die sich in der evangelischen Kirche engagieren, Gemeinde verändern und sich für andere einsetzen. Die Schau hatten die Ortenburger Pfarrerin Sabine Hofer, Monika Baum aus Schönberg, Ursula Kohler aus Perlesreut und PNP-Redakteurin Dr. Petra Grond konzipiert.
Die Schau, die zum Jubiläum 450 Jahre Reformation in Ortenburg 2013 entstand, stelle Frauen vor, die zutiefst davon überzeugt waren bzw. sind, dass etwas ungerecht oder nicht in Ordnung ist in Gesellschaft oder Kirche, dass ein Zustand veränderungswert und reformierbar ist, sagte Petra Grond. Sie zeige zum einen "Berufsprotestantinnen", wie die studierte Theologin Barbara Strohm, die nicht nur als Pfarrfrau ihren Mann Albert Strohm auf seinem Weg zum Passauer Dekan unterstützte und fünf gemeinsame Kinder aufzog, die alle ihren Platz in sozialen oder theologischen Berufen fanden. Eines von ihnen, Heinrich Bedford-Strohm, brachte es als Landesbischof und EKD-Ratsvorsitzender bis an die Spitze der Protestanten. Barbara Strohm habe auch Brücken zu Frauen anderer Konfessionen geschlagen und die ökumenische AG Weltgebetstag für Bayern begründet, sich mit großer Leidenschaft für amnesty international engagiert. Schwester Babette Lachner sei als Diakonissin in den 1960er und 1970er Jahren ein Lichtblick für Alte und Kranke gewesen, für die sie mit ihrem kleinen Fiat durch die Straßen der Dreiflüssestadt düste. Die Passauer Vikarin Elisabeth Wolf zählte zu den ersten Pfarrerinnen in Bayern.
Zu der Gruppe von Frauen, die mit ihrem Dienst in der Kirche ihrem Leben Sinn und Tiefe verliehen, gehöre Elisabeth Nitsche von der Kirchengemeinde St. Johannes in Grubweg, die mit ihrem Handarbeitskreis für den Kirchenbasar strickt und dadurch als moderner "Fundraiser" schon Tausende von Euros an Spenden erzielte, sagte Grond. Johanna Überall aus Bad Griesbach erstellte nach dem Krieg eine Gemeindegliederkarte, die dem evangelischen Pfarrer inmitten all der Versprengten sowie durch Flucht und Vertreibung Gestrandeten einen Überblick verschaffte. Helma Preitauer aus Ortenburg engagierte sich, wie schon ihre Mutter, als Mesnerin.
Die Verdienste der Passauer Politikerin und SPD-Stadträtin Friedel Volkholz seien von ihrem Engagement für die Schwächeren der Gesellschaft geprägt gewesen, betonte Petra Grond. So gründete Volkholz zum Beispiel den Passauer Mieterverein. Svetlana Fefer, Jüngste in der Ausstellung, habe nicht nur als Spätaussiedlerin mit ihrem Neuanfang in Grafenau gezeigt, dass sie nicht von Pappe ist. Sie habe als Dolmetscherin für Russlanddeutsche fungiert und sich als Kirchenvorsteherin in das Gemeindeleben eingebracht. "Ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen", dies habe sie selbst erlebt und sich zur Verpflichtung gemacht. Sie nehme sich heute der Asylsuchenden an.
Die Ausstellung schildert die Frauengeschichten anhand von Stühlen und Tischen aus Pappe. Die Idee dazu stammt von Architektin Christine Morbach. Mit dem letzten Stuhl und einem Spiegel wendet sich die Schau an alle Besucher mit der Frage, wo sie durch protestantische Sozialisation geprägt wurden, was sie verbesserungswürdig finden und wo sie sich selbst einbringen (könnten). Zur Ausstellung trug auch Radio-Journalistin Mareen Maier bei, die den protestantischen Frauen mit Hörstationen zu einer Stimme verhalf.
Dekan Dr. Wolfgang Bub betonte beim Reformationsgottesdienst in der Kirche St. Matthäus unter dem Thema "Wind of Change", die Kirche brauche immer wieder neu die Reformation, den Blick auf die Botschaft, die ihr zugrundeliegt, auf den Gekreuzigten. Nur so setze sie sich dem nötigen "Wind of Change" aus, der durch Menschen wehe, die von Gottes Geist ergriffen sind, durch Martin Luther, aber auch durch Frauen der Region. Mit ihren Fähigkeiten und getragen von ihrem Glauben, leisteten die acht in der Ausstellung gezeigten Frauen das in der Gesellschaft Nötige und trugen so zur Entwicklung der Kirche bei. Sie seien Beispiele für den "Wind of Change".
Dekanatskantor Ralf Albert Franz umrahmte die Vernissage mit Jazz-Beiträgen. Den Reformationsgottesdienst gestaltete die Jazz-Combo St. Matthäus unter seiner Leitung.
Die Ausstellung ist im Evangelischen Zentrum St. Matthäus, Dietrich-Bonhoeffer-Platz 1, bis 15. November Montag bis Donnerstag von 8 bis 16 Uhr, Freitag von 8 bis 13 Uhr sowie nach den Gottesdiensten zu sehen.
M2: Bild der Verantwortlichen für die Ausstellung "Protestantische Frauen: Nicht von Pappe"
M3: Didaktische Impulse
1. Mit der Wander-Ausstellung "Protestantische Frauen: Nicht von Pappe" werden Frauen dargestellt, die sich für die evangelische, "reformierte" Kirche in der Nachkriegszeit engagierten. Besuche, wenn möglich, diese Ausstellung und informiere dich über das Wirken der jeweiligen Frauen (ansonsten kannst du auch in Büchern suchen oder dich im Internet erkundigen). Schreibe dir einige besondere Verdienste, die die Frauen für die evangelische Kirche gemacht haben, auf einen Zettel auf und reflektiere diese:
Versuche, die beschriebenen Verdienste zu beurteilen und beziehe dabei auch die Gegebenheiten in der Nachkriegszeit mitein! Gab es bestimmte Risiken, die die Frauen auf sich nehmen mussten? Verleihe jeder aufgelisteten Handlung ein Adjektiv, bspw. bewundernswert, erstaunlich, riskant, abschreckend, ...
2. Suche dir in einem zweiten Schritt eine bestimmte Person aus, mit der du weiterarbeiten möchtest. Versuche, mögliche Motive dieser Person für ihr (vllt. sogar risikoreiches) Vorgehen zu finden und male dir aus, welche Werte/Werthaltungen dieser Person wichtig waren, welchen Charakter sie hatte. Erstelle ausgehend von deinen "Fantasien" ein Facebook-Profil (gezeichnete Vorlage) und lass dieses von deinen Mitschülern kommentieren!
3. Geht in 3er-Gruppen zusammen und präsentiert euch gegenseitig eure persönlichen "Heldinnen" anhand des Facebook-Profils! Nun suchst du dir eine der in der Gruppe anderen vorgestellten Personen aus und schreibst aus Sicht deiner "Heldin" eine kürzere Nachricht an diese. Teile ihr darin mit, wie du sie und ihr Engagement findest (positiv wie negativ) und erzähle auch ein wenig von dir. Anschließend dürft ihr eure Nachricht dem jeweiligen Schüler mit dieser "Heldin" geben und euch im Stillen eure erhaltene Nachricht durchlesen.
4. Nun hast du dich schon eingehend mit dem protestantischen Engagement in der Nachkriegszeit beschäftigt. Versucht, etwas über das katholische Engagement in der Nachkriegszeit zu erfahren, indem ihr euren Religionslehrer und/oder euren Geschichtslehrer fragt. Lasst euch beschreiben, in welcher Situation die katholische Kirche nach dem Zweiten Weltkrieg war und vergleicht diese mit der evangelischen Seite: Gibt es Unterschiede/Gemeinsamkeiten und fallen dir dafür Gründe ein? Diskutiere mit deinem Banknachbarn!
5. Vllt. gibt es neben deinem Geschichts-/Religionslehrer auch Zeitzeugen im Dorf, die dir ihre persönlichen Erlebnisse schildern können/wollen. Führe ein kleines "Interview" mit dieser Person und halte ihre Erlebnisse schriftlich fest.