Mannichl, Alois
Thema: Zivilcourage, Nationalsozialismus
M1: "Ich will kein Held sein" (Alois Mannichl) - Bericht von Hans Mendl
„Dass man mir den Status Held zuweist, ist ein Punkt, der mir absolut widerstrebt. Ich habe nichts anderes gemacht, als das, was meine Kollegen tagtäglich tun“, äußerte der Passauer Polizeipräsident Alois Mannichl, der am 13. Dezember 2008 vor seiner Haustür niedergestochen wurde.
Der Fall bewegte die ganze Republik, alle großen Fernsehanstalten, Zeitungen und Journale berichteten breit darüber. Das hing auch damit zusammen, dass man den Täter aufgrund seiner Hassrede bei seiner Tat dem rechten, braunen Spektrum zuordnete: „Viele Grüße vom nationalen Widerstand, du linkes Bullenschwein, du trampelst nimmer auf den Gräbern unserer Kameraden herum“, soll er kurz vor dem Stich gesagt haben.
Erst durch diese unglaubliche Tat, mit der ein gewaltsames Eindringen in die Privatsphäre einer öffentlichen Persönlichkeit erfolgte, wurde rückblickend deutlich, wieso der unscheinbar wirkende und zurückhaltende Alois Mannichl schon seit längerer Zeit ins Kreuzfeuer der rechten Szene gelangt ist – und, entgegen seiner eigenen Aussage, mehr getan hat, als es andere getan hätten.
Mutig „Aug’ in Aug’“ mit den Rechten
Die NPD, die in der Region kaum Mitglieder hat, hatte schon seit längerem Passau als Ort für öffentliche Treffen benutzt – motiviert auch durch die lange Tradition um die „Nibelungenhalle“, die vor vier Jahren wohlweislich von der Stadt abgerissen wurde. Ein Altnazi, der in Passau bis zu seinem Tod lebte, gab immer wieder Anlass zu öffentlichen Aufmärschen der rechten Szene, zuletzt anlässlich seiner Beerdigung. Alois Mannichl tat eigentlich nichts anderes, als die vorhandenen Gesetze anzuwenden: So griff er immer dann konsequent ein, wenn die Ewiggestrigen verbotene Symbole verwendeten. Als ein NPD-Aktivist bei der Beerdigung des Altnazis in Passau eine verbotene Reichskriegsflagge niederlegte, wurde er festgenommen. Die Staatsanwaltschaft ließ das Grab zur Beweissicherung der Flagge zwei Tage später wieder öffnen. Im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten schränkte Mannichl das öffentliche Auftreten der Rechten so weit wie möglich ein, sorgte andererseits aber bei genehmigten Demonstrationen auch für den vorgeschriebenen Schutz der rechten Demonstranten. Mannichl scheute sich aber auch nicht, die Rechten Aug’ in Aug’ in die Schranken zu weisen, zum Beispiel bei einer Gedenkfeier zum Volkstrauertag, den die NPD auf dem Passauer Innstadt-Friedhof für ihre Agitation missbrauchen wollte. Per Gerichtsbeschluss ließ Mannichl den Vorwurf der NPD untersagen, er habe Trauergäste belästigt (so auf der Homepage der NPD).
In Mannichls Heimatort Fürstenzell entwickelte sich ein Cafe an der Hauptstraße zu einem Treffpunkt der Rechten; von dort aus fanden auch immer wieder Versuche statt, Demonstrationen und Veranstaltungen zu platzieren. Bei einer Veranstaltung auf dem Markplatz ließ die Gemeinde das dortige Kriegerdenkmal verhüllen; Mannichl hatte den Bürgermeister beraten.
Bereits am 16. April 2007 hatte ein Anwalt der NPD folgende Mail geschrieben: „Lieber Kamerad, wenn etwas sinnvoll gegen Euren geliebten Polizeichef Mannichl unternommen werden soll, dann muss das alles sehr präzise vorbereitet und durchgeführt werden.“
Zivilcourage – eine Grundhaltung
Dass Mannichl wahrlich kein linker Ideologe, sondern „nur“ ein konsequenter Demokrat und zivilcouragierter Polizist ist, der auch auf anderen Gebieten eine deutliche Sprache nicht scheut, zeigt eine andere Episode: 150 versammelte Feuerwehrkommandanten warnte er, er werde es nicht mehr dulden, dass sich die Jugendlichen auf den Feuerwehrfesten volllaufen ließen; wenn die Kommandanten nichts unternehmen würden, dann mache er selbst mit der Polizei Schluss im Festzelt. Mannichl engagierte sich auch in seinem Heimatort Fürstenzell und arbeitet dort aktiv als gewählter Marktgemeinderat mit.
Bei der Entlassung aus dem Krankenhaus rief Mannichl zum zivilcouragierten Kampf gegen Rechts auf: „Ich habe den Weg hier bewusst gewählt, ich wollte nicht durch die Hintertür hinausgehen. … Wir dürfen uns nicht von Einzelnen einschüchtern lassen.“
Zeugin im Visier der Rechtsextremen
Auch eine Zeugin des Anschlags auf Mannichl geriet ins Visier von Rechtsextremen. Sie hatte am Tag des Attentats zwei verdächtige Personen gesehen und dies auch der Polizei gemeldet. Einer der Verdächtigen wurde aufgrund dieser Aussage identifiziert und vorläufig mit seiner Ehefrau festgenommen. Kurz darauf erhielt die Frau einen „unliebsamen Besuch“: Als sie spätabends ihre Katze hereinholen wollte, packte sie ein Mann an Kinn und Hals und drohte: „Schönen Gruß vom Chef: Zieh deine Aussage zurück, sonst passiert was.“ Er flüchtete unerkannt. Der Name der Zeugin war im Haftbefehl des vorläufig festgenommenen Ehepaars gestanden – das bestätigte deren Anwalt.
Die Zeugin war davon ausgegangen, dass ihr Hinweis vertraulich behandelt werde und meinte nach ihren Erfahrungen: „Noch einmal würde ich mich in so einem Fall nicht bei der Polizei melden.“
Öffentliche Protestaktionen
In Fürstenzell fand vor Weihnachten eine große Lichterdemonstration statt – die zahlreichen Teilnehmer, die den gesamten Markplatz füllten, protestierten schweigend gegen den feigen Anschlag auf Alois Mannichl. Über 1000 Bürger nahmen Anfang Januar bei klirrender Kälte in Passau an einem Protestzug gegen die braunen Umtriebe teil: „Wir lassen uns Weltoffenheit nicht austreiben“, titelte die Passauer Neue Presse.
M2: Didaktische Impulse
1) Charakterisiert Alois Mannichl: Was zeichnet ihn aus? Verfasst eine Laudatio anlässlich einer (fiktiven) Preisverleihung an ihn zum „Helden des Alltags“! Ihr könnt eure Beiträge auch an die „Local-heroes-Homepage“ senden!
2) Schreibt einen Brief an die Zeugin, um sie davon zu überzeugen, dass ihr zivilcouragiertes Verhalten sehr wichtig für die Gesellschaft ist!
3) „Tut das, was ihr von anderen erwartet, auch selber“, lautet eine Version der Goldenen Regel. Sucht nach Situationen, in denen ihr in Not geraten könntet, und wo ihr möchtet, dass euch jemand hilft. Wechselt dann den Blickwinkel: „Ich komme vorbei, wenn jemand in einer dieser Notsituationen ist. Wie verhalte ich mich?“
4) Überlegt, welche Möglichkeiten es gibt, der Ideologie und Gewalt von Rechts entgegenzuarbeiten. Diskutiert die verschiedenen Ideen auf ihre Folgen hin!