Müller Maria
Thema: Glaubenszeugnis, Krankheit, Seelsorge
M1: PNP, 01.08.2020, Nr. 176
Eine Seele von Seelsorgerin
von Karin Seidl
Ein besonderes Talent, ein ausgefallener Beruf, ein ungewöhnliches Hobby oder ein spannender Lebenslauf – in der Reihe "Nahaufnahme" stellt die PNP immer samstags Menschen aus der Region vor.
Rotthalmünster. Sie muss Tragisches aushalten, quälende Stunden mit Kranken, in denen diese mit ihrem Schicksal hadern. Diplom-Theologin Maria Müller ist da, wenn man sie braucht. Wenn Menschen leiden, geht sie ein Stück des Weges mit ihnen. Dass sie gläubige Christin ist, hängt sie, wenn man das mal so salopp sagen darf, nicht an die große Glocke. Sie formuliert es so: "Ich geh nicht in ein Zimmer rein und sag: So, jetzt kommt die Religion."
27 Jahre lang hat sie am Krankenhaus Rotthalmünster als Pastoralreferentin die Funktion der Krankenhausseelsorgerin inne gehabt. Nun findet sie, ist es Zeit für etwas Neues: Zum 1. September wechselt sie nach Bad Füssing in die Kurseelsorge.
Vielleicht hat Gott gelenkt, als sie als junge, heranwachsende Frau zum Abitur darüber nachgedacht hat, was sie studieren könnte. Kaum zu glauben, dass sich diese empathische Frau auch vorstellen konnte, Maschinenbau zu studieren. "Ich war ein Mathe-Freak", erzählt sie lachend. Ihr Vater hatte einen Handwerksbetrieb, Maria Müller ist mit der ständigen Präsenz von Landmaschinen daheim in Waldhof bei Pfarrkirchen aufgewachsen. Zum Glück kam der richtige Schubs in Richtung Theologie. "Auch das war ja ständig präsent bei uns daheim", sagt sie, "wir haben Pfarrer und Klosterschwestern in der Familie, meine Ferien hab ich schon mal im Kloster verbracht." Den dritten Studiumswunsch, Psychologie, hat sie später durch Jahre lange Fortbildungen, als sie schon Pastoralreferentin gewesen ist, in ihr Leben geholt. "Die Verbindung von Seelsorge und Psychologie finde ich sehr wertvoll", sagt sie heute, "die verschiedenen Perspektiven aus Psychodrama, Gestalttherapie, Systemischer Psychologie und Traumatologie haben meinen Blick geweitet und zeigen sich darin, welche Fragen und Sichtweisen ich meinem Gegenüber anbiete." Einnehmend – das fällt einem spontan ein, lässt man das Gespräch mit Maria Müller Revue passieren. Man hat sich mit einer Frau unterhalten, die mit sich im Reinen ist, Ruhe, Wärme und Herzlichkeit ausstrahlt. Einem gegenüber sitzt eine Frau, die sich vorbehaltslos und vorurteilsfrei auf ihren Gesprächspartner einlassen kann. Im Nachgang ist es daher wenig verwunderlich, dass man an einem Punkt des Gesprächs plötzlich mit den Tränen kämpft. Maria Müller als Maschinenbauerin? Gott sei Dank ist sie Pastoralreferentin geworden. "Meine Berufswahl habe ich nie bereut", sagt sie. Früh merkt sie, dass ihr vor allem der Kontakt mit Patienten wichtig ist. Die Geistlichen in den Gemeinden bestärken sie darin. Als in der Pfarrei St. Anton in Passau der Seelsorger ausfällt, der sonst die Hellge Klinik betreut, schickt sie ihr Vorgesetzter dorthin mit den Worten: "Da gehst jetzt Du hin!" Das sei ihr gerade Recht gewesen, erinnert sich die Pastoralreferentin, die seit 1993 mit ihrem Mann Otto Müller in Bad Füssing lebt. Anfang der 1990er Jahre forciert das Bistum Passau eine gute Ausbildung in der Krankenhausseelsorge. Als die Stelle in Rotthalmünster am Krankenhaus frei wird, greift Maria Müller zu. Damals ist sie 30 Jahre alt.
Seitdem hat sie einiges erlebt. Schönes, Bewegendes, aber auch tragische Augenblicke. Tiefe Freude empfindet sie nach wie vor, wenn ein Gespräch gut ineinander greift, "gut in Schwingung kommt". "Der Patient gibt die Richtung und das Tempo vor, ich begleite ihn nur, ich gehe mit ihm mit." Dann kann es passieren, dass am Ende beide dasitzen und weinen. Oder sich aus der größten Trauer heraus plötzlich ein befreiendes Lachen Bahn bricht.
Stolz ist die Diplom-Theologin auf die umgestaltete Kapelle am Krankenhaus. Am Ende des langen Gangs leuchten die Farben der aufgehenden Sonne den Kranken entgegen. In der Kapelle empfangen warme Gelbtöne die Gläubigen. Ehrliche Dankbarkeit empfindet sie all den ehrenamtlichen Wortgottesdienstleitern, Kommunionhelferinnen, Lektoren und Mesnern gegenüber. "Ohne sie wäre das alles nicht gegangen."
Froh ist sie, dass es in ihrer Zeit gelungen ist, den Kindern, die schon vor der Geburt gestorben sind, eine letzte Ruhestätte zu geben. Was Mütter durchmachen, deren Kind bereits im Mutterleib verstorben ist und nun dennoch geboren werden muss – das ist ein kaum auszuhaltender Gedanke. "Da muss die Seelsorgerin mit der Patientin und der Familie die Situation ertragen, wie sie ist. Dann muss man aushalten, dass es keine Lösung gibt, keine Erleichterung, keinen Trost, keine Hoffnung." Ja, auch sie habe diese Momente, in denen sie fragt: "Warum, Gott?" Irgendwann, wenn wir Menschen vor Gott stehen, müsse er die Antworten liefern. "Man muss mit Gott ringen dürfen", sagt sie. Und das tut sie auch.
Die Menschen, die zu ihr kommen, sollen herausfinden, was "trägt und hält", welche Gründe es gibt, am Leben und am Glauben festzuhalten. "Was hilft in diesem Moment, das Hier und Jetzt zu ertragen?" Das ist eine Kernfrage, die zu ihrem täglichen Brot gehört. Auch an ihrer neuen Wirkungsstätte in Bad Füssing wird man sie in den Kliniken antreffen. Wer will, dem bietet sie ein offenes Ohr – und ihr Herz an. Man kann es jedem nur empfehlen.
M2: Bilder von Maria Müller
M3: Didaktische Impulse
1. Sammelt Begriffe und Adjektive, die Frau Müller beschreiben. Sammelt diese an einer Pinnwand und stellt sie der Klasse vor! Diskutiert anschließend auch darüber.
2. "Der Patient gibt die Richtung und das Tempo vor, ich begleite ihn nur, ich gehe mit ihm mit", sagt Maria Müller in dem Interview. Überlegt euch in Partnerarbeit, wieso dieser Satz grundlegend für die Krankenhausseelsorge ist. Geht außerdem darauf ein, welche Schwierigkeiten sich bei der Arbeit als Krankenhausseelsorgerin ergeben.