Mayer, Tatjana
Thema: Tod/Tote, Ehrenamt, Lebensschutz
M1: PNP vom 03.07.2008, Nr. 153, S. 12
"Wir dürfen kein Leben beenden"
Hospizhelferin wendet sich vehement gegen aktive Sterbehilfe - Todkranke oft isoliert
Von Jörg Klotzek
Aldersbach. Sie stellen sich freiwillig der unmittelbaren Auseinandersetzung mit dem Tod: die Hospizhelfer. Wenn das Ende eines Menschen nahe und unabwendbar ist, werden sie gerufen, um die Sterbenden mitmenschlich zu begleiten. Eine von ihnen ist Tatjana Mayer aus Aldersbach (Lkr. Passau). Ihre Meinung zur aktuellen Sterbehilfe-Debatte: „Wir dürfen kein Leben beenden.“
Die 38-jährige Mutter von zwei Kindern (15 und 12 Jahre) ist seit 2002 für den Hospizkreis Vilshofen ehrenamtlich im Einsatz und hat seitdem vor allem im dörflichen Bereich mehrere Menschen im Seniorenalter beim Sterben begleitet. „Unser Einsatzleiter steht in Kontakt mit Altenheimen, Krankenhäusern oder Pfarreien und gibt die Hilfswünsche von Angehörigen an uns weiter“, schildert sie, wie es zum Kontakt mit den Betroffenen kommt.
Jeder Fall sei anders, mitunter erstrecke sich das Sterben über ein längeres Siechtum, manchmal trete der Tod schnell ein. Um aktive Sterbehilfe habe jedoch noch nie ein Todkranker bei ihr nachgesucht. „Das würde ich strikt ablehnen, denn wir wollen den Menschen das Sterben erleichtern, aber nicht abnehmen.“ Tatjana Mayer weiß, dass es für manche Betroffene oder Hinterbliebene hart klingen mag, aber sie ist der festen Überzeugung: „Auch das Leid zum Schluss hat seinen Sinn.“
Hospizhelfer geben den Menschen die Chance, ihr Leben abzuschließen und letzte Dinge zu regeln, die sie belasten. So habe sie einmal für eine Sterbende den einst im Streit geschiedenen Sohn mühsam ausfindig gemacht und zum Besuch am Sterbebett der Mutter überreden können. „Die Frau ist bald darauf friedlich eingeschlafen.“
Ein anderer Fall betraf ganz banal die Erledigung der Stromrechnung, die die Todkranke auf keinen Fall den Elektrizitätswerken schuldig bleiben wollte.
„Viele Leute haben wohl Angst vor dem Kontakt mit dem nahen Tod“, glaubt Tatjana Mayer, denn regelmäßig seien Sterbende stark isoliert. „Plötzlich kommt kein Nachbar mehr vorbei und auch die Verwandtschaft macht sich rar.“ Umso dankbarer seien die Todkranken für den Besuch der Hospizhelfer. Auch wenn deren Ausbildung viele Bereiche der letzten Dinge im Leben umfasse, seien die Besuche meist unspektakulär. Man rede, halte die Hand des Betroffenen, meist hören die Sterbebegleiter einfach zu. Eine große Rolle spiele in diesen Situationen der Glaube. Die ehemalige Pfarrgemeinderatsvorsitzende und ausgebildete Kommunionhelferin betet dann mit den Menschen und führt intensive Glaubensgespräche.
Aktive Teilhabe an einer Selbsttötung verbiete ihr der religiöse Hintergrund ihrer Tätigkeit, sagt Tatjana Mayer voller Überzeugung. Sie stehe voll und ganz hinter dem Gesetzentwurf, über den der Bundestag diskutiert. Demnach soll die kommerzielle Hilfe zum Suizid unter Strafe gestellt werden. Die juristische Situation in Deutschland ist äußerst kompliziert und vor allem für Nicht-Juristen kaum zu durchschauen. Da Selbsttötung nicht strafbar ist, kann es auch Beihilfe dazu nicht sein. Was aber, wenn die Beihilfe von einem Unternehmen geleistet wird, das dafür Geld nimmt? Die Debatte darüber ist in Deutschland in vollem Gange.
Für Tatjana Mayer ist die Situation klar. „Letztlich ist es natürlich der freie Wille aller Menschen, aus dem Leben zu scheiden, doch wenn ich dies verhindern kann, werde ich es tun.“ Suizid ist in ihren Augen „ein Davonlaufen vor dem Leben“. Die Depressionen, die viele ältere Leute an Selbsttötung denken lassen, rühren ihrer Erfahrung nach von der zunehmenden Isolation der Menschen in der Gesellschaft her.
Auch starke Schmerzen sind in ihren bisherigen Sterbebegleitungen kein denkbarer Anlass für eine Assistenz zum Suizid gewesen. „Die Ärzte sind in Sachen schmerzstillender Medikamente sehr gut geschult“, ist ihre Erfahrung. In einem extremen Fall habe dies einmal dazu geführt, dass der Sterbende „hinübergeschlafen“ sei.
Die Auseinandersetzung mit dem Tod hat irgendwann auch ihr eigenes Leben erfasst. Die 38-Jährige hat einst selbst Erfahrung machen müssen mit einer schweren Erkrankung. Nicht zuletzt deshalb empfiehlt sie allen Menschen, eine Patientenverfügung zu erstellen, wie weit eine medizinische Betreuung im Falle einer Bewusstseinsstörung gehen dürfe. Tatjana Mayer hat diese Fragen sehr genau geregelt und aktualisiert ihre Patientenverfügung regelmäßig. Sterbehilfe für sich selbst hat sie darin definitiv ausgeschlossen.
M2: Bild von Mayer Tatjana
M3: Didaktische Impulse
1. Diskussion
Tatjana Mayer sagt: "Viele Leute haben wohl Angst vor dem Kontakt mit dem nahen Tod."
Fragen:
- Wie findet ihr Tatjana Mayers Arbeit?
- Könnt ihr euch vorstellen (nach der Schule) auch als Hospizhelferin zu arbeiten ?
2. Interview
Führt ein Interview mit Tatjana Mayer!
Mögliche Fragen:
- Was war der Auslöser für Ihr Engagement in der Hospizbewegung?
- Was gehört zu den Aufgaben eines Hospizhelfers?
- Welche Charakterzüge sollte man als angehender Hospizhelfer mitbringen?
- Welche Möglichkeiten haben die Helfer, der seelischen Belastung besser standzuhalten?
- Wie kann man sich generell das Verhältnis zwischen Hospizhelfer und Patient vorstellen?
- Wie gehen Sie mit dem Tod der Menschen um, die Sie begleitet haben?
- Wie fühlt mich sich nach einem Arbeitstag, nachdem zum Beispiel eine Person verstirbt?
- Gibt es ein ganz besonders einprägsames Erlebnis aus diesen sechs Jahren Hospizarbeit?
- Gibt es auch schöne und glückliche Momente im Arbeitsalltag einer Hospizhelferin?
- Denken Sie anders über den Tod, seitdem sie diesen Beruf ausüben?
- Hat diese Arbeit ihre eigene Lebensweise beeinflusst ? Wenn ja: wie?
3. ABC erstellen
Erstellt ein ABC zum Thema "Hospizhelferin".
Beispiel:
A Angst vor dem Tod
B Betroffenheit im Todesfall
C ...
D ...
E ...
F ...
G Genesung ist möglich. Gibt nicht so schnell auf!
H Hilfe
usw.
4. Akrostikon
Erstellt ein Akrostikon zum Thema "Hospizhelferin".
H Hilfe
O ...
S ...
P ...
I ...
Z ...
H ...
E ...
L ...
F ...
E ...
R ...
I ...
N Nicht aufgeben!
5. Brief verfassen
Schreibt einen Brief an Tatjana Mayer. Beschreibt darin, was ihr an ihrer Arbeit besonders schätzt!
6. Wortpyramide
Erstellt eine Wortpyramide zum Thema "Hospizhelferin". Die oberste Zeile wird aus einem Wort gebildet, die nächste aus zwei Wörtern, die dritte aus drei usw. Es entsteht visuell die Form einer Pyramide.
Beispiel:
HospizhelferIn
Lebens- und Sterbebegleitung
Schöne und traurige Momente miterleben
Auseinandersetzung mit Sterben und Tod vieler Menschen
M4: Ausstellungstafel
Die Ausstellungstafel entstammt der Wanderausstellung "Tolle Typen heute", die ausgeliehen werden kann. Weitere Informationen siehe Wanderausstellung