Praßer, Julia
Thema: Eigeninitiative, Glaubenszeugnis, Kirchliches Engagement
M1: PNP, 22.01.2022, Nr. 17, S. 20
"Ich will beitragen, dass die Kirche weiblicher wird"
Bei den Pfarrgemeinderatswahlen am 20. März wird Julia Praßer (33) für die Pfarrei St. Peter kandidieren. Was sie dazu bewegt und warum es gerade als junger Mensch wichtig ist, sich für die Kirche zu engagieren, hat sie im Passauer Gespräch erklärt.
von Daniela Stattenberger
Frau Praßer, warum wollen Sie sich im Pfarrgemeinderat St. Peter engagieren?
Ich finde es wichtig, die Kirche vor Ort selbst mitzugestalten und mich mit Stärken und Interessen einbringen zu können. Und ich möchte die tollen Erfahrungen, die ich gemacht habe, gerne an die nächsten Generationen weitergeben. Gerade als Mama ist mir das sehr wichtig. An die tollen Familienwochenenden in verschiedenen Jugendherbergen der Region erinnere ich mich einfach gerne zurück. Ich möchte Eltern-Kind-Gruppen oder Kleinkindergottesdienste organisieren und gestalten sowie niederschwellige Angebote während des Kirchenjahres, die offen und leicht zugänglich für alle sind. Wir planen zum Beispiel gerade eine Andacht zu Fasching.
Es ist selten, dass sich junge Erwachsene in ihren Dreißigern im Pfarrgemeinderat engagieren...
Ich war auch schon in der Pfarrei St. Konrad in Hacklberg, wo ich großgeworden bin, im Pfarrgemeinderat. Sobald ich 16 war und durfte, war ich dabei. Im vergangenen Jahr habe ich das Amt aber niedergelegt, weil wir in der Pfarrei St. Peter gebaut haben und dorthin gezogen sind.
- Passau Stadt
VITA
Mit 16 Jahren im Pfarrgemeinderat: Da ist man doch sicher auch irgendwie nervös oder? So als Jüngste?
Ja, ich und ein weiterer Jugendlicher waren die jüngsten Mitglieder damals. Es war der Pfarrei wichtig, die Jugend mit ins Boot zu holen. Das war schön. Und klar, es war auch spannend. Ich war schon ein bisschen nervös vor der ersten Sitzung mit den ganzen älteren, erfahrenen Mitgliedern. Ich habe es als Ehre empfunden, mitzureden und die Interessen der Jugend in der Pfarrei vertreten zu können.
Mit welchen Themen befasst sich ein Pfarrgemeinderat?
Zu den Themen zählen unter anderem Liturgie, Eine Welt, Ökumene, Ehe und Familie, Kinder und Jugendliche, Soziales... Dazu gibt verschiedene Ausschüsse. Pfarrgemeinderäte gestalten und organisieren die Bereiche, für die sie sich interessieren.
Ist die Jugend Ihrer Meinung nach ausreichend in Pfarrgemeinderäten vertreten?
Ein Pfarrgemeinderat ist vom Alter her schon bunt gemischt. Hier in St. Peter gibt es, wie ich erfahren habe, bei den Ministrantinnen und Ministranten auch Delegierte für den Pfarrgemeinderat, damit die Jugend eine Stimme hat. So ist es übrigens auch mit verschiedenen anderen Gremien, der Seniorenclub kann vertreten sein, der Frauenbund... Auf diese Weise kann es gelingen verschiedene Generationen und Interessen zusammenzubringen. Noch stärker werden die Interessen der Jugend natürlich vertreten, wenn zusätzlich zu den Delegierten auch noch junge gewählte Vertreterinnen und Vertreter im Pfarrgemeinderat sind.
Haben Sie sich schon immer in der Kirche engagiert?
Ja, ich war bei der Ministranten- und der Bläsergruppe dabei. Wir haben Zeltlager im Pfarrverband mitgestaltet, ich war Lektorin und Kommunionhelferin in Hacklberg sowie Mitglied im BDKJ-Stadtteam.
Hat Ihre Familie Ihnen dieses Engagement vorgelebt?
Meine Mama ist im Frauenbund und Trauerbegleiterin sowie im Leitungsteam des Seniorenclubs, in dem auch meine Oma tätig ist. Also ich bin schon sehr christlich sozialisiert aufgewachsen, würde ich sagen (lacht). Meine Eltern waren zwar nicht im Pfarrgemeinderat, aber das Kirchenjahr haben wir immer miteinander gefeiert.
Der Kirche haftet das Image an, sie sei nur was für die Älteren...
Dem stimme ich nicht zu! Kirche ist jung, gerade wenn man die Angebote für Kinder und Jugendliche anschaut. Angefangen von den Eltern-Kind-Gruppen und katholischen Kindergärten, da werden die Kleinsten bereits christlich sozialisiert. Später geht es mit der Ministranten- und Jugendarbeit weiter. Es gibt Jugendliche und junge Erwachsene, die haben Interesse an der Kirche und wir sollten sie fördern und miteinbinden. Es ist wichtig, sich dafür einzubringen und zu engagieren.
Dieses Engagement ist mit den vielen Kirchenaustritten, meist von jungen Erwachsen, wahrscheinlich noch wichtiger geworden...
Ja! Andererseits kann ich dieses Verhalten auch ein klein bisschen nachvollziehen, es gibt halt kaum Angebote für die Generation "Single" zwischen 25 und 35. Es geht dann erst wieder los, wenn man heiraten möchte und man Kinder bekommt. Bei mir war es so, dass ich dadurch, dass ich Theologie studiert habe, immer dabei geblieben bin. Aber für diese Personengruppe ist es wirklich schwierig.
Was kann der Glaube einem in jungen Jahren geben?
Er gibt einem Halt. Es ist schön in der Gemeinschaft unterwegs zu sein und ins Gespräch zu kommen. Ich erinnere mich gerne an Studienfahrten zum Beispiel nach Assisi oder an Andachten in der Natur. Wichtig finde ich auch an die Generation angepasste Musik. Ich denke dabei an die Maiandachten im KT-Innenhof, die ich sehr genossen habe. Das sind besondere Erlebnisse. Sie sind nicht so gebunden an den Raum Kirche.
Was hat der Glaube Ihnen ganz persönlich gegeben?
Glaube und beschwingte Gottesdienste mit Musik waren für mich immer eine Stütze im Alltag. Gleichzeitig war Glaube auch für mich nicht immer einfach. Durch das Theologie-Studium hatte ich viel theoretischen Input. Man wird kritischer, hinterfragt, setzt sich intensiv damit auseinander. Man fühlt sich dem Ganzen mal sehr nah und mal ist man davon wieder etwas entfernt. Glaube ist nicht immer gleich. Es gibt ja auch zum Beispiel Klagepsalmen. Man darf auch sagen, wenn man mal unzufrieden oder grantig ist oder mit etwas mal nicht so im Einklang.
Was geht verloren, wenn die Jüngeren keine Nähe mehr zum Glauben beziehungsweise zur Kirche finden?
Uns geht eine nächste Generation verloren, wenn wir uns nicht um die Kinder und Jugendlichen kümmern und ihnen positive Erfahrungen vermitteln. Stell dir vor, es ist Kirche und keiner geht hin!
Die Sache Jesu braucht Begeisterte, wie wir in einem bekannten Kirchenlied früher oft gesungen haben. Diese Begeisterung darf nicht verloren gehen!
Was war Ihr bisher schönstes Glaubenserlebnis?
Ich erinnere mich an viele schöne Erlebnisse. Der Weltjugendtag in Köln war sehr spannend. Am letzten Weihnachtsfest haben wir eine Andacht zum Thema Friedenslicht in Sankt Peter gestaltet. Das war sehr besinnlich und die perfekte Einstimmung auf Jesu Geburt.
Für welche Ziele und Werte wollen Sie im Pfarrgemeinderat einstehen?
Ich finde es bedeutend, dass Frauen in wichtigen Positionen vertreten sind – wie eben auch im Laiengremium des Pfarrgemeinderats. Wichtig ist außerdem, dass man niederschwellige Angebote für alle Generationen im Kirchenjahr bietet und sie bewusst feiert. Ich will dazu beitragen, dass die Kirche weiblicher wird und dass man merkt, wie wichtig auch die Laiengremien sind, die Arbeit der Nicht-Geweihten in der Kirche.
Wie sehen Sie die Zukunft der Kirche?
Es ist wichtig, dass wir positiv bleiben und den nächsten Generationen wertvolle und schöne Erfahrungen ermöglichen. Dafür ist es bedeutend, die Stärken der Einzelnen zu bündeln und auch Frauen und Laien in diesem Prozess mitzunehmen.
Gibt es Leute in Ihrem Umfeld, die Ihr Engagement in der Kirche nicht nachvollziehen können?
Hmm... Der Punkt ist, alle kennen mich so (lacht). Da die Kirche immer ein wichtiges Thema für mich war, wird das nicht so in Frage gestellt. Aber es ist schon so, dass ich öfter nach meiner Meinung gefragt werde: Wie siehst denn du das? Wie nimmst denn du das wahr? Oder: Wie kannst du nur so dahinterstehen? Während meines Studiums wurde ich in gewisser Weise auf solche Fragen vorbereitet. In der Schule stehe ich als Religionslehrerin Kindern gegenüber – und Kinder sind die schärfsten Kritiker, die es gibt. So lernt man aber dazu, kann andere Sichtweisen auch nachvollziehen
Was antworten Sie denn konkret auf die Frage "Wie kann man noch hinter der Kirche stehen?"?
Der Punkt ist: Es gibt so viel Positives an und in der Kirche. Wenn ich das St. Gotthard-Gymnasium in Niederalteich anschaue, in dem ich als Lehrerin arbeite: Das ist eine Schule in kirchlicher Trägerschaft, die sehr großen Zuwachs erfährt. Da sieht man: Das ist den Eltern wichtig. Die Wertevermittlung und dass die Werte gelebt werden, das kommt an. Es gibt immer noch genug Menschen, die genauso hinter der Kirche stehen wie ich, mit ihnen will ich die Kirche aktiv gestalten. Ich habe auch schon oft erlebt, dass Personen erst wenn sie in Lebenskrisen oder -schwierigkeiten gelangen, erkennen, welche Angebote und Infrastruktur die Kirche bietet, diese zu bewältigen. Ich glaube, die Kirche hat es verpasst positive Publicity für sich zu machen. Sie hat nämlich eine gute Infrastruktur, wichtige Möglichkeiten und Organisationen, die auch Menschen unterstützen.
Muss man Manches, was in der Kirche passiert, auch kritisch sehen?
Ja, unbedingt. Man soll und darf kritisch sein und es auch immer bleiben. Denn nur so entwickelt man sich auch weiter. Wenn man Rückmeldung bekommt, kann man sich weiterentwickeln, Sachen neu und anders denken.
Was wäre dann so eine Kritik an der Kirche?
Ich finde es wichtig, wie gesagt, dass Frauen wertgeschätzt werden und dass Ehrenamtliche gesehen und gewürdigt werden. Dass man die Laien und ihre Meinung auch akzeptiert und annimmt. Auch die Missbrauchsfälle sind nach wie vor in den Medien Thema...
Missbrauch finde ich schrecklich und es macht mich sehr traurig. Ich wünsche mir Transparenz, Aufklärung, Ehrlichkeit und Gerechtigkeit.
M2: Bild von Julia Praßer
M3: Didaktische Impulse
1. Lies das Interview noch einmal aufmerksam durch und beantworte folgende Fragen: Welche konkreten Erfahrungen hat Frau Praßer im Rahmen Kirche / Glaube gemacht? Was hat sie und ihr Leben geprägt?
2. Welche Motive liegen vor, dass Frau Praßer sich kirchlich engagiert? Überlege zuerst selbst und tausche dich anschließend mit einem*r Partner*in aus.
3. Erstellt gemeinsam eine Pro- und Contra-Liste: Was schätzt bzw. kritisiert Frau Praßer an der Kirche?
Vertiefung: Erweitere die beiden Listen mit persönlichen Gedanken: Was findest du gut / was stört dich an der Kirche?
4. Eine Interviewfrage lautet "Wie sehen Sie die Zukunft der Kirche?". Welche Antworten findet ihr auf diese Frage? Startet eine Diskussion im Plenum.