Passauer Solwodi-Frauen
Thema: Ehrenamt, Prostitution
M1: PNP, 20.11.2010, Nr. 270, S. 30
Solwodi - Frauen helfen Frauen
PNP-Serie stellt Passauer Vereine vor: Organisation hilft Opfern von Zwangsprostitution
von Elke Zanner
Die Schutzwohnung liegt irgendwo im Stadtgebiet von Passau. Es ist ein streng geheimer Ort, denn die Frauen, die dort eine Zuflucht finden, brauchen absolute Sicherheit: Vor ehemaligen Zuhältern, vor einer drohenden oder schon vollzogenen Zwangsheirat, vor Menschenhandel oder Ehrenmord. Das Schutzhaus hat vier Plätze und es ist fast das ganze Jahr über ausgebucht. So viel zur Notwendigkeit.
Dieses Haus ist eine Einrichtung von „Solwodi“. Der Name steht für „Solidarity with woman in distress“ - zu Deutsch: Solidarität mit Frauen in Not. Vor 25 Jahren hat die Ordensschwester Dr. Lea Ackermann diesen Verein in Afrika gegründet. Seit 2003 gibt es auch eine Passauer Einrichtung. Die Leitung hat die Diplomsozialpädagogin Stilla Foidl, ihr stehen zwei hauptamtliche Kräfte zur Seiten, ebenso mehrere ehrenamtliche Helferinnen.
Solwodi ist in erster Linie eine Anlaufstation für ausländische Frauen und Mädchen - und oft der letzte Rettungsanker für die in Not Geratenen. Dabei geht es immer um grobe Menschenrechtsverletzungen oder Notsituationen wie Zwangsprostitution, Menschenhandel, Gewalt in der Ehe oder Ausbeutung. Erste Anlaufstation ist die Beratungsstelle. In diesem Jahre waren es etwa 50 Frauen, die sich an Solwodi wendeten. Selten bleibt es nur bei einem Kontakt. In den meisten Fällen bleiben die Frauen mit der Organisation über Jahre hinweg verbunden. Die Hilfe, die sie in dieser Zeit erfahren, ist vielfältig. Marieluise Pretzell etwa, die früher eine katholische Mädchenschule geleitet hat, hilft den Frauen beim Deutschlernen, andere Solwodi-Mitarbeiterinnen helfen in Haushaltsdingen wie etwa beim Nähen und vermitteln Sachspenden. Solwodi unterstützt die Frauen bei der Suche nach Ausbildungs-, Arbeits- oder Kindergartenplätzen, begleitet bei Behördengängen und berät in rechtlichen Fragen. „Wir leisten viel Integrationsarbeit“, bringt es Stilla Foidl auf den Punkt.
Im Unterschied zum Frauenhaus ist im Solwodi-Schutzhaus Tag und Nacht eine Mitarbeiterin vor Ort, die die untergebrachten Schützlinge betreut. „Dieses Sicherheitsgefühl ist den Frauen dort sehr wichtig“, weiß Stilla Foidl. Sobald der leiseste Verdacht aufkommt, dass eine Frau hier in der Stadt von ihren Verfolgern aufgespürt worden und deshalb erneut in Gefahr ist, wird sie an einen anderen sicheren Ort verlegt. Die Solwodi-Stellen sind deutschlandweit untereinander vernetzt, sie vermitteln Klientinnen auch untereinander.
Das Ziel von Solwodi ist es, ihren Klientinnen nach all den traumatischen Erlebnissen eine Zukunftsperspektive und neuen Halt zu geben. „Wenn die Frauen wieder zu sich gefunden haben, sich stabilisieren, dann ist das gut“, sagt Stilla Foidl. Neulich wurde eine der Frauen eingebürgert. „Sowas freut uns natürlich sehr“, sagt Marieluise Pretzell. Für Frauen, die wieder in ihre Heimatländer zurückgehen wollen, bietet der Verein ein Rückkehrprogramm an. Doch aus Angst, dort wieder in die Fänge früherer Zuhältern zu gelangen oder von der eigenen Familie bedroht zu werden - zum Beispiel im Falle von Zwangsverheirat - wollen viele Frauen das gar nicht. „Gerade in osteuropäischen Ländern haben sie ja oft keine Perspektiven“, weiß Stilla Foidl. Das ist auch der Grund, weshalb viele junge Frauen dort überhaupt in die Prostitution geraten.
Doch es gibt Wege zurück in ein besseres Leben, und mögen diese noch so steinig erscheinen. Zum 25-jährigen Jubiläum der Organisation hat Solwodi-Gründerin Dr. Lea Ackermann ein Buch herausgegeben, in dem Frauen aus aller Welt ihre unglaublichen Lebensgeschichten in die Freiheit erzählen. „In Freiheit leben, das war lange nur ein Traum“, heißt es. Die Passauer Solwodi-Frauen leisten täglich ihren Beitrag dazu, dass solche Träume wahr werden können. Sie kämpfen. Auch für eine Reform des Prostitutionsgesetzes, das es seit 2002 gibt. „Dadurch hat sich die soziale und rechtliche Situation für die Frauen nicht verbessert, sondern verschlechtert“, kritisiert Stilla Foidl. Die zentrale Forderung von Solwodi lautet: Es darf nur eine selbständige Tätigkeit von Prostituierten ohne Weisungsbefugnisse Dritter gegeben werden, jegliche Eingriffe in das Selbstbestimmungsrecht müssten strafrechtlich verfolgt werden. Das gelte auch für Freier, denen es bewusst ist, dass es sich bei den Frauen um Zwangsprostituierte handelt.
Solwodi hilft anonym, kostenlos und überkonfessionell. Als gemeinnütziger Verein ist er auf Spenden angewiesen. Das Spendenkonto lautet: Liga Bank, BLZ 750 903 00; Kontonummer 43278 88. Kontakt: Tel. 0851/9666450. Mehr Infos gibt es auch im Internet unter www.solwodi.de