Loderbauer, Anni
Thema: Menschenrechte, Ehrenamt
M1: PNP, 29.10.2014, Nr. 249, S. 18
Nur nicht den Schnabel halten
Mit 84 Jahren ist Anni Loderbauer Yoga-Lehrerin und Sprecherin für Amnesty International
von Christina Fleischmann
Ihr erstes Bundesverdienstkreuz hat Anni Loderbauer abgelehnt. "Weil’s für mich ein Blödsinn ist", sagt die 84-Jährige. "Ich brauch’ doch kein Bundesverdienstkreuz, nur weil ich was tue." Ein zweites Mal wurde Loderbauer für die Auszeichnung vorgeschlagen, die an Menschen für besonderes politisches, wirtschaftliches, kulturelles oder ehrenamtliches Engagement verliehen wird. "Da konnte ich nicht nochmal Nein sagen", meint Loderbauer. Wichtig ist ihr der Orden trotzdem nicht.
Anni Loderbauer braucht kein Lob für das, was sie tut. Sich für Menschen einzusetzen, denen Unrecht widerfährt, das ist für sie selbstverständlich. Seit mehr als 40 Jahren ist sie bei Amnesty International aktiv, hat sich für gewaltlose politische Gefangene auf der ganzen Welt eingesetzt. In den Regalen in ihrem Arbeitszimmer stehen Dutzende Ordner, "alles Amnesty", sagt Loderbauer. Daneben reihen sich Bücher über die Menschenrechtsorganisation, auf einem Plakat an der Pinnwand prangen in Rot die Buchstaben "ai".
Morgens, wenn Loderbauer aufwacht, macht sie im Bett erst einmal Autogenes Training. Danach steht sie auf, duscht, macht ein ausgedehntes Yoga-Programm. "Und dann fängt der Tag an", sagt Loderbauer. In ihrem Yoga-Zentrum gibt sie etwa fünfmal die Woche Kurse, nebenbei bildet sie Yoga-Lehrer aus. In Indien, Nepal und Dänemark hat sie Yoga schon praktiziert, längere Zeit in Camps und Zentren verbracht. "Ich war schon überall", sagt Loderbauer und lacht. "Das schaut man sich an, das gehört dazu." Seit 1975 gibt sie Yoga-Stunden in Passau. Beim Hochwasser im vergangenen Jahr ist ihr Studio in der Frauengasse "abgesoffen", wie sie sagt. Dahin möchte sie nach der Renovierung wieder zurück. Übergangsweise hält sie die Kurse in der Großen Klingergasse.
Bis vor drei Jahren hat Loderbauer auch Firmen in Personalfragen beraten, Einstellungsgutachten erstellt. "Dann war mir die Fahrerei zu viel." Auf Achse ist sie trotzdem ständig, fährt oft zu ihrem zweiten Wohnsitz bei Plattling. Im Mai hat sie sich ein neues Auto angeschafft, mittlerweile zeigt der Tacho 16000 Kilometer. Auch zu Versammlungen von Amnesty International fährt sie regelmäßig.
Bei einem Psychologie-Kongress im Jahr 1968 kommt Loderbauer das erste Mal mit Amnesty International in Berührung. Drei Jahre später, am 7. November 1971, gründet sie mit sechs Gleichgesinnten eine Gruppe in Passau. "Damals war Amnesty in Deutschland noch ein kleiner Haufen", sagt Loderbauer. In Ostbayern baut sie ein ganzes Netzwerk auf, gründet weitere Gruppen in Deggendorf, Straubing, Pfarrkirchen, Landshut, Altötting-Mühldorf und Grafenau, auch eine Hochschulgruppe an der Universität Passau.
Heute, mit 84 Jahren, ist Loderbauer Sprecherin für die Passauer Gruppe und für den Bezirk Ostbayern. Jeden Tag ist sie mit Amnesty International beschäftigt. Mehr als zehn Fälle hat sie in ihrer Zeit bei der Organisation schon bearbeitet. Immer handelte es sich um politisch Gefangene in Ländern wie Syrien, Nepal, dem Irak, Israel. "Wir haben bei allen Fällen bis auf einen erreicht, was wir wollten", sagt Loderbauer. Freilassung oder Hafterleichterung. In manchen Fällen gebe es kaum Aussicht auf Erfolg. "Aber trotzdem sollte man nicht den Schnabel halten. Darum geht’s", sagt die 84-Jährige. Loderbauer schreibt Briefe an die zuständigen Behörden, tritt mit den Angehörigen der Gefangenen in Kontakt, entwirft Flugblätter, klärt an Informationsständen über die Situation politisch Gefangener auf. Nicht immer trifft sie mit ihrer Haltung auf Zustimmung. "Wie können Sie sich für diese Verbrecher auf die Straße stellen?", hat sie mal jemand gefragt. Loderbauer stört so etwas nicht. Sie ist überzeugt von der Sache, also macht sie weiter.
Seit wann sie nun schon in Passau lebt, das könne sie gar nicht genau sagen. Kurz nach dem Krieg, im Mai 1946, war Loderbauer, geboren im tschechischen Iglau, das erste Mal in Passau, für zwei Tage. Mit 16 Jahren kam sie aus ihrer Heimat über Österreich hierher. Damals war die Turnhalle am Inn voll mit Flüchtlingen, erzählt die 84-Jährige. Sie war allein, wo ihre Angehörigen waren, wusste sie nicht, auch sie waren auf der Flucht. "Ich habe mir vorgenommen, wenn ich das überstehe, werde ich niemals jammern. Das Recht hat man nicht", sagt Loderbauer. Ihren Mann hat sie verloren und ihre beiden Söhne, als diese etwa 40 und 60 Jahre alt waren. Loderbauer jammert nicht mal dann, wenn sie davon erzählt. "Aus Jammern ist noch nie was entstanden", sagt die 84-Jährige. Sie gehöre eben zu denen, die nicht so schnell aufgeben.
M2: Bild von Anni Loderbauer
M3: Didaktische Impulse
1. Informiere dich über Amnesty International und deren Arbeit! Gibt es Möglichkeiten, wie du die Menschenrechtsorganisation unterstützen kannst?
2. Gibt es an eurer Schule eine Amnesty International-Gruppe? Sprich mit einem Schüler, der Mitglied dieser Gruppe ist und frage ihn nach seinen Motiven! Finde heraus, was die Schulgruppe macht, um auf Menschenrechte und deren Verletzungen aufmerksam zu machen.
3. Erstelle ein Akrostichon zum Thema "Menschenrechte".