Martini, Peter
Thema: Eigeninitiative, Jugend, Hilfsbereitschaft
M1: Grafenauer Anzeiger, 11.12.2015
Die Jugendlichen und ihr "Pfandpirat"
Peter Martini sammelt Pfandflaschen für guten Zweck und wird dabei von der Busbahnhof-Jugend unterstützt
von Hermann Haydn und Andreas Nigl
Grafenau. Für ihn ist es eine Art Auszeichnung: "Pfandpirat" haben sie ihn getauft. Zwischen Peter Martini und den Jugendlichen, die sich den Busbahnhof als Treffpunkt auserkoren haben, hat sich eine Freundschaft entwickelt. Und eine Zweckgemeinschaft dazu: Pfandflaschen waren der Schlüssel zur Kontaktaufnahme.
"Die Jugendlichen sind besser als ihr Ruf. Viel besser." Wenn Peter Martini dies sagt, klingt viel Überzeugung mit. Aber auch ein gewisser Trotz. Und Unverständnis. Darüber, dass die Burschen und Mädchen so schlecht in der Öffentlichkeit dastehen: Alles Radaumacher, die den Abfall auf die Straße werfen und mit quietschenden Reifen die Nachtruhe stören.
Der 73-Jährige weiß, wovon er spricht. Er war Angestellter der Stadt Stuttgart. Indirekt kam er da auch immer wieder mit dem Bereich "Sozialem" in Berührung. Zum Beispiel Jugendliche, die auf die schiefe Bahn geraten waren, die Hilfe brauchten. Helfen, das ist Martini sozusagen ins Stammbuch geschrieben.
Nach Grafenau hat ihn der Zufall verschlagen. Er und seine Frau suchten, nach dem sie gesundheitlich schwer angeschlagen waren, einen Ruhestandsort. Und da sie vorher in der Säumerstadt im Urlaub waren, war dieser schnell gefunden. Und als ihm der Zufall dann noch eine schwarze Hündin "vermacht" hatte, war auch für eine neue Aufgabe gesorgt: viel Spazierengehen. Eine Aufgabe, die Martini zudem leicht mit seiner anderen Leidenschaft, dem Pfandflaschen-Sammeln für den guten Zweck, verknüpfen konnte.
Und wie es so ist, beim Spazierengehen und Pfandflaschen-Sammeln führte das Schicksal ihn und die Jugendlichen am Busbahnhof eines Tages zusammen.
"Langsam sind wir ins Gespräch gekommen", so Martini. "Anfangs werden sie sich wohl gedacht haben, was will der komische Alte?" Und als das Misstrauen geschwunden und das Vertrauen gewachsen ist, hat er erfahren, dass sie ihn damals "Pfandpirat" getauft hatten. Was anfangs despektierlich gemeint war, ist mittlerweile als Auszeichnung zu sehen.
Die Jugendlichen haben ihm, den Pfandpiraten, dann spontan Hilfe zugesagt. "Sie sammeln mit, sie bringen mir die Tüten mit den Flaschen sogar nach Hause, wenn ich sie nicht mehr tragen kann." 1700 Euro hat er heuer gesammelt (davon gingen beispielsweise 1000 Euro an die Kinderkrebshilfe Regensburg), 970 Euro waren es im Jahr 2014. Insgesamt werden es wohl schon an die 7000 Euro gewesen sein, die guten Zwecken zugeflossen sind.
Für die jungen Leute am Busbahnhof und an anderen Ecken der Stadt ist es auch eine gute "Symbiose". Denn so wollen und müssen sie sich den Vorwurf, die Stadt zu versauen, auch nicht mehr gefallen lassen. Dass sie da gerne mal mit ihren Autos stehen, das trifft nicht auf ungeteilte Freude. Aber sie versuchten ohnehin schon nicht laut zu sein, etwas ab vom Schuss sind sie hier auch. Und dass sie für Scherben und Müll zuständig wären, das lassen sie so nicht mehr gelten.
Klar gebe es auch hier schwarze Schafe, andere Grüppchen, die weniger Rücksicht nähmen, sagen sie. Besonders nach den Wochenenden könne man oft sehen, wo die Autos gestanden seien, weil aus denen links und rechts Pizzaschachteln und Dosen raus gepurzelt seien, selbst wenn nur wenige Meter entfernt ein Abfalleimer stünde. Dass das keine Freude bereitet, wenn anderntags der Bauhof aufwendig anrücken und die Allgemeinheit die gedankenlose Dummheit mittragen muss, das wissen sie schon auch. Aber sie selbst wollen da nicht über einen Kamm geschoren werden. Deshalb sind sie mit Eifer dabei, die Aktion von Peter Martini zu unterstützen. Und den Rest nehmen sie auch wieder mit, sagen sie.
Eine Gruppe etwas älterer Jugendlicher, die meist unter sich etwas abseits steht, trifft sich auch gerne mal bei oder in den Buswartehäuschen. Dort würden sie immer wieder besonders schief angeschaut. Da werde man schon mal als "Junkie" (Im Englischen auch umgangssprachlich für "Müll") oder "fauler Hartzer" tituliert, obwohl eigentlich jeder von ihnen einer geregelten Arbeit nachgehe. Hier habe sich eben ein Treff entwickelt, wo es um Auto, Leben, Freunde gehe. Da hieße es dann: Geht doch in ein Wirtshaus! Aber das müsse man sich auch leisten können und hier gebe es eben die zwanglose Art, die man so mag. Und in der Gaststätte würde dann wohl auch eher Bier getrunken; ob das dann wieder so toll wäre?, fragen sie. Stattdessen sehen sie sich ständig in einem "Generalverdacht". Sie selbst hätten aber auch schon Hinweise an die Polizei weiter gegeben, wenn da andere über die Stränge geschlagen hätten.
Peter Martini bringt den Jugendlichen hoffentlich jetzt etwas Glück beim Image-Aufpolieren und noch in einer zweiten Hinsicht. Das Pfandgeld spendet er immer komplett; nur momentan macht er eine Ausnahme, die eigentlich keine ist. Er kauft Lose der Fernsehlotterie und verteilt die vor Weihnachten wieder an die Jugendlichen. Damit geht der Erlös an die "Aktion Mensch" und die "Flaschenspender" haben die Chance auf einen Gewinn.
Sein Dank gehe an die "bärenstarke" Jugend vom Busbahnhof und die Skaterjugend im Kurpark, sagt Martini zum Schluss. Dass aber seine Sammelleidenschaft für den guten Zweck auch sonst Wellen schlägt, beweist die Tatsache, dass er mittlerweile auch seine "Spaziergeh-Rentner-Runde" aus dem Kurpark eingespannt hat. Pfandflaschen-Sammeln verbindet eben – auch wenn mancher davon erst überzeugt werden muss...
M2: Foto von Peter Martini und der Busbahnhof-Jugend
M3: Didaktische Impulse
1. Gehe einmal in Gedanken durch, was du und deine Eltern zu Hause alles wegschmeißt. Schreibe diese Dinge untereinander in einer Liste auf und teile sie in zwei Gruppen ein: Dinge, die zunächst wirklich "Abfall/Müll" sind, unterstreichst du mit einem roten Stift, und Dinge, die du/deine Familie nicht mehr brauchen können, aber durchaus noch in gutem und weiterverwendbaren Zustand sind, umrahmst du mit grün.
2. Bildet nun in der Klasse vier große Gruppentische und verteilt euch jeweils zu einer in etwa gleich großen Anzahl an den Tischen. Zwei Gruppen befassen sich nochmal mehr mit den von ihnen rot markierten Gegenständen, die anderen zwei arbeiten mit den grün umrahmten Begriffen weiter.
a) Sammelt zuerst innerhalb eurer Gruppe alle eure Begriffe auf einer Gesamtliste. Überlegt euch dann mögliche Verwendungszwecke für die jeweiligen Sachen. (Tipp: Bei den rot markierten Sachen bieten sich kreative, gestalterische Ideen an, die nicht zwingend in einem sozialen Zweck eingebettet sein müssen!)
b) Fertigt ein Plakat an, auf dem ihr eure Ideen anschaulich präsentiert und stellt es danach euren MitschülerInnen vor. Hängt die Plakate im Klassenzimmer auf und diskutiert im Anschluss im Plenum über einige der genannten Ideen hinsichtlich Sinnhaftigkeit, Umsetzbarkeit, etc. .Gibt es Vorschläge, die ihr in der Schule gerne ein-/durchführen würdet?
3. Lies dir zum Abschluss nochmals die Plakate durch und mach dir eine persönliche Favoritenliste für dich: "Diese Ideen finde ich gut/umsetzbar/brauchbar..."; "Das will ich in Zukunft auch selbst tun", ... Ändert sich dadurch etwas an deiner obigen Einteilung der Dinge, die für dich "Abfall/Müll" sind?
4. Erzähle deiner Familie, deinen Freunden und Bekannten von deinen Vorschlägen an Weiterverwendungszwecken für nicht-mehr gebrauchte Dinge und führt feste Rituale ein!