Liedl, Ottmar
Thema: Sonstiges, Ehrenamt
M1: PNP, 18.02.2012, Nr. 41, S.24
"Stütze für diejenigen, die öfters auf die Nase fallen"
Von Christian Karl
Hat der Fasching für einen, der sich quasi von Berufs wegen das ganze Jahr gerne verkleidet, noch einen Reiz?
Ottmar Liedl: "Selbstverständlich. Ich finde es gut, wenn sich Menschen zum Spaß verkleiden, um mal etwas andres auszuprobieren. Zu beobachten, welche Rollen sie so austesten, zum Beispiel der Beamte als Superman, der Rechtsanwalt als Hippie und die hübsche Dame als Bauarbeiter oder Schlumpf, das hat schon was. Auch finde ich kreative Kostüme Marke Eigenbau toll. Meine Frau und ich gingen mal mit einem Maschendrahtzaun bekleidet zum Brenner-Ball. Damals lief Stefan Raabs "Maschendrahtzaun" als Top-Hit im Radio rauf und runter."
Waren Sie eigentlich als Kind auch schon immer gerne Clown − sei’s im Fasching oder davor und danach?
Ottmar Liedl: "Nein. Ich war eher maskulin orientiert als verwegener Pirat, mutiger Indianer oder Pistolen schwingender Cowboy, gerne auch bewaffnet mit Lutschern im Patronengürtel."
Warum Clown − gab’s ein Schlüsselerlebnis für Sie?
Ottmar Liedl: "Der Clown an sich war ja schon in den späten Siebzigern sehr populär: als kreativer Rebell, Experte im Stolpern und Wiederaufstehen, als Stütze für diejenigen, die öfters mal auf die Nase fallen. Das reizte mich schon, aber mir fehlte dafür noch die nötige Portion Selbstbewusstsein.
Mitte der Achtziger Jahre dann fragte mich ein Freund, der damals als Clown auftrat, ob ich einen seiner Termine übernehmen wolle. Ich sagte spontan zu. Nach einem telefonischen Briefing plante ich ein Programm für 60 Minuten. Vor Ort musste ich dann aber nach wenigen Minuten alles über den Haufen werfen. Die begeisterten Kinder rückten mir so auf die Pelle, dass ich keine Chance hatte, irgendein Programm vorzutragen. Ich lernte gleich eine wichtige Clown-Technik: das Improvisieren − Lernmethode ,Learning by flüchting‘. Die restliche Zeit jagte ich zwischen und unter Wirtshaustischen durch den Saal, verfolgt von wilden Indianern, tapferen Cowboys und hübschen, leicht erhitzten Prinzessinnen. Ich kletterte auf den Tisch und startete Ablenkungsangriffe mit Papierfliegern aus Servietten. Die Servietten-Bomber waren zu zeitraubend in der Herstellung, deshalb ließ ich Ufos aus dem All landen: unsichtbare Aliens auf Bierdeckeln, die hervorragend flogen. Es waren sehr, sehr lange 60 Minuten und ich schwor mir unmittelbar danach, es nie wieder zu tun.
Aber − Veranstalter und Publikum waren total begeistert. Wegen des triumphalen Erfolgs kamen bald die ersten Anrufe und so nahm die Sache ihren Lauf. Mit der Zeit entwickelten sich dann die Programme, meist aus Improvisationen heraus."
Sie sind seit vielen Jahren Kinder-Clown . Gab es trotzdem mal Grund zum Weinen? Sie sind ja auch viel in der Kinderklinik im Einsatz.
Ottmar Liedl: "Natürlich gehen dem Clown OLi manche Dinge sehr nah, zum Beispiel wenn ein Kind stirbt, zu dem man als Klinik-Clown über eine gewisse Zeit einen Kontakt aufgebaut hat. Jedoch ist mir dies hier in Passau erst einmal passiert. Oft strahlen gerade die Menschen, denen das Leben besonders übel mitspielt, enorme positive Energie aus. Die Stärke und der Humor, den die Eltern mobilisieren, wenn sie mit ihren kranken oder behinderten Kindern umgehen − das ist nicht selten unglaublich. Es ist eine Freude, für sie zu arbeiten. Und wenn es dann gelingt, sie und ihre Kinder für einen Augenblick oder etwas länger in eine Parallelwelt des Humors zu entführen, wo sie entspannen können, das gibt mir viel ab.
Allerdings kann es für mich auch schwierig werden, wenn im privaten Umfeld Belastungen sind − wie zum Beispiel bei einem Trauerfall − und Termine fest gebucht sind. Die Kinder können ja nichts dafür. Sie freuen sich sehr auf den Clown OLi und ich enttäusche sie ungern."
Können Sie Tränen unterdrücken?
Ottmar Liedl: "Als Clown war ich nur einmal den Tränen nahe. Da rutschte ich beim Eislaufplatz-Fasching an der Westerburger Straße mit meinen Clown-Latschen aus und knallte so hart auf den Rücken, dass mir die Luft wegblieb. Sofort schossen mir Tränen in die Augen. Das Publikum applaudierte jedoch begeistert. Sie dachten, der Stunt gehöre zur Show. So kämpfte ich mich hoch, zwang mich zu einem verkrampften Grinsen und weiter ging’s. Seitdem arbeite ich auf Eis nur noch mit Yetispikes."
Was war das lustigste Erlebnis in ihrer Zeit als Clown?
Ottmar Liedl: "Eines als Topfavorit zu küren, ist schwierig. So denke ich an unseren Alt-OB Albert Zankl, der sich für keinen Spaß zu schade war. Er zeigte beim Fasching vom Kinderschutzbund am Marterpfahl oder im Urwald wahre Größe. Da ließ er sich von den Kindern vom Cowboy zum Dschungelkönig umstylen mit dunkler Schminke, Knochen im Haar, in Feinripp-Unterhemd und Baströckchen. Das war schon Klasse. Und als ich dann auch noch die Erlaubnis bekam, das Stadtoberhaupt mit einer ziemlich schrägen Flugrolle in der Luft überqueren zu dürfen, das war ein echtes Highlight.
Gern erinnere ich mich auch an einen Fasching in der Eis-Arena. Zusammen mit Eisläufern schob ich meine Frau, die mit Ringelshirt, Perücke und Clown-Schuhen in einer randvoll gefüllten Badewanne saß, quer über die Eisfläche. Das war spektakulär. Aber Kleidung und Perücke saugten sich voll und pro Schuh hatte sie zirka einen Liter Wasser geschöpft. So schaffte sie es allein nicht mehr aus der Wanne. Wir hievten sie heraus, sie stand einige Sekunden auf dem Eis und sofort froren die Clown-Latschen fest. Netterweise durfte sie dann in der Umkleide der Black Hawks heiß duschen."
Unfälle à la Dick und Doof kommen am besten an. Gibt es ein Paradebeispiel, wie man kleine Kinder − zum Beispiel einen 5-Jährigen − mit Sicherheit zum Lachen bringt?
Ottmar Liedl: Der Erwachsene will ja gern intellektuell überrascht werden, das Kind lacht aber vor allem beim Situationswitz, dem Slapstick. Es bieten sich Unfälle à la Dick und Doof an: zum Beispiel mit dem Jonglierball. Ich werfe ihn hoch und statt dass er in meiner Hand landet, prallt er auf meinem Kopf und dann auf dem Boden. Ich wiederhole das mehrmals und die Kinder lachen sich immer kringeliger. Zum Abschluss wird kurz jongliert, schließlich muss der Clown die Kurve kriegen, sonst nimmt ihn der Kleine beim Auslachen nicht ernst."
Geben Sie auch zu Hause mal gern den Clown oder sagen Sie sich: Irgendwann muss Feierabend sein?
Ottmar Liedl: "Ich versuche, Berufliches und Privates möglichst zu trennen. Also lebe ich zu Hause wie jeder andere auch. Ungewöhnlich mag sein, dass ich ganzjährig vor oder nach Auftritten im Clown-Kostüm zwischen Haustüre, Garage und Straße unterwegs bin, auch schon mal an Allerheiligen, wenn jemand mit mir Kindergeburtstag feiern will. Bei einem Kindergeburtstag meiner Tochter und im Kindergarten meiner Nichten bin ich auch schon aufgetreten. Da waren die Mädchen dann tagelang stolz, dass sie einen ,eigenen Clown‘ haben."
Kinderfragen im peb: Und warum hast du heute keine rote Nase? Grundsätzlich: Sind die Passauer ein eher lustiges Völkchen oder muss man sie massiv strapazieren, ehe sie das erste Grinsen aufsetzen?
Ottmar Liedl: "Mir fehlt da etwas die Erfahrung, weil ich nur Kinderprogramm mache. Für volljährige Passauer und solche, die die Volljährigkeit kaum erwarten können − also ab 10 Jahren aufwärts − mache ich normalerweise keine extra Auftritte. Mein Kernpublikum sind die Kinder zwischen 3 und 10, darauf habe ich mich spezialisiert. Kinder in diesem Alter lachen von Natur aus schnell, sei es in Passau oder anderswo, zum Beispiel auf Rügen – übrigens mein weitest entfernter Auftrittsort."
Sind Sie jetzt im Faschings-Endspurt eher Spaß-Bremse oder Gaudi-Bolzen?
Ottmar Liedl: "Im Faschings-Endspurt ist bei mir Hochsaison, da ist mein Terminkalender prall gefüllt. Vor dem Fasching bereite ich mich konditionell mit Walken vor. Auf Tour dann noch bis zum frühen Morgen durchzufeiern, darauf verzichte ich. Als älterer Herr mit 56 Jahren muss ich mir meine Kräfte a bisserl einteilen. Sollte ich einmal meine Clown-Schuhe an den Nagel hängen, sieht’s vielleicht wieder anders aus."
Haben Sie zum Schluss noch einen kurzen Lieblingswitz parat?
Ottmar Liedl: "Ich bin kein Witzerzähler. Witze sind was für die Großen. Kinder bevorzugen es, wenn du selbst der Witz bist. Und da gebe ich mir ordentlich Mühe. So habe ich mir schon mal im Fasching meine wallende Haarpracht knallrot gefärbt, was im Stadtbus oder in der Sauna für etwas Aufsehen gesorgt hat. Auch habe ich mir einmal einen Traum erfüllt und bin mit aufgespanntem Regenschirm vom Dreimeterbrett gesprungen. Danach brauchte ich zwar einen neuen, aber ich war happy. Ein anderes Mal spazierte ich wochenlang mit einem ganz speziellen Sonnen - Tattoo im Gesicht durch die Stadt. Nachdem ich einen Nachmittag lang als Clown geschminkt in der prallen Sonne agiert hatte, war mein Gesicht hinterher schön braungebrannt, außer an den Stellen, die ich mit Schminke abgedeckt hatte…
Und − ich freue mich, wenn mich kleine Fans irgendwo erkennen, zum Beispiel ungeschminkt in der Badehose im peb. Wenn sie mir dann Grundsatzfragen stellen wie: ,Warum hast du keine rote Nase?‘ oder ,Bist Du ein richtiger Clown?‘, dann erkläre ich ihnen, dass ich selbstverständlich ein richtiger Clown sei, nur eben gerade verkleidet. Ist doch klar, oder?"